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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Die am Beginn der Woche eröffnete Speeialbercithnng des Budgets kon-
zentrirte sich hauptsächlich auf den Etat des Ministeriums des Innern. Abge¬
sehen von den Nachklängen der über den gegenwärtigen Zustand dieses Mini¬
steriums bereits geführten Debatten glichen die Verhandlungen aufs Haar
denjenigen der Vorjahre; meistens waren es unfruchtbare Nergeleien von fort¬
schrittlicher und entrnstungsvolle Beschwerden von ultrainontaner Seite. Eine
ihres sachlichen Inhaltes und ihrer eminenten Zeitgemäßheit wegen recht er¬
quickliche Episode war eine von Miquel angeregte Diskussion über die Frage,
wie dem erschreckenden Überhandnehmen der Bramitweinschänken entgegenzu¬
wirken sei. Die Meinungen gingen wohl überwiegend dahin, daß wirksam nur
durch eine die Kvneessionspflichtigkeit auch für Gastwirthschaften wieder ein-
führende Novelle zur Reichsgewerbeordnung geholfen werden könne.

Die beiden bedeutendsten der bis jetzt vorgelegten Gesetzentwürfe, die All¬
leihe zu Bauzwecken und die Wegeordnung, sind einstweilen Gegenstand der
Kvmmissionsberathung. Die einzelnen Positionen des Anleiheentwnrfs werden
in das Extraordinarium des Etats herübergenommen und dort -- selbstver¬
ständlich nur mit der für das Verwaltungsjahr 1878/79 berechneten Rate --
zur Entscheidung gestellt. Damit ist dem bekannten konstitutionellen Bedenken
begegnet, keineswegs aber bedeutet dies ein thatsächliches Scheitern der gauzeu
Anleihe. In der Wegeordnungskommission ist man aufrichtig bemüht, das für
die östlichen Provinzen so dringend nöthige Gesetz zu Stande zu bringen, ohne
der künftigen Landgemeindevrdnnng zu präjudiuiren. Die Hoffnung ans ein
(>. glückliches Gelingen erscheint nicht unberechtigt.




Literatur.
Die deutsche Sozialdemnkratie. Ihre Geschichte und Lehre. Eine hiswrisch-
lritische DiirsteNuna von Franz Mehring Bremen. Verlag von A. Schüucmnnn, 1K77.

Bereits früher (Grenzboten, II. Quartal 1877) ist dieser Schrift bei ihrem
ersten Erscheinen gedacht, sind längere Auszüge daraus dem Leser mitgetheilt
wordeu. Sie war in geringerem Umfange, als sie jetzt vorliegt, zu Anfang
d- h. wenige Tage vor den Reichstagswahlen, unter dem Titel "zur Geschichte
der deutschen Sozialdemokratie" herausgekommen. Die Resultate, welche die
deutsche Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen zu verzeichnen hatte, ließen
eine Schrift ganz besonders willkommen erscheinen, welche in denkbar objektivster
Weise das Treiben und Wachsthum der deutscheu Sozialisten und Kommunisten


Die am Beginn der Woche eröffnete Speeialbercithnng des Budgets kon-
zentrirte sich hauptsächlich auf den Etat des Ministeriums des Innern. Abge¬
sehen von den Nachklängen der über den gegenwärtigen Zustand dieses Mini¬
steriums bereits geführten Debatten glichen die Verhandlungen aufs Haar
denjenigen der Vorjahre; meistens waren es unfruchtbare Nergeleien von fort¬
schrittlicher und entrnstungsvolle Beschwerden von ultrainontaner Seite. Eine
ihres sachlichen Inhaltes und ihrer eminenten Zeitgemäßheit wegen recht er¬
quickliche Episode war eine von Miquel angeregte Diskussion über die Frage,
wie dem erschreckenden Überhandnehmen der Bramitweinschänken entgegenzu¬
wirken sei. Die Meinungen gingen wohl überwiegend dahin, daß wirksam nur
durch eine die Kvneessionspflichtigkeit auch für Gastwirthschaften wieder ein-
führende Novelle zur Reichsgewerbeordnung geholfen werden könne.

Die beiden bedeutendsten der bis jetzt vorgelegten Gesetzentwürfe, die All¬
leihe zu Bauzwecken und die Wegeordnung, sind einstweilen Gegenstand der
Kvmmissionsberathung. Die einzelnen Positionen des Anleiheentwnrfs werden
in das Extraordinarium des Etats herübergenommen und dort — selbstver¬
ständlich nur mit der für das Verwaltungsjahr 1878/79 berechneten Rate —
zur Entscheidung gestellt. Damit ist dem bekannten konstitutionellen Bedenken
begegnet, keineswegs aber bedeutet dies ein thatsächliches Scheitern der gauzeu
Anleihe. In der Wegeordnungskommission ist man aufrichtig bemüht, das für
die östlichen Provinzen so dringend nöthige Gesetz zu Stande zu bringen, ohne
der künftigen Landgemeindevrdnnng zu präjudiuiren. Die Hoffnung ans ein
(>. glückliches Gelingen erscheint nicht unberechtigt.




Literatur.
Die deutsche Sozialdemnkratie. Ihre Geschichte und Lehre. Eine hiswrisch-
lritische DiirsteNuna von Franz Mehring Bremen. Verlag von A. Schüucmnnn, 1K77.

Bereits früher (Grenzboten, II. Quartal 1877) ist dieser Schrift bei ihrem
ersten Erscheinen gedacht, sind längere Auszüge daraus dem Leser mitgetheilt
wordeu. Sie war in geringerem Umfange, als sie jetzt vorliegt, zu Anfang
d- h. wenige Tage vor den Reichstagswahlen, unter dem Titel „zur Geschichte
der deutschen Sozialdemokratie" herausgekommen. Die Resultate, welche die
deutsche Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen zu verzeichnen hatte, ließen
eine Schrift ganz besonders willkommen erscheinen, welche in denkbar objektivster
Weise das Treiben und Wachsthum der deutscheu Sozialisten und Kommunisten


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[0321] Die am Beginn der Woche eröffnete Speeialbercithnng des Budgets kon- zentrirte sich hauptsächlich auf den Etat des Ministeriums des Innern. Abge¬ sehen von den Nachklängen der über den gegenwärtigen Zustand dieses Mini¬ steriums bereits geführten Debatten glichen die Verhandlungen aufs Haar denjenigen der Vorjahre; meistens waren es unfruchtbare Nergeleien von fort¬ schrittlicher und entrnstungsvolle Beschwerden von ultrainontaner Seite. Eine ihres sachlichen Inhaltes und ihrer eminenten Zeitgemäßheit wegen recht er¬ quickliche Episode war eine von Miquel angeregte Diskussion über die Frage, wie dem erschreckenden Überhandnehmen der Bramitweinschänken entgegenzu¬ wirken sei. Die Meinungen gingen wohl überwiegend dahin, daß wirksam nur durch eine die Kvneessionspflichtigkeit auch für Gastwirthschaften wieder ein- führende Novelle zur Reichsgewerbeordnung geholfen werden könne. Die beiden bedeutendsten der bis jetzt vorgelegten Gesetzentwürfe, die All¬ leihe zu Bauzwecken und die Wegeordnung, sind einstweilen Gegenstand der Kvmmissionsberathung. Die einzelnen Positionen des Anleiheentwnrfs werden in das Extraordinarium des Etats herübergenommen und dort — selbstver¬ ständlich nur mit der für das Verwaltungsjahr 1878/79 berechneten Rate — zur Entscheidung gestellt. Damit ist dem bekannten konstitutionellen Bedenken begegnet, keineswegs aber bedeutet dies ein thatsächliches Scheitern der gauzeu Anleihe. In der Wegeordnungskommission ist man aufrichtig bemüht, das für die östlichen Provinzen so dringend nöthige Gesetz zu Stande zu bringen, ohne der künftigen Landgemeindevrdnnng zu präjudiuiren. Die Hoffnung ans ein (>. glückliches Gelingen erscheint nicht unberechtigt. Literatur. Die deutsche Sozialdemnkratie. Ihre Geschichte und Lehre. Eine hiswrisch- lritische DiirsteNuna von Franz Mehring Bremen. Verlag von A. Schüucmnnn, 1K77. Bereits früher (Grenzboten, II. Quartal 1877) ist dieser Schrift bei ihrem ersten Erscheinen gedacht, sind längere Auszüge daraus dem Leser mitgetheilt wordeu. Sie war in geringerem Umfange, als sie jetzt vorliegt, zu Anfang d- h. wenige Tage vor den Reichstagswahlen, unter dem Titel „zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" herausgekommen. Die Resultate, welche die deutsche Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen zu verzeichnen hatte, ließen eine Schrift ganz besonders willkommen erscheinen, welche in denkbar objektivster Weise das Treiben und Wachsthum der deutscheu Sozialisten und Kommunisten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/321>, abgerufen am 16.06.2024.