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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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hätte entledigen wollen, dies jedenfalls in minder qualvoller und in einer
Weise hätte geschehen können, die auch den geringsten Verdacht eines gewalt¬
samen Todes ausgeschlossen hätte.

In das Reich der Fabel gehört jedenfalls auch das hiemit verknüpfte
Gerücht, daß sieben zu falschem Zeugniß vom Orden erkaufte samländische
Edelleute nach Rom gegaugen wären, um dnrch ihren Eid von dem in natür¬
licher Weise erfolgten Tode des Bischofs Zeugniß abzulegen und den Papst
hierüber zu besänftigen. Sie wären, erzählt die Chronik, als das Gegentheil
ihrer Aussagen durch die Beichte der beim Tode des Bischofs betheiligten
Ordensritter, offenkundig geworden, in Samland und Nadrauen allgemein ver¬
achtet worden. -- Daß sieben angesehene Männer über eine Thatsache einen
Eid abzulegen sich gemüßigt gefühlt haben follten, bei der sie nicht Augenzeugen
gewesen, ist ebenso unglaublich, als daß ein Beichtgeheimniß von so schwerer
Bedeutung seinen Weg in die Oeffentlichkeit gefunden.

Ebensowenig giebt es endlich eine authentische Nachricht über den zornigen
Ausspruch des Papstes: "veleatnr xessinm illü nigra. crux, nmleclicws Sinn
vräo, udi I^ieus reZit Olsrmn!" den er, "sobald ein Geschrei des jämmerlichen
Todes gen Rom kommen ist" gethan haben soll. Er gehört mit dem Uebrigen
in das Reich der Erdichtung, die sich bei solchen gewaltsamen Anlässen überall
Mig und fruchtbar erweist und auf dem Boden der damaligen Kultur ein
noch üppigeres Wachsthum als gegenwärtig zu entfalten wußte. Dazu liebt
es der Volksmund zu jeder Zeit vage Ansichten zu formuliren und hervor¬
ragenden Persönlichkeiten in den Mund zu legen.

Zum Beweise, daß in Rom der Tod des Bischofs, als im natürlichen
Verlauf der Dinge eingetreten, betrachtet und daselbst der ganze Handel als
Persönlicher Konflikt zwischen Bischof und Hochmeister aufgefaßt wurde, ist
unzweifelhaft der Umstand anzunehmen, daß mau daselbst zu weiteren Schritten
w dieser Sache keine Veranlassung fand. Vielleicht hat auch der Bericht des
^tes zu Pelplin zu der versöhnenden Ansicht beigetragen, daß der vor Gesetz
und Recht der Kirche nicht zu rechtfertigende letzte Schritt des Hochmeisters
durch den Stolz, den Uebermuth und die hinterlistigen Pläne des Bischofs
hervorgerufen sei und mit Nachsicht und Schonung beurtheilt werden müsse.

Wenigstens setzte man in Rom der Bestätigung des vom samländischen
Domkapitel ans des Meisters Empfehlung zum Nachfolger des Bischofs Dict.
rieb erwählten Kaplcms des Hochmeisters und derzeitigen Ordens-Prokurators,
Magisters Johannes Rehwinkel aus Stargard keine Schwierigkeiten entgegen.
Derselbe blieb zunächst in seiner Stellung als Ordens-Prokurator, in Rom
^eil das Bisthum Samland durch Dietrich von Cuba so mit Schulden be-


hätte entledigen wollen, dies jedenfalls in minder qualvoller und in einer
Weise hätte geschehen können, die auch den geringsten Verdacht eines gewalt¬
samen Todes ausgeschlossen hätte.

In das Reich der Fabel gehört jedenfalls auch das hiemit verknüpfte
Gerücht, daß sieben zu falschem Zeugniß vom Orden erkaufte samländische
Edelleute nach Rom gegaugen wären, um dnrch ihren Eid von dem in natür¬
licher Weise erfolgten Tode des Bischofs Zeugniß abzulegen und den Papst
hierüber zu besänftigen. Sie wären, erzählt die Chronik, als das Gegentheil
ihrer Aussagen durch die Beichte der beim Tode des Bischofs betheiligten
Ordensritter, offenkundig geworden, in Samland und Nadrauen allgemein ver¬
achtet worden. — Daß sieben angesehene Männer über eine Thatsache einen
Eid abzulegen sich gemüßigt gefühlt haben follten, bei der sie nicht Augenzeugen
gewesen, ist ebenso unglaublich, als daß ein Beichtgeheimniß von so schwerer
Bedeutung seinen Weg in die Oeffentlichkeit gefunden.

Ebensowenig giebt es endlich eine authentische Nachricht über den zornigen
Ausspruch des Papstes: „veleatnr xessinm illü nigra. crux, nmleclicws Sinn
vräo, udi I^ieus reZit Olsrmn!" den er, „sobald ein Geschrei des jämmerlichen
Todes gen Rom kommen ist" gethan haben soll. Er gehört mit dem Uebrigen
in das Reich der Erdichtung, die sich bei solchen gewaltsamen Anlässen überall
Mig und fruchtbar erweist und auf dem Boden der damaligen Kultur ein
noch üppigeres Wachsthum als gegenwärtig zu entfalten wußte. Dazu liebt
es der Volksmund zu jeder Zeit vage Ansichten zu formuliren und hervor¬
ragenden Persönlichkeiten in den Mund zu legen.

Zum Beweise, daß in Rom der Tod des Bischofs, als im natürlichen
Verlauf der Dinge eingetreten, betrachtet und daselbst der ganze Handel als
Persönlicher Konflikt zwischen Bischof und Hochmeister aufgefaßt wurde, ist
unzweifelhaft der Umstand anzunehmen, daß mau daselbst zu weiteren Schritten
w dieser Sache keine Veranlassung fand. Vielleicht hat auch der Bericht des
^tes zu Pelplin zu der versöhnenden Ansicht beigetragen, daß der vor Gesetz
und Recht der Kirche nicht zu rechtfertigende letzte Schritt des Hochmeisters
durch den Stolz, den Uebermuth und die hinterlistigen Pläne des Bischofs
hervorgerufen sei und mit Nachsicht und Schonung beurtheilt werden müsse.

Wenigstens setzte man in Rom der Bestätigung des vom samländischen
Domkapitel ans des Meisters Empfehlung zum Nachfolger des Bischofs Dict.
rieb erwählten Kaplcms des Hochmeisters und derzeitigen Ordens-Prokurators,
Magisters Johannes Rehwinkel aus Stargard keine Schwierigkeiten entgegen.
Derselbe blieb zunächst in seiner Stellung als Ordens-Prokurator, in Rom
^eil das Bisthum Samland durch Dietrich von Cuba so mit Schulden be-


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[0177] hätte entledigen wollen, dies jedenfalls in minder qualvoller und in einer Weise hätte geschehen können, die auch den geringsten Verdacht eines gewalt¬ samen Todes ausgeschlossen hätte. In das Reich der Fabel gehört jedenfalls auch das hiemit verknüpfte Gerücht, daß sieben zu falschem Zeugniß vom Orden erkaufte samländische Edelleute nach Rom gegaugen wären, um dnrch ihren Eid von dem in natür¬ licher Weise erfolgten Tode des Bischofs Zeugniß abzulegen und den Papst hierüber zu besänftigen. Sie wären, erzählt die Chronik, als das Gegentheil ihrer Aussagen durch die Beichte der beim Tode des Bischofs betheiligten Ordensritter, offenkundig geworden, in Samland und Nadrauen allgemein ver¬ achtet worden. — Daß sieben angesehene Männer über eine Thatsache einen Eid abzulegen sich gemüßigt gefühlt haben follten, bei der sie nicht Augenzeugen gewesen, ist ebenso unglaublich, als daß ein Beichtgeheimniß von so schwerer Bedeutung seinen Weg in die Oeffentlichkeit gefunden. Ebensowenig giebt es endlich eine authentische Nachricht über den zornigen Ausspruch des Papstes: „veleatnr xessinm illü nigra. crux, nmleclicws Sinn vräo, udi I^ieus reZit Olsrmn!" den er, „sobald ein Geschrei des jämmerlichen Todes gen Rom kommen ist" gethan haben soll. Er gehört mit dem Uebrigen in das Reich der Erdichtung, die sich bei solchen gewaltsamen Anlässen überall Mig und fruchtbar erweist und auf dem Boden der damaligen Kultur ein noch üppigeres Wachsthum als gegenwärtig zu entfalten wußte. Dazu liebt es der Volksmund zu jeder Zeit vage Ansichten zu formuliren und hervor¬ ragenden Persönlichkeiten in den Mund zu legen. Zum Beweise, daß in Rom der Tod des Bischofs, als im natürlichen Verlauf der Dinge eingetreten, betrachtet und daselbst der ganze Handel als Persönlicher Konflikt zwischen Bischof und Hochmeister aufgefaßt wurde, ist unzweifelhaft der Umstand anzunehmen, daß mau daselbst zu weiteren Schritten w dieser Sache keine Veranlassung fand. Vielleicht hat auch der Bericht des ^tes zu Pelplin zu der versöhnenden Ansicht beigetragen, daß der vor Gesetz und Recht der Kirche nicht zu rechtfertigende letzte Schritt des Hochmeisters durch den Stolz, den Uebermuth und die hinterlistigen Pläne des Bischofs hervorgerufen sei und mit Nachsicht und Schonung beurtheilt werden müsse. Wenigstens setzte man in Rom der Bestätigung des vom samländischen Domkapitel ans des Meisters Empfehlung zum Nachfolger des Bischofs Dict. rieb erwählten Kaplcms des Hochmeisters und derzeitigen Ordens-Prokurators, Magisters Johannes Rehwinkel aus Stargard keine Schwierigkeiten entgegen. Derselbe blieb zunächst in seiner Stellung als Ordens-Prokurator, in Rom ^eil das Bisthum Samland durch Dietrich von Cuba so mit Schulden be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/177>, abgerufen am 26.05.2024.