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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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einem Schlaueren behumbngt wurde (S. 160). Bisweilen könnte der Verfasser
mit Nutzen weniger Geist zu machen, mitunter auch, z. B. auf S. 332, we¬
niger rhethvrischen Bombast abzubrennen bemüht sein.


Geschichte der Serben von den ältesten Zeiten bis 1815 von Benjamin
v. Keill ciy. Aus dem Ungarischen ins Deutsche übertragen von Professor I. H. Schwicker.
Erster Band, 1. Heft. Budapest, Wien und Leipzig, Verlag von W. Lauster. 187L.

Der Verfasser hat sich viele Jahre mit dem Studium der Geschichte der
Südslawen beschäftigt und durch langjährigen Aufenthalt (als österreichischer
Generalkonsul) in Belgrad Land und Leute Serbiens sowie die dortigen Quellen¬
werke aus eigener Anschauung kennen gelernt. Sein Werk, im Original schon
vor mehreren Jahren erschienen, behandelt namentlich die Zeit, wo die Serben
sich vom Joche der Türken befreiten, auf Grund neuer Daten mit Ausführlich¬
keit. Die Uebersetzung liest sich gut. Wenn mehr davon erschienen, Näheres.


Das neue Leben von Dante Alighieri. Uebersetzt von B. Jacobson. Mit
Dante's Portrait nach Giotto. Halle, C. E. M. Pfeffer. 1877,

Deu Inhalt dieser Schrift bildet Dante's Liebe zu Beatrice vou dem
ersten Zusammentreffen der Beiden an bis zu der Vision, welche mehrere Jahre
nach ihrem Tode dem Dichter den Grundgedanken der göttlichen Komödie gab.
Es ist eine melancholische Geschichte tiefer Empfindungen, ein rückhaltsloses
Bekenntniß des Heiligsten und Geheimsten im Herzen des Liebenden. Einzig
in der Weltliteratur ist die Art, wie Dante uns hier selbst den Schlüssel zu
seinen Dichtungen und zu seinem ganzen inneren Sein und Wesen in die Hand
gibt: die eingestreuten Sonette und Canzonen sind echte "Gelegenheitsgedichte"
im Sinne Goethe's, d. h. wir sehen sie naturnothwendig aus Gefühlten und
Erlebtem entstehen. Der Titel des Originals "Viw nuova" bedeutet uicht,
wie Manche gemeint haben: Jugendleben oder Jünglingsalter; denn die hier
Mitgetheilten Ereignisse und Erfahrungen reichen bis in die Mannesjahre des
Dichters. Es soll vielmehr damit ausgedrückt werden, daß seit der ersten Be¬
gegnung mit Beatrice für ihn ein ganz neues Leben, ein von dem bisher ge¬
führten völlig verschiedenes begonnen, daß er gewissermaßen eine neue Geburt
erlebt habe. Mit voller Klarheit geht aus mehreren Stellen hervor, daß Beatrice
keineswegs eine bloße Allegorie, etwa der Begriff des Wissens von den gött¬
lichen Dingen, die thätige Intelligenz oder gar die Idee der kaiserlichen Autorität,
sondern ein lebendiges, konkretes Individuum, ein weibliches Wesen mit Fleisch
und Bein ist, mit andern Worten, daß es sich um die Liebe des Dichters zu
der Tochter des Messer Folco Portinari und der Madonna Giglici Cciponsaechi
handelt, die, wie wir im 41. Kapitel unserer Schrift erfahren, in Florenz auf


einem Schlaueren behumbngt wurde (S. 160). Bisweilen könnte der Verfasser
mit Nutzen weniger Geist zu machen, mitunter auch, z. B. auf S. 332, we¬
niger rhethvrischen Bombast abzubrennen bemüht sein.


Geschichte der Serben von den ältesten Zeiten bis 1815 von Benjamin
v. Keill ciy. Aus dem Ungarischen ins Deutsche übertragen von Professor I. H. Schwicker.
Erster Band, 1. Heft. Budapest, Wien und Leipzig, Verlag von W. Lauster. 187L.

Der Verfasser hat sich viele Jahre mit dem Studium der Geschichte der
Südslawen beschäftigt und durch langjährigen Aufenthalt (als österreichischer
Generalkonsul) in Belgrad Land und Leute Serbiens sowie die dortigen Quellen¬
werke aus eigener Anschauung kennen gelernt. Sein Werk, im Original schon
vor mehreren Jahren erschienen, behandelt namentlich die Zeit, wo die Serben
sich vom Joche der Türken befreiten, auf Grund neuer Daten mit Ausführlich¬
keit. Die Uebersetzung liest sich gut. Wenn mehr davon erschienen, Näheres.


Das neue Leben von Dante Alighieri. Uebersetzt von B. Jacobson. Mit
Dante's Portrait nach Giotto. Halle, C. E. M. Pfeffer. 1877,

Deu Inhalt dieser Schrift bildet Dante's Liebe zu Beatrice vou dem
ersten Zusammentreffen der Beiden an bis zu der Vision, welche mehrere Jahre
nach ihrem Tode dem Dichter den Grundgedanken der göttlichen Komödie gab.
Es ist eine melancholische Geschichte tiefer Empfindungen, ein rückhaltsloses
Bekenntniß des Heiligsten und Geheimsten im Herzen des Liebenden. Einzig
in der Weltliteratur ist die Art, wie Dante uns hier selbst den Schlüssel zu
seinen Dichtungen und zu seinem ganzen inneren Sein und Wesen in die Hand
gibt: die eingestreuten Sonette und Canzonen sind echte „Gelegenheitsgedichte"
im Sinne Goethe's, d. h. wir sehen sie naturnothwendig aus Gefühlten und
Erlebtem entstehen. Der Titel des Originals „Viw nuova" bedeutet uicht,
wie Manche gemeint haben: Jugendleben oder Jünglingsalter; denn die hier
Mitgetheilten Ereignisse und Erfahrungen reichen bis in die Mannesjahre des
Dichters. Es soll vielmehr damit ausgedrückt werden, daß seit der ersten Be¬
gegnung mit Beatrice für ihn ein ganz neues Leben, ein von dem bisher ge¬
führten völlig verschiedenes begonnen, daß er gewissermaßen eine neue Geburt
erlebt habe. Mit voller Klarheit geht aus mehreren Stellen hervor, daß Beatrice
keineswegs eine bloße Allegorie, etwa der Begriff des Wissens von den gött¬
lichen Dingen, die thätige Intelligenz oder gar die Idee der kaiserlichen Autorität,
sondern ein lebendiges, konkretes Individuum, ein weibliches Wesen mit Fleisch
und Bein ist, mit andern Worten, daß es sich um die Liebe des Dichters zu
der Tochter des Messer Folco Portinari und der Madonna Giglici Cciponsaechi
handelt, die, wie wir im 41. Kapitel unserer Schrift erfahren, in Florenz auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/81>, abgerufen am 10.06.2024.