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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Schritt zu verfolgen. Friedrich der Größe hat dem Bruder in seinen nach¬
gelassenen Schriften ein glänzendes Denkmal gesetzt. Das beste Lob, was man
dem Prinzen Heinrich spenden könne, so schreibt Friedrich, sei die Erzählung
seiner Thaten, und im Kreise seiner Feldherren bezeichnete er ihn als den¬
jenigen, der als Heerführer nie einen Fehler begangen habe. Nach der un¬
glücklichen Schlacht bei Kunersdorf im Jahre 1759, zu einer Zeit wo Friedrich
selbst seine Lage als verzweifelt ansah, machte allein Prinz Heinrich durch
täuschende Bewegungen zwei feindliche Armeen, die österreichische und russische,
unthätig, hinderte sie ihren Sieg zu benutzen, behauptete Sachsen und rettete
dadurch den preußischen Staat. Diese That wog an innerem Gehalt große
Schlachten auf. "Nie", schreibt Tcmpehof, "zeigte sich das Genie des Prinzen
so groß, als nach der Schlacht bei Kunersdorf." Berenhvrst, in seinen Be¬
trachtungen über die Kriegskunst, sagt von ihm: "Heinrichs Talente gehören
völlig in die Klasse derjenigen, durch welche der Orcmier und Catinat schwer
zu erreichende Vorbilder der Feldherren wurden. Er hat den lehrreichsten
Vertheidignngs- oder vielmehr Behanptuugskrieg geführt, der nicht selten zum
entschlossensten Angriffskrieg übergeht. Sein System war für diese Umstände,
diese Gegner ausdrücklich erfunden. Bei veränderter Beschaffenheit würde
fein durchdringender Verstand es durch ein anderes zu ersetzen gewußt haben."

Auch als Schlachtengeneral machte sich Prinz Heinrich berühmt. So bei
Prag, wo er den preußischen rechten Flügel kommandirte und durch Wegnahme
der Schanze auf den steilen Höhen von Hlouvetin ganz wesentlich zum glücklichen
Erfolge beitrug. Ebenso errang er noch kurz vor Schluß des Krieges den
glänzenden Sieg bei Freiberg.

Heinrichs Ruf war so groß, daß mehrseitig darüber gestritten wurde,
welcher der beiden Brüder als Held höher stehe. Heute wird schwerlich noch
ein Streit darüber aufkommen. Kuum cuique! Friedrich der Große war ein
universelles Feldherrngenie, der niemals abstrakten Theorien huldigte, aus
einer selbst errungenen Praxis heraus ein neues System der Kriegsführung
erfand. Allerdings konnte er sich nicht ganz loslösen von den Bedingungen
seiner Zeit; er war gebunden an die eigenthümlichen Heereseinrichtungen, an
die jede freie Bewegung hemmenden Verpflegnngsmaximen. Aber gerade darin,
wie er alle Schwierigkeiten zu überwinden weiß, liegt seine Meisterschaft. Solche
bewährt er auch als Lehrer und Erzieher seiner Armee. Seine nach dem
zweiten Schlesischen Kriege verfaßten "General-Prinzipien vom Kriege" enthalten
noch heute vom Wechsel der Zeiten unberührte Wahrheiten. Die Thaten und
Lehren Friedrichs ergänzen sich gegenseitig und erst durch das ernste Studium
beider gewinnt man ein vollkommenes Bild seiner Feldherrengröße. -- Prinz
Heinrich kam nicht in die Lage, große Entwürfe für einen Feldzug zu machen


Schritt zu verfolgen. Friedrich der Größe hat dem Bruder in seinen nach¬
gelassenen Schriften ein glänzendes Denkmal gesetzt. Das beste Lob, was man
dem Prinzen Heinrich spenden könne, so schreibt Friedrich, sei die Erzählung
seiner Thaten, und im Kreise seiner Feldherren bezeichnete er ihn als den¬
jenigen, der als Heerführer nie einen Fehler begangen habe. Nach der un¬
glücklichen Schlacht bei Kunersdorf im Jahre 1759, zu einer Zeit wo Friedrich
selbst seine Lage als verzweifelt ansah, machte allein Prinz Heinrich durch
täuschende Bewegungen zwei feindliche Armeen, die österreichische und russische,
unthätig, hinderte sie ihren Sieg zu benutzen, behauptete Sachsen und rettete
dadurch den preußischen Staat. Diese That wog an innerem Gehalt große
Schlachten auf. „Nie", schreibt Tcmpehof, „zeigte sich das Genie des Prinzen
so groß, als nach der Schlacht bei Kunersdorf." Berenhvrst, in seinen Be¬
trachtungen über die Kriegskunst, sagt von ihm: „Heinrichs Talente gehören
völlig in die Klasse derjenigen, durch welche der Orcmier und Catinat schwer
zu erreichende Vorbilder der Feldherren wurden. Er hat den lehrreichsten
Vertheidignngs- oder vielmehr Behanptuugskrieg geführt, der nicht selten zum
entschlossensten Angriffskrieg übergeht. Sein System war für diese Umstände,
diese Gegner ausdrücklich erfunden. Bei veränderter Beschaffenheit würde
fein durchdringender Verstand es durch ein anderes zu ersetzen gewußt haben."

Auch als Schlachtengeneral machte sich Prinz Heinrich berühmt. So bei
Prag, wo er den preußischen rechten Flügel kommandirte und durch Wegnahme
der Schanze auf den steilen Höhen von Hlouvetin ganz wesentlich zum glücklichen
Erfolge beitrug. Ebenso errang er noch kurz vor Schluß des Krieges den
glänzenden Sieg bei Freiberg.

Heinrichs Ruf war so groß, daß mehrseitig darüber gestritten wurde,
welcher der beiden Brüder als Held höher stehe. Heute wird schwerlich noch
ein Streit darüber aufkommen. Kuum cuique! Friedrich der Große war ein
universelles Feldherrngenie, der niemals abstrakten Theorien huldigte, aus
einer selbst errungenen Praxis heraus ein neues System der Kriegsführung
erfand. Allerdings konnte er sich nicht ganz loslösen von den Bedingungen
seiner Zeit; er war gebunden an die eigenthümlichen Heereseinrichtungen, an
die jede freie Bewegung hemmenden Verpflegnngsmaximen. Aber gerade darin,
wie er alle Schwierigkeiten zu überwinden weiß, liegt seine Meisterschaft. Solche
bewährt er auch als Lehrer und Erzieher seiner Armee. Seine nach dem
zweiten Schlesischen Kriege verfaßten „General-Prinzipien vom Kriege" enthalten
noch heute vom Wechsel der Zeiten unberührte Wahrheiten. Die Thaten und
Lehren Friedrichs ergänzen sich gegenseitig und erst durch das ernste Studium
beider gewinnt man ein vollkommenes Bild seiner Feldherrengröße. — Prinz
Heinrich kam nicht in die Lage, große Entwürfe für einen Feldzug zu machen


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[0172] Schritt zu verfolgen. Friedrich der Größe hat dem Bruder in seinen nach¬ gelassenen Schriften ein glänzendes Denkmal gesetzt. Das beste Lob, was man dem Prinzen Heinrich spenden könne, so schreibt Friedrich, sei die Erzählung seiner Thaten, und im Kreise seiner Feldherren bezeichnete er ihn als den¬ jenigen, der als Heerführer nie einen Fehler begangen habe. Nach der un¬ glücklichen Schlacht bei Kunersdorf im Jahre 1759, zu einer Zeit wo Friedrich selbst seine Lage als verzweifelt ansah, machte allein Prinz Heinrich durch täuschende Bewegungen zwei feindliche Armeen, die österreichische und russische, unthätig, hinderte sie ihren Sieg zu benutzen, behauptete Sachsen und rettete dadurch den preußischen Staat. Diese That wog an innerem Gehalt große Schlachten auf. „Nie", schreibt Tcmpehof, „zeigte sich das Genie des Prinzen so groß, als nach der Schlacht bei Kunersdorf." Berenhvrst, in seinen Be¬ trachtungen über die Kriegskunst, sagt von ihm: „Heinrichs Talente gehören völlig in die Klasse derjenigen, durch welche der Orcmier und Catinat schwer zu erreichende Vorbilder der Feldherren wurden. Er hat den lehrreichsten Vertheidignngs- oder vielmehr Behanptuugskrieg geführt, der nicht selten zum entschlossensten Angriffskrieg übergeht. Sein System war für diese Umstände, diese Gegner ausdrücklich erfunden. Bei veränderter Beschaffenheit würde fein durchdringender Verstand es durch ein anderes zu ersetzen gewußt haben." Auch als Schlachtengeneral machte sich Prinz Heinrich berühmt. So bei Prag, wo er den preußischen rechten Flügel kommandirte und durch Wegnahme der Schanze auf den steilen Höhen von Hlouvetin ganz wesentlich zum glücklichen Erfolge beitrug. Ebenso errang er noch kurz vor Schluß des Krieges den glänzenden Sieg bei Freiberg. Heinrichs Ruf war so groß, daß mehrseitig darüber gestritten wurde, welcher der beiden Brüder als Held höher stehe. Heute wird schwerlich noch ein Streit darüber aufkommen. Kuum cuique! Friedrich der Große war ein universelles Feldherrngenie, der niemals abstrakten Theorien huldigte, aus einer selbst errungenen Praxis heraus ein neues System der Kriegsführung erfand. Allerdings konnte er sich nicht ganz loslösen von den Bedingungen seiner Zeit; er war gebunden an die eigenthümlichen Heereseinrichtungen, an die jede freie Bewegung hemmenden Verpflegnngsmaximen. Aber gerade darin, wie er alle Schwierigkeiten zu überwinden weiß, liegt seine Meisterschaft. Solche bewährt er auch als Lehrer und Erzieher seiner Armee. Seine nach dem zweiten Schlesischen Kriege verfaßten „General-Prinzipien vom Kriege" enthalten noch heute vom Wechsel der Zeiten unberührte Wahrheiten. Die Thaten und Lehren Friedrichs ergänzen sich gegenseitig und erst durch das ernste Studium beider gewinnt man ein vollkommenes Bild seiner Feldherrengröße. — Prinz Heinrich kam nicht in die Lage, große Entwürfe für einen Feldzug zu machen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/172>, abgerufen am 10.11.2024.