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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Händen und Füßen, kreuzweis behende um einer Mauer an eisernen Ringen
gespaltnen, da er nach etlichen Tagen des Hungers, welches zwar der aller-
jämmerlichste Tod sein mag, gestorben. Man sagt, daß ;, dies Gewölbe hart
an die Unter-Sakristey der Kirche gestoßen. Nun ist vielleicht ein kleines > oder
dünnes Ritzlein in der Mauren gewesen, dadurch er wohl hat hören können,
wenn die Lg.criüeig. gewesen und die Pfaffen in der Kirchen gingen und klingen.
Wenn man nun unsern Herrn Gott erhebet und dazu nach Gewohnheit mit
Glocken klinget, soll er mit großer Stimme geschrieen haben, mit lateinischen
Worten: Niserers, rmsvrors, nusererv, mei vous! -- Nach seinein Ableben
ward die todte Leiche nach Königsberg geführet und wie man Bischöfe pfleget
in allen Ehren im Thurm zu Grabe bestättiget. Auf diese Weise ist der feine
Man umbkommen und hat ihn nichts in seine Grube gebracht, denn seine
große große Klugheit, ingleichen sein Stolz und Uebermuth sammt des Kaplaus
Falschheit und Verrätherei."

So die Chronikenschreiber. Dasselbe Gerücht über des Bischofs Ende
war gleich nach seinem im August 1474 erfolgten Tode im Lande verbreitet.
Der Wahrheit desselben stehen jedoch mancherlei gewichtige Thatsachen entgegen.
Der Hochmeister, der von diesem Gerüchte augenscheinlich gleichfalls sofort
unterrichtet war, ließ, um den Angaben möglichst bald zu begegnen, die Leiche
genau und öffentlich besichtigen und den Befund durch Notare und glaubwür¬
dige Zeugen feststellen. Er machte dem Deutschmeister Melchior Meckan hie-
von am vierundzwanzigsten August 1474 Mittheilung. "Er habe, schrieb er
ihm, den Bischof in seinem Gewahrsam, wie seinem Stande gezieme, mit
Speise und Getränken wohl versorgen lassen; aber die Gewalt Gottes, mit der
durch die herrschende Pestseuche das große Meuschensterben im Lande immer¬
mehr überHand nehme, sei auch über ihn gekommen und der natürliche Tod
habe ihn von dieser Welt genommen."

Es ist nun schwer zu glauben, daß sich der Hochmeister mit einer solchen
lügenhaften Darstellung des Sachverhältnisses, um die Ehre des Ordens von
dem Verbrechen rein zu waschen, bemüht haben sollte, da die Möglichkeit jeden¬
falls nicht ausgeschlossen war, daß der wahre Thatbestand auf einem oder dein
anderen Wege dennoch an's Tageslicht gekommen wäre und ihn ans das
Schimpflichste blosgestellt haben würde. Auch die angeordnete öffentliche
Leichenbesichtigung läßt es füglich nicht annehmbar erscheinen, daß der Hoch?
meister, falls er sich nicht vollständig rein gefühlt, zu solcher Maßregel gegriffen
haben sollte, da bei Erwägung der schweren Verantwortlichkeit und Peinlichkeit
der vereidigten Notare, denselben eine absichtliche oder fahrlässige Fälschung
des Sachverhältnisses uicht zugetraut werden kann. Endlich ist wohl zu be¬
denken, daß, wenn der Hochmeister sich seines Widersachers auf kürzestem Wege


Händen und Füßen, kreuzweis behende um einer Mauer an eisernen Ringen
gespaltnen, da er nach etlichen Tagen des Hungers, welches zwar der aller-
jämmerlichste Tod sein mag, gestorben. Man sagt, daß ;, dies Gewölbe hart
an die Unter-Sakristey der Kirche gestoßen. Nun ist vielleicht ein kleines > oder
dünnes Ritzlein in der Mauren gewesen, dadurch er wohl hat hören können,
wenn die Lg.criüeig. gewesen und die Pfaffen in der Kirchen gingen und klingen.
Wenn man nun unsern Herrn Gott erhebet und dazu nach Gewohnheit mit
Glocken klinget, soll er mit großer Stimme geschrieen haben, mit lateinischen
Worten: Niserers, rmsvrors, nusererv, mei vous! — Nach seinein Ableben
ward die todte Leiche nach Königsberg geführet und wie man Bischöfe pfleget
in allen Ehren im Thurm zu Grabe bestättiget. Auf diese Weise ist der feine
Man umbkommen und hat ihn nichts in seine Grube gebracht, denn seine
große große Klugheit, ingleichen sein Stolz und Uebermuth sammt des Kaplaus
Falschheit und Verrätherei."

So die Chronikenschreiber. Dasselbe Gerücht über des Bischofs Ende
war gleich nach seinem im August 1474 erfolgten Tode im Lande verbreitet.
Der Wahrheit desselben stehen jedoch mancherlei gewichtige Thatsachen entgegen.
Der Hochmeister, der von diesem Gerüchte augenscheinlich gleichfalls sofort
unterrichtet war, ließ, um den Angaben möglichst bald zu begegnen, die Leiche
genau und öffentlich besichtigen und den Befund durch Notare und glaubwür¬
dige Zeugen feststellen. Er machte dem Deutschmeister Melchior Meckan hie-
von am vierundzwanzigsten August 1474 Mittheilung. „Er habe, schrieb er
ihm, den Bischof in seinem Gewahrsam, wie seinem Stande gezieme, mit
Speise und Getränken wohl versorgen lassen; aber die Gewalt Gottes, mit der
durch die herrschende Pestseuche das große Meuschensterben im Lande immer¬
mehr überHand nehme, sei auch über ihn gekommen und der natürliche Tod
habe ihn von dieser Welt genommen."

Es ist nun schwer zu glauben, daß sich der Hochmeister mit einer solchen
lügenhaften Darstellung des Sachverhältnisses, um die Ehre des Ordens von
dem Verbrechen rein zu waschen, bemüht haben sollte, da die Möglichkeit jeden¬
falls nicht ausgeschlossen war, daß der wahre Thatbestand auf einem oder dein
anderen Wege dennoch an's Tageslicht gekommen wäre und ihn ans das
Schimpflichste blosgestellt haben würde. Auch die angeordnete öffentliche
Leichenbesichtigung läßt es füglich nicht annehmbar erscheinen, daß der Hoch?
meister, falls er sich nicht vollständig rein gefühlt, zu solcher Maßregel gegriffen
haben sollte, da bei Erwägung der schweren Verantwortlichkeit und Peinlichkeit
der vereidigten Notare, denselben eine absichtliche oder fahrlässige Fälschung
des Sachverhältnisses uicht zugetraut werden kann. Endlich ist wohl zu be¬
denken, daß, wenn der Hochmeister sich seines Widersachers auf kürzestem Wege


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[0176] Händen und Füßen, kreuzweis behende um einer Mauer an eisernen Ringen gespaltnen, da er nach etlichen Tagen des Hungers, welches zwar der aller- jämmerlichste Tod sein mag, gestorben. Man sagt, daß ;, dies Gewölbe hart an die Unter-Sakristey der Kirche gestoßen. Nun ist vielleicht ein kleines > oder dünnes Ritzlein in der Mauren gewesen, dadurch er wohl hat hören können, wenn die Lg.criüeig. gewesen und die Pfaffen in der Kirchen gingen und klingen. Wenn man nun unsern Herrn Gott erhebet und dazu nach Gewohnheit mit Glocken klinget, soll er mit großer Stimme geschrieen haben, mit lateinischen Worten: Niserers, rmsvrors, nusererv, mei vous! — Nach seinein Ableben ward die todte Leiche nach Königsberg geführet und wie man Bischöfe pfleget in allen Ehren im Thurm zu Grabe bestättiget. Auf diese Weise ist der feine Man umbkommen und hat ihn nichts in seine Grube gebracht, denn seine große große Klugheit, ingleichen sein Stolz und Uebermuth sammt des Kaplaus Falschheit und Verrätherei." So die Chronikenschreiber. Dasselbe Gerücht über des Bischofs Ende war gleich nach seinem im August 1474 erfolgten Tode im Lande verbreitet. Der Wahrheit desselben stehen jedoch mancherlei gewichtige Thatsachen entgegen. Der Hochmeister, der von diesem Gerüchte augenscheinlich gleichfalls sofort unterrichtet war, ließ, um den Angaben möglichst bald zu begegnen, die Leiche genau und öffentlich besichtigen und den Befund durch Notare und glaubwür¬ dige Zeugen feststellen. Er machte dem Deutschmeister Melchior Meckan hie- von am vierundzwanzigsten August 1474 Mittheilung. „Er habe, schrieb er ihm, den Bischof in seinem Gewahrsam, wie seinem Stande gezieme, mit Speise und Getränken wohl versorgen lassen; aber die Gewalt Gottes, mit der durch die herrschende Pestseuche das große Meuschensterben im Lande immer¬ mehr überHand nehme, sei auch über ihn gekommen und der natürliche Tod habe ihn von dieser Welt genommen." Es ist nun schwer zu glauben, daß sich der Hochmeister mit einer solchen lügenhaften Darstellung des Sachverhältnisses, um die Ehre des Ordens von dem Verbrechen rein zu waschen, bemüht haben sollte, da die Möglichkeit jeden¬ falls nicht ausgeschlossen war, daß der wahre Thatbestand auf einem oder dein anderen Wege dennoch an's Tageslicht gekommen wäre und ihn ans das Schimpflichste blosgestellt haben würde. Auch die angeordnete öffentliche Leichenbesichtigung läßt es füglich nicht annehmbar erscheinen, daß der Hoch? meister, falls er sich nicht vollständig rein gefühlt, zu solcher Maßregel gegriffen haben sollte, da bei Erwägung der schweren Verantwortlichkeit und Peinlichkeit der vereidigten Notare, denselben eine absichtliche oder fahrlässige Fälschung des Sachverhältnisses uicht zugetraut werden kann. Endlich ist wohl zu be¬ denken, daß, wenn der Hochmeister sich seines Widersachers auf kürzestem Wege

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/176>, abgerufen am 17.06.2024.