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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Konstanz dessen Pferd am Zügel geführt hatte. Das Beispiel der in Konstanz
abgesetzten drei Päpste mochte Martin V. wohl die Ueberzeugung geben, daß
die Drohung keine ganz leere war. Auf der andern Seite hat sich Friedrich I.
schwerlich verhehlt, daß er durch die Drohung seines Plakats den'Papst zu einem
Kampfe aufforderte, der für den Kurfürsten und sein ganzes Haus leicht ebenso
verderblich werden konnte, als zweihundert Jahr früher für den Kaiser Friedrich II.
und das Hohenstaufensche Haus der Kampf gegen den Papst geworden war.

Der Papst wandte sich nun zunächst beschwerend an den Kaiser Sigis-
mund. Da dieser aber sich auf die Seite des Kurfürsten stellte und dem
Papste vorstellte, daß ganz Deutschland in der Forderung eines allgemeinen
Konzils einig sei, gab Martin V. der Drohung nach. Er erließ eine Bulle,
durch welche er ein allgemeines Konzil auf den Herbst des Jahres 1431 nach
Basel berief, während er gleichzeitig den Kaiser und die deutschen Fürsten aufs
dringendste aufforderte, schon im Frühjahre des Jahres 1431 einen neuen
Kreuzzug nach Böhmen zu unternehmen. Ans dem Reichstage, der ans An¬
laß dieser Bulle zu Nürnberg zusammentrat, widersetzte sich der Kurfürst
Friedrich diesem Kreuzzeuge, aber vergeblich; er selbst ward vielmehr vom
Kaiser und den Reichsständen zum Anführer des Kreuzzugs erwählt. Nur
das setzte er durch, daß der Kaiser vor Beginn des neuen Kampfes noch einmal
eine friedliche Unterhandlung versuchte. Der Kaiser selbst begab sich mit dem
Kurfürsten Friedrich und dem Bischof von Würzburg uach Eger, wohin Prokop
der Große, als Abgesandter der Hussiten kam. Das Ergebniß der Verhandlung
war, daß Prokop nach Prag ging und einer Versammlung der angesehensten
Geistlichen und der andern Führer der Hussiten Folgendes berichtete: "Ihr
müßt euch", so wird seine Rede überliefert, "sofort entscheiden, ob ihr euch
unbedingt dem Konzil unterwerfen wollt, das in Basel zusammentreten wird
oder nicht. Wollt ihr euch nicht unterwerfen, so müssen wir uns zum Kriege
rüsten, denn aus allen Theilen Deutschlands ziehen Kreuzfahrer heran, in größerer
Zahl, wie jemals früher, um uns anzugreifen."

Die Hussiten beschlossen, sich nicht zu unterwerfen. Das Kreuzheer, dessen
Zahl auf 150,000 Mann angegeben wird, brach in Böhmen ein, unter Führung
des Kurfürsten Friedrich und des Kardinals Julian de Cesarini, allein es
gingen die schlimmsten Befürchtungen des Kurfürsten in Erfüllung; unter seinem
Heere war keine Mannszucht; er konnte nicht hindern, daß ganze Land¬
striche von Böhmen ausgeplündert und in manchen Gegenden alle Dörfer
verbrannt wurden. Gerade diese Verheerungen hatten zur Folge, daß Prokop
ein größeres Heer, als jemals früher, angeblich 50,000 Mann zusammenbrachte-
Als er mit diesen: Heere die ungeordneten Massen der Kreuzfahrer angriff,
ergriffen diese ohne viel Gegenwehr die Flucht.


Konstanz dessen Pferd am Zügel geführt hatte. Das Beispiel der in Konstanz
abgesetzten drei Päpste mochte Martin V. wohl die Ueberzeugung geben, daß
die Drohung keine ganz leere war. Auf der andern Seite hat sich Friedrich I.
schwerlich verhehlt, daß er durch die Drohung seines Plakats den'Papst zu einem
Kampfe aufforderte, der für den Kurfürsten und sein ganzes Haus leicht ebenso
verderblich werden konnte, als zweihundert Jahr früher für den Kaiser Friedrich II.
und das Hohenstaufensche Haus der Kampf gegen den Papst geworden war.

Der Papst wandte sich nun zunächst beschwerend an den Kaiser Sigis-
mund. Da dieser aber sich auf die Seite des Kurfürsten stellte und dem
Papste vorstellte, daß ganz Deutschland in der Forderung eines allgemeinen
Konzils einig sei, gab Martin V. der Drohung nach. Er erließ eine Bulle,
durch welche er ein allgemeines Konzil auf den Herbst des Jahres 1431 nach
Basel berief, während er gleichzeitig den Kaiser und die deutschen Fürsten aufs
dringendste aufforderte, schon im Frühjahre des Jahres 1431 einen neuen
Kreuzzug nach Böhmen zu unternehmen. Ans dem Reichstage, der ans An¬
laß dieser Bulle zu Nürnberg zusammentrat, widersetzte sich der Kurfürst
Friedrich diesem Kreuzzeuge, aber vergeblich; er selbst ward vielmehr vom
Kaiser und den Reichsständen zum Anführer des Kreuzzugs erwählt. Nur
das setzte er durch, daß der Kaiser vor Beginn des neuen Kampfes noch einmal
eine friedliche Unterhandlung versuchte. Der Kaiser selbst begab sich mit dem
Kurfürsten Friedrich und dem Bischof von Würzburg uach Eger, wohin Prokop
der Große, als Abgesandter der Hussiten kam. Das Ergebniß der Verhandlung
war, daß Prokop nach Prag ging und einer Versammlung der angesehensten
Geistlichen und der andern Führer der Hussiten Folgendes berichtete: „Ihr
müßt euch", so wird seine Rede überliefert, „sofort entscheiden, ob ihr euch
unbedingt dem Konzil unterwerfen wollt, das in Basel zusammentreten wird
oder nicht. Wollt ihr euch nicht unterwerfen, so müssen wir uns zum Kriege
rüsten, denn aus allen Theilen Deutschlands ziehen Kreuzfahrer heran, in größerer
Zahl, wie jemals früher, um uns anzugreifen."

Die Hussiten beschlossen, sich nicht zu unterwerfen. Das Kreuzheer, dessen
Zahl auf 150,000 Mann angegeben wird, brach in Böhmen ein, unter Führung
des Kurfürsten Friedrich und des Kardinals Julian de Cesarini, allein es
gingen die schlimmsten Befürchtungen des Kurfürsten in Erfüllung; unter seinem
Heere war keine Mannszucht; er konnte nicht hindern, daß ganze Land¬
striche von Böhmen ausgeplündert und in manchen Gegenden alle Dörfer
verbrannt wurden. Gerade diese Verheerungen hatten zur Folge, daß Prokop
ein größeres Heer, als jemals früher, angeblich 50,000 Mann zusammenbrachte-
Als er mit diesen: Heere die ungeordneten Massen der Kreuzfahrer angriff,
ergriffen diese ohne viel Gegenwehr die Flucht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/338>, abgerufen am 18.05.2024.