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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Winde über die Ebene getrieben wird, zeigt hier Fahrenheit im Schatten
120 Grad, und der Wind, der bei uns hier weht, kühlt nicht, sondern brennt
und benimmt mit heißer Glut den Athen?. Betrachten wir das Stück Wüste,
in welcher ich mich ansiedeln mußte. Es ist eine Hochebene. Gegen Süden
lockt ein See mit seinen kühlen Fluthen, welche in der Nähe der Ufer glatt
wie ein Spiegel, ruhig wie der Tod sind; man bemerkt auch nicht die kleinste
Welle ans seiner Oberfläche und mir in der Mitte bewirkt der über die weite
Fläche dahinziehende Lufthauch eine leichte Bewegung, welche sich in kleinen
silberglänzenden Wellen kund giebt. Ueber der Oberfläche des Sees ist die
Luft eigenthümlich verdichtet, vibrirt so seltsam, daß Flämmchen ans ihr zu
sprühen scheinen und das Ange ermattet und wird schmerzlich affizirt, wenn
es diesem ungewohnten Spiele der Luft und des Wassers zuschaut. Ein dunkler
Wald vou Gummibäumen schließt den Horizont in dieser Richtung. Gegen
Norden, am AbHange des Höhenzuges, ist jener Wasserspiegel so hell, daß er
die Augen blendet, und so groß, daß man seine Grenzen nicht sieht. Es ist
dies -- der Salzsee. Eine Schicht Salz von ein, zwei und drei Zoll Dicke
bildet den ungeheuren Spiegel, welcher sich in der Ferne von glänzend weißer
Farbe in der Nähe in schmutzigem Weiß darstellt. Im Westen ist die Wüste öde,
von der Sonue verdorrt; zwischen ihr und dem Himmel existirt nichts, bis
ans die Myriaden von Feldgrillen, Ameisen und Schlangen. Die Ausdehnung
der Wüste reicht viel weiter als das Auge zu sehen vermag. Im Osten ver¬
wandelt sich diese Wüste in eine fruchtbare Steppe, welcher Baumgruppen und
Schafherden ein eigenthümliches Gepräge geben. Dieses Stückchen Erde bildet
ein sonderbares Quodlibet, eine wahre Likör. rsrum, und die Tausende von
Schafen, welche in dieser Steppe fröhlich weiden und die nach der Schur, ehe
sie ihren Wollwnchs ergänzen, weiß wie Schnee sind, verleihen diesem Schollen
Landschaftsbilde ein idyllisches Aussehn.

Auf dem die Gegend beherrschenden Höhenzuge stehen unsere beiden
Hänschen, d. h. unsere Wohnung und unsere Küche, welche mit ihren zinnernen
Dächern kühn himmelan streben und dem Wanderer schon von weiter Ferne
zurufen, daß hier Menschen wohnen. Der Gesammtanblick dieses Bildes ist
großartig. Dem Australier braucht man es nicht zu beschreiben; ihm ist es
klar in dein einzigen Worte "Station" ausgedrückt. Ju einer solchen Station
habe ich meine Penaten untergebracht. Man hört hier vou der übrigen Welt
nichts, und die letzten Nachrichten, welche (am 8. Februar 1877) hierher ge¬
langt sind, bezogen sich ans die "Uulgimriau ^iDeilios." Von da ab ist der
politische Faden abgerissen, -- aber dies macht uns wenig Kummer, denn
wenn sich der Squatter erst mit der Wüste vertraut gemacht hat, ersetzt ihm
die Station die ganze Welt. Die "Station" hat ans diesem Kontinente eine


Winde über die Ebene getrieben wird, zeigt hier Fahrenheit im Schatten
120 Grad, und der Wind, der bei uns hier weht, kühlt nicht, sondern brennt
und benimmt mit heißer Glut den Athen?. Betrachten wir das Stück Wüste,
in welcher ich mich ansiedeln mußte. Es ist eine Hochebene. Gegen Süden
lockt ein See mit seinen kühlen Fluthen, welche in der Nähe der Ufer glatt
wie ein Spiegel, ruhig wie der Tod sind; man bemerkt auch nicht die kleinste
Welle ans seiner Oberfläche und mir in der Mitte bewirkt der über die weite
Fläche dahinziehende Lufthauch eine leichte Bewegung, welche sich in kleinen
silberglänzenden Wellen kund giebt. Ueber der Oberfläche des Sees ist die
Luft eigenthümlich verdichtet, vibrirt so seltsam, daß Flämmchen ans ihr zu
sprühen scheinen und das Ange ermattet und wird schmerzlich affizirt, wenn
es diesem ungewohnten Spiele der Luft und des Wassers zuschaut. Ein dunkler
Wald vou Gummibäumen schließt den Horizont in dieser Richtung. Gegen
Norden, am AbHange des Höhenzuges, ist jener Wasserspiegel so hell, daß er
die Augen blendet, und so groß, daß man seine Grenzen nicht sieht. Es ist
dies — der Salzsee. Eine Schicht Salz von ein, zwei und drei Zoll Dicke
bildet den ungeheuren Spiegel, welcher sich in der Ferne von glänzend weißer
Farbe in der Nähe in schmutzigem Weiß darstellt. Im Westen ist die Wüste öde,
von der Sonue verdorrt; zwischen ihr und dem Himmel existirt nichts, bis
ans die Myriaden von Feldgrillen, Ameisen und Schlangen. Die Ausdehnung
der Wüste reicht viel weiter als das Auge zu sehen vermag. Im Osten ver¬
wandelt sich diese Wüste in eine fruchtbare Steppe, welcher Baumgruppen und
Schafherden ein eigenthümliches Gepräge geben. Dieses Stückchen Erde bildet
ein sonderbares Quodlibet, eine wahre Likör. rsrum, und die Tausende von
Schafen, welche in dieser Steppe fröhlich weiden und die nach der Schur, ehe
sie ihren Wollwnchs ergänzen, weiß wie Schnee sind, verleihen diesem Schollen
Landschaftsbilde ein idyllisches Aussehn.

Auf dem die Gegend beherrschenden Höhenzuge stehen unsere beiden
Hänschen, d. h. unsere Wohnung und unsere Küche, welche mit ihren zinnernen
Dächern kühn himmelan streben und dem Wanderer schon von weiter Ferne
zurufen, daß hier Menschen wohnen. Der Gesammtanblick dieses Bildes ist
großartig. Dem Australier braucht man es nicht zu beschreiben; ihm ist es
klar in dein einzigen Worte „Station" ausgedrückt. Ju einer solchen Station
habe ich meine Penaten untergebracht. Man hört hier vou der übrigen Welt
nichts, und die letzten Nachrichten, welche (am 8. Februar 1877) hierher ge¬
langt sind, bezogen sich ans die „Uulgimriau ^iDeilios." Von da ab ist der
politische Faden abgerissen, — aber dies macht uns wenig Kummer, denn
wenn sich der Squatter erst mit der Wüste vertraut gemacht hat, ersetzt ihm
die Station die ganze Welt. Die „Station" hat ans diesem Kontinente eine


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[0274] Winde über die Ebene getrieben wird, zeigt hier Fahrenheit im Schatten 120 Grad, und der Wind, der bei uns hier weht, kühlt nicht, sondern brennt und benimmt mit heißer Glut den Athen?. Betrachten wir das Stück Wüste, in welcher ich mich ansiedeln mußte. Es ist eine Hochebene. Gegen Süden lockt ein See mit seinen kühlen Fluthen, welche in der Nähe der Ufer glatt wie ein Spiegel, ruhig wie der Tod sind; man bemerkt auch nicht die kleinste Welle ans seiner Oberfläche und mir in der Mitte bewirkt der über die weite Fläche dahinziehende Lufthauch eine leichte Bewegung, welche sich in kleinen silberglänzenden Wellen kund giebt. Ueber der Oberfläche des Sees ist die Luft eigenthümlich verdichtet, vibrirt so seltsam, daß Flämmchen ans ihr zu sprühen scheinen und das Ange ermattet und wird schmerzlich affizirt, wenn es diesem ungewohnten Spiele der Luft und des Wassers zuschaut. Ein dunkler Wald vou Gummibäumen schließt den Horizont in dieser Richtung. Gegen Norden, am AbHange des Höhenzuges, ist jener Wasserspiegel so hell, daß er die Augen blendet, und so groß, daß man seine Grenzen nicht sieht. Es ist dies — der Salzsee. Eine Schicht Salz von ein, zwei und drei Zoll Dicke bildet den ungeheuren Spiegel, welcher sich in der Ferne von glänzend weißer Farbe in der Nähe in schmutzigem Weiß darstellt. Im Westen ist die Wüste öde, von der Sonue verdorrt; zwischen ihr und dem Himmel existirt nichts, bis ans die Myriaden von Feldgrillen, Ameisen und Schlangen. Die Ausdehnung der Wüste reicht viel weiter als das Auge zu sehen vermag. Im Osten ver¬ wandelt sich diese Wüste in eine fruchtbare Steppe, welcher Baumgruppen und Schafherden ein eigenthümliches Gepräge geben. Dieses Stückchen Erde bildet ein sonderbares Quodlibet, eine wahre Likör. rsrum, und die Tausende von Schafen, welche in dieser Steppe fröhlich weiden und die nach der Schur, ehe sie ihren Wollwnchs ergänzen, weiß wie Schnee sind, verleihen diesem Schollen Landschaftsbilde ein idyllisches Aussehn. Auf dem die Gegend beherrschenden Höhenzuge stehen unsere beiden Hänschen, d. h. unsere Wohnung und unsere Küche, welche mit ihren zinnernen Dächern kühn himmelan streben und dem Wanderer schon von weiter Ferne zurufen, daß hier Menschen wohnen. Der Gesammtanblick dieses Bildes ist großartig. Dem Australier braucht man es nicht zu beschreiben; ihm ist es klar in dein einzigen Worte „Station" ausgedrückt. Ju einer solchen Station habe ich meine Penaten untergebracht. Man hört hier vou der übrigen Welt nichts, und die letzten Nachrichten, welche (am 8. Februar 1877) hierher ge¬ langt sind, bezogen sich ans die „Uulgimriau ^iDeilios." Von da ab ist der politische Faden abgerissen, — aber dies macht uns wenig Kummer, denn wenn sich der Squatter erst mit der Wüste vertraut gemacht hat, ersetzt ihm die Station die ganze Welt. Die „Station" hat ans diesem Kontinente eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/274>, abgerufen am 25.05.2024.