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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Zimmer seines bei Sa. Maria Maggiore in Rom belegenen Gartenhauses
mit Fresken nach Ariostos rasendem Roland auszuschmücken.

Bevor er jedoch an dieses Werk, welches zum Wendepunkt seiner künst¬
lerischen Entwickelung werden sollte, herantreten konnte, ergriff ihn eine schwere
Krankheit, die ihn zwang, seinen Aufenthalt in Rom mit einem gesünderen zu
vertauschen. In dieser Zeit unfreiwilliger Muße entstand eine große Anzahl
landschaftlicher Skizzen, die sich zwar mit den landschaftlichen Schöpfungen der
Gegenwart nicht messen können, immerhin aber ein warmes, lebendiges Natur-
gefühl verrathen, das um so bemerkenswerther ist, als die neudeutsche Schule
auf ihren Gemälden das landschaftliche Element sehr geringschätzig zu be¬
handeln Pflegte. Später setzte Schmorr die ihm lieb gewordene Beschäftigung
mit den Reizen der italienischen Natur fort. Die Ausstellung führt uns nicht
weniger als 94 sauber in Feder, Sepia und Tusche ausgeführte Landschafts¬
studien fast aus allen Theilen Italiens, von Florenz bis Taormina, vor,
welche den Zeitraum von 1819--1827 umfassen. Eine besondere Vorliebe
widmete Schmorr dem Albanergebirge und den Sabinerbergen mit Olevano,
ihrer köstlichsten Perle, in dessen Umgebung das herrliche Eichenwäldchen liegt,
das jetzt ein Besitzthum des deutschen Reiches geworden ist. Der Hauptvorzug
dieser anmuthigen Landschaftsbilder liegt auf der Seite des Architektonischen,
das Schmorr mit außerordentlichem Scharfblick für das Charakteristische der
Formen wiederzugeben weiß. Diese architektonischen Studien waren späterhin
für ihn von großem Nutzen. Auf seinen reifsten Schöpfungen zeigt er sich
als selbstständig erfindender Architekt von hervorragender Begabung.

Eine andere Frucht des italienischen Aufenthalts ist eine Serie von acht¬
zehn Bildnissen aus den Jahren 1818--1824. Mit den einfachsten Mitteln,
-- Bleistift, Feder und Sepia -- hat Schmorr eine Lebendigkeit, eine Frische
erreicht, in der ihm keiner von deu Mitstrebenden auf dem Gebiete des Bild¬
nisses gleichkommt. Cornelius fehlte der Sinn für das Individuelle, Persön¬
liche bekanntlich ganz. In Schmorr tritt uns ein Bildnißmaler entgegen, der
alle Eigenschaften eines solchen in vollem Maaße besitzt und der es namentlich
versteht, die geistigen Qualitäten des dargestellten Individuums auf das deut¬
lichste und verständlichste zum Ausdruck zu bringen. Es sind meist Künstler
und Schriftsteller, die er portraitirt hat: Thorwaldsen mit seinem ehrfurcht-
gebietenden Jupiterkopf, der vornehme Karl Begas, den Vater der gegenwärtig
in Berlin florirenden Künstlerfamilie, Overbeck, der einen merkwürdig be¬
schränkten Eindruck macht, Rückert, Wilhelm Müller, den Dichter der Griechen¬
lieder, der für einen Poeten ungemein spießbürgerlich aussieht, dann seinen
Gönner den Marchese Massimi, den Freiherrn von Stein u. a. in. Aus seiner
spätern Zeit hat die Ausstellung noch ein Oelportrait aufzuweisen, das einer


Zimmer seines bei Sa. Maria Maggiore in Rom belegenen Gartenhauses
mit Fresken nach Ariostos rasendem Roland auszuschmücken.

Bevor er jedoch an dieses Werk, welches zum Wendepunkt seiner künst¬
lerischen Entwickelung werden sollte, herantreten konnte, ergriff ihn eine schwere
Krankheit, die ihn zwang, seinen Aufenthalt in Rom mit einem gesünderen zu
vertauschen. In dieser Zeit unfreiwilliger Muße entstand eine große Anzahl
landschaftlicher Skizzen, die sich zwar mit den landschaftlichen Schöpfungen der
Gegenwart nicht messen können, immerhin aber ein warmes, lebendiges Natur-
gefühl verrathen, das um so bemerkenswerther ist, als die neudeutsche Schule
auf ihren Gemälden das landschaftliche Element sehr geringschätzig zu be¬
handeln Pflegte. Später setzte Schmorr die ihm lieb gewordene Beschäftigung
mit den Reizen der italienischen Natur fort. Die Ausstellung führt uns nicht
weniger als 94 sauber in Feder, Sepia und Tusche ausgeführte Landschafts¬
studien fast aus allen Theilen Italiens, von Florenz bis Taormina, vor,
welche den Zeitraum von 1819—1827 umfassen. Eine besondere Vorliebe
widmete Schmorr dem Albanergebirge und den Sabinerbergen mit Olevano,
ihrer köstlichsten Perle, in dessen Umgebung das herrliche Eichenwäldchen liegt,
das jetzt ein Besitzthum des deutschen Reiches geworden ist. Der Hauptvorzug
dieser anmuthigen Landschaftsbilder liegt auf der Seite des Architektonischen,
das Schmorr mit außerordentlichem Scharfblick für das Charakteristische der
Formen wiederzugeben weiß. Diese architektonischen Studien waren späterhin
für ihn von großem Nutzen. Auf seinen reifsten Schöpfungen zeigt er sich
als selbstständig erfindender Architekt von hervorragender Begabung.

Eine andere Frucht des italienischen Aufenthalts ist eine Serie von acht¬
zehn Bildnissen aus den Jahren 1818—1824. Mit den einfachsten Mitteln,
— Bleistift, Feder und Sepia — hat Schmorr eine Lebendigkeit, eine Frische
erreicht, in der ihm keiner von deu Mitstrebenden auf dem Gebiete des Bild¬
nisses gleichkommt. Cornelius fehlte der Sinn für das Individuelle, Persön¬
liche bekanntlich ganz. In Schmorr tritt uns ein Bildnißmaler entgegen, der
alle Eigenschaften eines solchen in vollem Maaße besitzt und der es namentlich
versteht, die geistigen Qualitäten des dargestellten Individuums auf das deut¬
lichste und verständlichste zum Ausdruck zu bringen. Es sind meist Künstler
und Schriftsteller, die er portraitirt hat: Thorwaldsen mit seinem ehrfurcht-
gebietenden Jupiterkopf, der vornehme Karl Begas, den Vater der gegenwärtig
in Berlin florirenden Künstlerfamilie, Overbeck, der einen merkwürdig be¬
schränkten Eindruck macht, Rückert, Wilhelm Müller, den Dichter der Griechen¬
lieder, der für einen Poeten ungemein spießbürgerlich aussieht, dann seinen
Gönner den Marchese Massimi, den Freiherrn von Stein u. a. in. Aus seiner
spätern Zeit hat die Ausstellung noch ein Oelportrait aufzuweisen, das einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/151>, abgerufen am 20.09.2024.