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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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sie dieselben durch Beute oder durch Vertheilnng der Brandschatzuugs-Gelder ent¬
schädigen. Angenehm konnte übrigens dein Kurfürsten Friedrich diese Ver¬
handlung wohl nicht sein, da er genöthigt war, die Plünderung durch Geld
abzukaufen. Uebrigens wird von den gleichzeitigen Chronisten erzählt, Prokop
der Große, der Hcmptanftthrer der Hussiten, habe sich bei dieser Verhandlung
als ein Mann von höchster Leutseligkeit und Einfachheit gezeigt.

Weit wichtiger, als diese gelegentliche Verhandlung, war nun aber die
anderweite Thätigkeit Friedrichs I. in Bezug auf die hussitischen Unruhen. Er
hatte die ersten Feldzüge gegen die Hussiten mitgemacht und dabei ebenso wenig
ausgerichtet, als die übrigen deutschen Fürsten. Als im Jahre 1427 beim
Reichstage wieder über einen Kreuzzug gegen die Hussiten berathen ward, hatte
er sich dagegen erklärt und die Meinung verfochten, wenn man die Hussiten
besiegen wolle, könne es nicht durch das Aufgebot eines Heeres geschehen, das
aus freiwilligen Kriegern bestehe und in dem keiner dem andern gehorche,
vielmehr müsse ein Oberfeldheer ernannt und beauftragt werden, Svldtruppen
zu werben. Ein einziger Feldherr mit 20,000 Söldnern, die ihm unbedingt
gehorchen, werde mehr ausrichten, als 100,000 Mann ungeordneter Kreuz¬
fahrer; übrigens aber müsse man mit den Hussiten unterhandeln; ein großer
Theil vou ihnen werde durch Bewilligungen zu gewinnen sein. Es gelang dein
Kurfürsten Friedrich damals, den Kreuzzug zu hintertreiben. Damit nun aber
den Hussiten gerade in Beziehung auf ihre Glaubensmeinungen Bewilligungen
gemacht werden könnten, erschien dem Kurfürsten die Berufung eines neuen
allgemeinen Konzils als durchaus nothwendig. Er wandte sich daher im Verein
mit andern deutschen Fürsten wiederholt an den Papst, um diesen zur Be¬
rufung eines Kouzils zu veranlassen; lange Zeit aber waren diese Bemühungen
fruchtlos.

Am 8. November 1430 fand man in Rom an den Pforten der Peters¬
kirche und anderer Kirchen plötzlich ein Plakat angeschlagen, in welchem gesagt
war, um die Ketzerei zu unterdrücken, sei es nothwendig, ein Konzil zu be¬
rufen; falls der Papst dies nicht thue, müsse man ihn selbst für einen Be¬
günstiger der Ketzer halten, das Konzil müsse dann auch ohne Berufung dnrch
den Papst zusammen treten und seine Thätigkeit damit beginnen, daß es den
Papst absetze. Als Urheber dieses Plakats ward mit höchster Wahrscheinlich¬
keit ein Verein deutscher Fürsten ermittelt, an dessen Spitze der Kurfürst
Friedrich I. stand. Das Plakat enthielt wohl die stärkste Drohung, die über¬
haupt gegen den Papst gerichtet werden konnte. Und diese Drohung ging vor¬
zugsweise von demselben Manne aus, der, wie dem Papste Martin V. wohl
noch erinnerlich sein mußte, fünfzehn Jahre früher den Papst Johann XXIII.
gefangen genommen und der beim feierlichen Umritte Martin des Fünften zu


sie dieselben durch Beute oder durch Vertheilnng der Brandschatzuugs-Gelder ent¬
schädigen. Angenehm konnte übrigens dein Kurfürsten Friedrich diese Ver¬
handlung wohl nicht sein, da er genöthigt war, die Plünderung durch Geld
abzukaufen. Uebrigens wird von den gleichzeitigen Chronisten erzählt, Prokop
der Große, der Hcmptanftthrer der Hussiten, habe sich bei dieser Verhandlung
als ein Mann von höchster Leutseligkeit und Einfachheit gezeigt.

Weit wichtiger, als diese gelegentliche Verhandlung, war nun aber die
anderweite Thätigkeit Friedrichs I. in Bezug auf die hussitischen Unruhen. Er
hatte die ersten Feldzüge gegen die Hussiten mitgemacht und dabei ebenso wenig
ausgerichtet, als die übrigen deutschen Fürsten. Als im Jahre 1427 beim
Reichstage wieder über einen Kreuzzug gegen die Hussiten berathen ward, hatte
er sich dagegen erklärt und die Meinung verfochten, wenn man die Hussiten
besiegen wolle, könne es nicht durch das Aufgebot eines Heeres geschehen, das
aus freiwilligen Kriegern bestehe und in dem keiner dem andern gehorche,
vielmehr müsse ein Oberfeldheer ernannt und beauftragt werden, Svldtruppen
zu werben. Ein einziger Feldherr mit 20,000 Söldnern, die ihm unbedingt
gehorchen, werde mehr ausrichten, als 100,000 Mann ungeordneter Kreuz¬
fahrer; übrigens aber müsse man mit den Hussiten unterhandeln; ein großer
Theil vou ihnen werde durch Bewilligungen zu gewinnen sein. Es gelang dein
Kurfürsten Friedrich damals, den Kreuzzug zu hintertreiben. Damit nun aber
den Hussiten gerade in Beziehung auf ihre Glaubensmeinungen Bewilligungen
gemacht werden könnten, erschien dem Kurfürsten die Berufung eines neuen
allgemeinen Konzils als durchaus nothwendig. Er wandte sich daher im Verein
mit andern deutschen Fürsten wiederholt an den Papst, um diesen zur Be¬
rufung eines Kouzils zu veranlassen; lange Zeit aber waren diese Bemühungen
fruchtlos.

Am 8. November 1430 fand man in Rom an den Pforten der Peters¬
kirche und anderer Kirchen plötzlich ein Plakat angeschlagen, in welchem gesagt
war, um die Ketzerei zu unterdrücken, sei es nothwendig, ein Konzil zu be¬
rufen; falls der Papst dies nicht thue, müsse man ihn selbst für einen Be¬
günstiger der Ketzer halten, das Konzil müsse dann auch ohne Berufung dnrch
den Papst zusammen treten und seine Thätigkeit damit beginnen, daß es den
Papst absetze. Als Urheber dieses Plakats ward mit höchster Wahrscheinlich¬
keit ein Verein deutscher Fürsten ermittelt, an dessen Spitze der Kurfürst
Friedrich I. stand. Das Plakat enthielt wohl die stärkste Drohung, die über¬
haupt gegen den Papst gerichtet werden konnte. Und diese Drohung ging vor¬
zugsweise von demselben Manne aus, der, wie dem Papste Martin V. wohl
noch erinnerlich sein mußte, fünfzehn Jahre früher den Papst Johann XXIII.
gefangen genommen und der beim feierlichen Umritte Martin des Fünften zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/337>, abgerufen am 10.06.2024.