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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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die mit dem Mammuth und dem Höhlenlöwen zusammenlebten, haben sich keine
körperlichen Reste, sondern nnr Steingeräthe und solche von Bein und Horn
erhalten. Merkwürdig aber ist, daß gerade diese der allerältesten Bevölkerung
zugeschriebnen Geräthe verhältnißmäßig viele Skulpturen zeigen, unter denen
eine, welche auf einem Stücke Mammuthszahn das Bild eines Mammuths
zeigt, besonders interessant ist. Außerdem sehen wir noch in dieser Weise
Rennthiere, Pferde, das Wisent und Menschen dargestellt. Endlich hat man
bei diesen Schnitzwerken Nadeln von Knochen, Lanzen- und Pfeilspitzen und
Harpunen mit Widerhaken gefunden. Die Zeichnung der Schnitzereien ist so
charakteristisch und gut, daß Klein bei Besprechung derselben bemerkt: "Ich
glaube uicht, daß auf so niedriger Kulturstufe stehende Wilde wie Australier und
Feuerländer so charakteristische Zeichnungen zu liefern im Staude sind, dagegen
glaube ich, daß viele unsrer heutigen Alterthumsforscher nicht fähig sind, der¬
artige Zeichnungen nach der Natur zu entwerfen."

Dawkins hat zuerst 18K6 die Meinung ausgesprochen, daß diese paläo-
lithischen Menschen desselben Stammes wie die Eskimo gewesen seien. Als
Stütze dieser Annahme weist -- er wie wir in Ur. 18 des vor. Jahrg. d. Bl.
ausführlich erwähnten -- darauf hin, daß sich eine merkwürdige Ueberein¬
stimmung der Form und Gestalt sämmtlicher Geräthe der Eskimo mit der¬
jenigen der Geräthe zeige, welche die paläolithischen Menschen hinterlassen
haben. Desgleichen sind die Werkzeuge und Waffen der Eskimo mit Jagd¬
scenen und Thierbildern verziert, die eine ähnliche Kunstfertigkeit bekunden, wie
die in Belgien, England und Frankreich gefundenen und den Urmenschen
Westeuropas zugeschriebenen Geräthe. Endlich scheint auch die Lebensweise
bei diesen und den Eskimos die gleiche gewesen zu sein, diese wie jene sind
ein Jägervolk, und diese wie jene häufen um ihre Wohnplätze große Massen
von Küchenresten, namentlich von Knochen auf, welche man aufgeschlagen, um
das Mark zu gewinnen.

Was nun auch weitere Untersuchungen an der Sache noch ermitteln mögen,
als unzweifelhaft feststehend ist nach dem Angeführten zu betrachten: Alles,
was wir von den ältesten Bewohnern des westlichen Europa wissen, zeigt uns,
daß dieselben nach keiner Seite hin niedriger standen, als eine große Anzahl der
jetzt auf der Erde lebenden wilden Völkerschaften. Der Verfasser findet es
nicht am Orte, auf die allmählichen Fortschritte in der Kultur, die Einführung
und Verarbeitung der Metalle, der Weberknnst, der Töpferei n. s. w. einzu-
gehen. Das in Betreff der ältesten Bevölkerung Westeuropas gefundene Re¬
sultat genügt ihm zur Beantwortung der Frage nach dem Ursprung und der
Abstammung des Menschengeschlechts. Es geht ihm aus demselben auf das
Klarste hervor, daß es sich in dieser Beziehung mit dem Menschen wie mit


die mit dem Mammuth und dem Höhlenlöwen zusammenlebten, haben sich keine
körperlichen Reste, sondern nnr Steingeräthe und solche von Bein und Horn
erhalten. Merkwürdig aber ist, daß gerade diese der allerältesten Bevölkerung
zugeschriebnen Geräthe verhältnißmäßig viele Skulpturen zeigen, unter denen
eine, welche auf einem Stücke Mammuthszahn das Bild eines Mammuths
zeigt, besonders interessant ist. Außerdem sehen wir noch in dieser Weise
Rennthiere, Pferde, das Wisent und Menschen dargestellt. Endlich hat man
bei diesen Schnitzwerken Nadeln von Knochen, Lanzen- und Pfeilspitzen und
Harpunen mit Widerhaken gefunden. Die Zeichnung der Schnitzereien ist so
charakteristisch und gut, daß Klein bei Besprechung derselben bemerkt: „Ich
glaube uicht, daß auf so niedriger Kulturstufe stehende Wilde wie Australier und
Feuerländer so charakteristische Zeichnungen zu liefern im Staude sind, dagegen
glaube ich, daß viele unsrer heutigen Alterthumsforscher nicht fähig sind, der¬
artige Zeichnungen nach der Natur zu entwerfen."

Dawkins hat zuerst 18K6 die Meinung ausgesprochen, daß diese paläo-
lithischen Menschen desselben Stammes wie die Eskimo gewesen seien. Als
Stütze dieser Annahme weist — er wie wir in Ur. 18 des vor. Jahrg. d. Bl.
ausführlich erwähnten — darauf hin, daß sich eine merkwürdige Ueberein¬
stimmung der Form und Gestalt sämmtlicher Geräthe der Eskimo mit der¬
jenigen der Geräthe zeige, welche die paläolithischen Menschen hinterlassen
haben. Desgleichen sind die Werkzeuge und Waffen der Eskimo mit Jagd¬
scenen und Thierbildern verziert, die eine ähnliche Kunstfertigkeit bekunden, wie
die in Belgien, England und Frankreich gefundenen und den Urmenschen
Westeuropas zugeschriebenen Geräthe. Endlich scheint auch die Lebensweise
bei diesen und den Eskimos die gleiche gewesen zu sein, diese wie jene sind
ein Jägervolk, und diese wie jene häufen um ihre Wohnplätze große Massen
von Küchenresten, namentlich von Knochen auf, welche man aufgeschlagen, um
das Mark zu gewinnen.

Was nun auch weitere Untersuchungen an der Sache noch ermitteln mögen,
als unzweifelhaft feststehend ist nach dem Angeführten zu betrachten: Alles,
was wir von den ältesten Bewohnern des westlichen Europa wissen, zeigt uns,
daß dieselben nach keiner Seite hin niedriger standen, als eine große Anzahl der
jetzt auf der Erde lebenden wilden Völkerschaften. Der Verfasser findet es
nicht am Orte, auf die allmählichen Fortschritte in der Kultur, die Einführung
und Verarbeitung der Metalle, der Weberknnst, der Töpferei n. s. w. einzu-
gehen. Das in Betreff der ältesten Bevölkerung Westeuropas gefundene Re¬
sultat genügt ihm zur Beantwortung der Frage nach dem Ursprung und der
Abstammung des Menschengeschlechts. Es geht ihm aus demselben auf das
Klarste hervor, daß es sich in dieser Beziehung mit dem Menschen wie mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/22>, abgerufen am 20.05.2024.