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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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jungen, schönen Frau, seiner Gattin, der Tochter Ferdinand von Oliviers. In
der noblen, delikaten Behandlung der Formen und in seiner vornehmen Auf¬
fassung erinnert es an keinen geringeren als an Eduard Magnus,

Die Fresken in der Villa Massimi nahm Schmorr im Jahre 1820 in
Angriff, um sie erst im Jahre 1826 zu vollenden. Die Ausstellung zeigt uns
24 Entwürfe zu diesen Fresken, die uns, wenn auch in unvollkommener Weise,
erkennen lassen, wie in dieser Periode die romantisch-ritterliche Eigenart Schmorrs
zum Durchbruch kam. Fortan war sein Streben darauf gerichtet, wie Jordan
in seiner Charakteristik des Meisters treffend hervorhebt, "seelenvollen Inhalt
mit wohlgefälliger Form zu verbinden." Als eine Frucht seiner Beschäftigung
mit Ariosto ist auch ein Cyklus von sechs Compositionen anzusehen, welcher
die reizende Episode von Angelika und Medoro behandelt. Hier entfaltet sich
der edle, auf das Ideal-schöne gerichtete Formensinn Schmorrs zum ersten
Male in voller Reinheit. Der anmuthige Stoff reizte ihn derartig, daß er
den Cyklus noch einmal im Jahre 1869, am Abende seines Lebens, wieder¬
holte.

Den Bemühungen des Cornelius gelang es, seinem Freunde eine Stelle
als Professor der Historienmalerei an der Münchener Akademie auszuwirken.
Zugleich harrte dort seiner ein Auftrag König Ludwigs, dessen Ausführung
zwanzig Jahre seines Lebens in Anspruch nehmen sollte, "die monumentale
Wiedererzühlung des Nibelungenliedes" in Fresko an den Wänden des Königbaus
der Münchener Residenz. Der Umstand, daß sich die Vollendung dieses um¬
fassenden Werkes durch zwei Jahrzehnte hinzog, mag die Ungleichheit der Arbeit
verschuldet haben. Es machen sich in den Fresken verschiedenartige Strömungen
geltend, eine eigenthümliche Verquickung der ritterlichen Romantik mit modern
realistischen Elementen, die dein Werke nicht immer zum Vortheil gereichen. Der
Einfluß des Cornelius macht sich in keiner zweiten Schöpfung Schmorrs so
entschieden geltend wie in den Nibeluugenfresken. Es gehörte eine Kraft wie
die des älteren Freundes dazu, um den gewaltigen, dramatischen Stoff zu
bewältigen. Am meisten wurde Schmorr bei der Durchführung seiner Aufgabe
durch sein eminentes Kompositionstalent, durch die souveräne Herrschaft über
die Massen unterstützt, eine Fähigkeit, in der ihm selbst Cornelius unterlegen
war. 44 Kartons, Studien, Entwürfe und Federzeichnungen, die sich auf den
Nibelungeneyklus beziehe", enthält die Ausstellung, ungerechnet die zahlreichen
Aktstudien und Zeichnungen nach dem lebenden Modell, die ebenfalls als Vor¬
studien mit den Nibelungenfresken in Verbindung stehen.

Diese Zeichnungen uach männlichen und weiblichen Modellen, zu denen
eine zweite, uicht minder zahlreiche Gruppe aus der Zeit der Aristofresken
hinzukommt, gehören zu den interessantesten und lehrreichsten Theilen der Aus-


jungen, schönen Frau, seiner Gattin, der Tochter Ferdinand von Oliviers. In
der noblen, delikaten Behandlung der Formen und in seiner vornehmen Auf¬
fassung erinnert es an keinen geringeren als an Eduard Magnus,

Die Fresken in der Villa Massimi nahm Schmorr im Jahre 1820 in
Angriff, um sie erst im Jahre 1826 zu vollenden. Die Ausstellung zeigt uns
24 Entwürfe zu diesen Fresken, die uns, wenn auch in unvollkommener Weise,
erkennen lassen, wie in dieser Periode die romantisch-ritterliche Eigenart Schmorrs
zum Durchbruch kam. Fortan war sein Streben darauf gerichtet, wie Jordan
in seiner Charakteristik des Meisters treffend hervorhebt, „seelenvollen Inhalt
mit wohlgefälliger Form zu verbinden." Als eine Frucht seiner Beschäftigung
mit Ariosto ist auch ein Cyklus von sechs Compositionen anzusehen, welcher
die reizende Episode von Angelika und Medoro behandelt. Hier entfaltet sich
der edle, auf das Ideal-schöne gerichtete Formensinn Schmorrs zum ersten
Male in voller Reinheit. Der anmuthige Stoff reizte ihn derartig, daß er
den Cyklus noch einmal im Jahre 1869, am Abende seines Lebens, wieder¬
holte.

Den Bemühungen des Cornelius gelang es, seinem Freunde eine Stelle
als Professor der Historienmalerei an der Münchener Akademie auszuwirken.
Zugleich harrte dort seiner ein Auftrag König Ludwigs, dessen Ausführung
zwanzig Jahre seines Lebens in Anspruch nehmen sollte, „die monumentale
Wiedererzühlung des Nibelungenliedes" in Fresko an den Wänden des Königbaus
der Münchener Residenz. Der Umstand, daß sich die Vollendung dieses um¬
fassenden Werkes durch zwei Jahrzehnte hinzog, mag die Ungleichheit der Arbeit
verschuldet haben. Es machen sich in den Fresken verschiedenartige Strömungen
geltend, eine eigenthümliche Verquickung der ritterlichen Romantik mit modern
realistischen Elementen, die dein Werke nicht immer zum Vortheil gereichen. Der
Einfluß des Cornelius macht sich in keiner zweiten Schöpfung Schmorrs so
entschieden geltend wie in den Nibeluugenfresken. Es gehörte eine Kraft wie
die des älteren Freundes dazu, um den gewaltigen, dramatischen Stoff zu
bewältigen. Am meisten wurde Schmorr bei der Durchführung seiner Aufgabe
durch sein eminentes Kompositionstalent, durch die souveräne Herrschaft über
die Massen unterstützt, eine Fähigkeit, in der ihm selbst Cornelius unterlegen
war. 44 Kartons, Studien, Entwürfe und Federzeichnungen, die sich auf den
Nibelungeneyklus beziehe», enthält die Ausstellung, ungerechnet die zahlreichen
Aktstudien und Zeichnungen nach dem lebenden Modell, die ebenfalls als Vor¬
studien mit den Nibelungenfresken in Verbindung stehen.

Diese Zeichnungen uach männlichen und weiblichen Modellen, zu denen
eine zweite, uicht minder zahlreiche Gruppe aus der Zeit der Aristofresken
hinzukommt, gehören zu den interessantesten und lehrreichsten Theilen der Aus-


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[0152] jungen, schönen Frau, seiner Gattin, der Tochter Ferdinand von Oliviers. In der noblen, delikaten Behandlung der Formen und in seiner vornehmen Auf¬ fassung erinnert es an keinen geringeren als an Eduard Magnus, Die Fresken in der Villa Massimi nahm Schmorr im Jahre 1820 in Angriff, um sie erst im Jahre 1826 zu vollenden. Die Ausstellung zeigt uns 24 Entwürfe zu diesen Fresken, die uns, wenn auch in unvollkommener Weise, erkennen lassen, wie in dieser Periode die romantisch-ritterliche Eigenart Schmorrs zum Durchbruch kam. Fortan war sein Streben darauf gerichtet, wie Jordan in seiner Charakteristik des Meisters treffend hervorhebt, „seelenvollen Inhalt mit wohlgefälliger Form zu verbinden." Als eine Frucht seiner Beschäftigung mit Ariosto ist auch ein Cyklus von sechs Compositionen anzusehen, welcher die reizende Episode von Angelika und Medoro behandelt. Hier entfaltet sich der edle, auf das Ideal-schöne gerichtete Formensinn Schmorrs zum ersten Male in voller Reinheit. Der anmuthige Stoff reizte ihn derartig, daß er den Cyklus noch einmal im Jahre 1869, am Abende seines Lebens, wieder¬ holte. Den Bemühungen des Cornelius gelang es, seinem Freunde eine Stelle als Professor der Historienmalerei an der Münchener Akademie auszuwirken. Zugleich harrte dort seiner ein Auftrag König Ludwigs, dessen Ausführung zwanzig Jahre seines Lebens in Anspruch nehmen sollte, „die monumentale Wiedererzühlung des Nibelungenliedes" in Fresko an den Wänden des Königbaus der Münchener Residenz. Der Umstand, daß sich die Vollendung dieses um¬ fassenden Werkes durch zwei Jahrzehnte hinzog, mag die Ungleichheit der Arbeit verschuldet haben. Es machen sich in den Fresken verschiedenartige Strömungen geltend, eine eigenthümliche Verquickung der ritterlichen Romantik mit modern realistischen Elementen, die dein Werke nicht immer zum Vortheil gereichen. Der Einfluß des Cornelius macht sich in keiner zweiten Schöpfung Schmorrs so entschieden geltend wie in den Nibeluugenfresken. Es gehörte eine Kraft wie die des älteren Freundes dazu, um den gewaltigen, dramatischen Stoff zu bewältigen. Am meisten wurde Schmorr bei der Durchführung seiner Aufgabe durch sein eminentes Kompositionstalent, durch die souveräne Herrschaft über die Massen unterstützt, eine Fähigkeit, in der ihm selbst Cornelius unterlegen war. 44 Kartons, Studien, Entwürfe und Federzeichnungen, die sich auf den Nibelungeneyklus beziehe», enthält die Ausstellung, ungerechnet die zahlreichen Aktstudien und Zeichnungen nach dem lebenden Modell, die ebenfalls als Vor¬ studien mit den Nibelungenfresken in Verbindung stehen. Diese Zeichnungen uach männlichen und weiblichen Modellen, zu denen eine zweite, uicht minder zahlreiche Gruppe aus der Zeit der Aristofresken hinzukommt, gehören zu den interessantesten und lehrreichsten Theilen der Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/152>, abgerufen am 31.05.2024.