Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

im Bunde. Kimvns Sieg ein Eurymedvn wurde der Ausgangspunkt eines
glänzenden Aufschwungs von Athen.

An der Spitze des Seehundes zum Schutze der Meere und zum Kampfe
gegen die Barbaren herrschte Athen über die Inseln des aigaiischen Meeres,
über die hellenischen Städte bis hinauf nach Byzanz und über die Küste Klein¬
asiens; es entfaltete eine Macht, deren belebende Anregungen den griechischen
Handel zu hoher Blüthe und Athen selbst zum Mittelpunkte einer unvergleich¬
lich reichen und edlen Bildung erhoben. So war Athen durch den Perserkrieg
aus einer Dorfstadt nicht wie Korinth nur zu einem Handelsplatze, sondern zu
einer nationalpolitischen Vormacht geworden. Aus dem Kampfe gegen die
Barbaren hatte es sich zur Schutzmacht über das aigciiische Meer und zum
Haupte eines mächtigen Bundes erhoben.^)

Aber in jenem Seehunde lagen auch die Keime künftigen Verderbens.
Man hatte den Partikularismus der einzelnen Staaten schonen wollen und
ihnen daher, dem Namen nach, allen gleiches Recht gegeben. Hieraus erwuchs
für Athen sehr oft die Nothwendigkeit, zur Bundespflicht zu zwingen, Ver¬
säumnis, Widersetzlichkeit und Abfall zu strafen, und ebeu auf diesem Wege
wurde die führende Stadt zur herrschenden; die freien Bundesstaaten wurden Un¬
terthanen. Je träger und lauer die Bundesgenossen sich erwiesen, um so mehr
strebte Athen dahin, mittelst ihrer Geldkräfte, eine nicht sowohl griechische als
attische Seemacht zu begründen. Je mächtiger Athen wurde, um so herrischer
trat es auf, und immer aufs Neue regte sich politische Opposition, welche Athen
zu bewaffneter Unterdrückung veranlaßte.^) Solchen Reibungen entsprang
u. A. die Belagerung von Samos (440), bei welcher zuerst mechanische Bela¬
gerungswerkzeuge vou den Griechen angewendet sein sollen.

Sparta sah den Glanz Athens mit bitterem Neide. Es hatte nur noch
den Namen der Hegemonie; sogar die peloponnesischen Staate" verbanden sich
mit Athen. Dieselben Mängel, unter denen die attische Symmachie litt, traten
nämlich auch in dem peloponnesischen Bunde, nur zum Theil noch härter und
schärfer hervor. Die nicht gehörig vermittelte Gegenüberstellung von Hegemonie
und Bundesgenossenschaft, hervorgerufen durch den unüberwindlichen Wider¬
willen jeder einzelnen Stadt, ihre volle Autonomie aufzugeben und sich als
Glied einer höheren politischen Gemeinschaft aufzufassen, führte zu unaufhör¬
lichen Reibungen, die umso stärker sein mußten, als Lakedaimon, mehr noch




Levi Ueber die Entstehung des athenischen Seehundes. (Vertrag i. d. Philologen-
Versammlung 1S77.)
**) Vgl. Gilbert: Beiträge zur inneren Geschichte Athens im Zeitalter des pelopon-
nesischen Krieges. Leipzig 1877.

im Bunde. Kimvns Sieg ein Eurymedvn wurde der Ausgangspunkt eines
glänzenden Aufschwungs von Athen.

An der Spitze des Seehundes zum Schutze der Meere und zum Kampfe
gegen die Barbaren herrschte Athen über die Inseln des aigaiischen Meeres,
über die hellenischen Städte bis hinauf nach Byzanz und über die Küste Klein¬
asiens; es entfaltete eine Macht, deren belebende Anregungen den griechischen
Handel zu hoher Blüthe und Athen selbst zum Mittelpunkte einer unvergleich¬
lich reichen und edlen Bildung erhoben. So war Athen durch den Perserkrieg
aus einer Dorfstadt nicht wie Korinth nur zu einem Handelsplatze, sondern zu
einer nationalpolitischen Vormacht geworden. Aus dem Kampfe gegen die
Barbaren hatte es sich zur Schutzmacht über das aigciiische Meer und zum
Haupte eines mächtigen Bundes erhoben.^)

Aber in jenem Seehunde lagen auch die Keime künftigen Verderbens.
Man hatte den Partikularismus der einzelnen Staaten schonen wollen und
ihnen daher, dem Namen nach, allen gleiches Recht gegeben. Hieraus erwuchs
für Athen sehr oft die Nothwendigkeit, zur Bundespflicht zu zwingen, Ver¬
säumnis, Widersetzlichkeit und Abfall zu strafen, und ebeu auf diesem Wege
wurde die führende Stadt zur herrschenden; die freien Bundesstaaten wurden Un¬
terthanen. Je träger und lauer die Bundesgenossen sich erwiesen, um so mehr
strebte Athen dahin, mittelst ihrer Geldkräfte, eine nicht sowohl griechische als
attische Seemacht zu begründen. Je mächtiger Athen wurde, um so herrischer
trat es auf, und immer aufs Neue regte sich politische Opposition, welche Athen
zu bewaffneter Unterdrückung veranlaßte.^) Solchen Reibungen entsprang
u. A. die Belagerung von Samos (440), bei welcher zuerst mechanische Bela¬
gerungswerkzeuge vou den Griechen angewendet sein sollen.

Sparta sah den Glanz Athens mit bitterem Neide. Es hatte nur noch
den Namen der Hegemonie; sogar die peloponnesischen Staate» verbanden sich
mit Athen. Dieselben Mängel, unter denen die attische Symmachie litt, traten
nämlich auch in dem peloponnesischen Bunde, nur zum Theil noch härter und
schärfer hervor. Die nicht gehörig vermittelte Gegenüberstellung von Hegemonie
und Bundesgenossenschaft, hervorgerufen durch den unüberwindlichen Wider¬
willen jeder einzelnen Stadt, ihre volle Autonomie aufzugeben und sich als
Glied einer höheren politischen Gemeinschaft aufzufassen, führte zu unaufhör¬
lichen Reibungen, die umso stärker sein mußten, als Lakedaimon, mehr noch




Levi Ueber die Entstehung des athenischen Seehundes. (Vertrag i. d. Philologen-
Versammlung 1S77.)
**) Vgl. Gilbert: Beiträge zur inneren Geschichte Athens im Zeitalter des pelopon-
nesischen Krieges. Leipzig 1877.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139503"/>
          <p xml:id="ID_588" prev="#ID_587"> im Bunde. Kimvns Sieg ein Eurymedvn wurde der Ausgangspunkt eines<lb/>
glänzenden Aufschwungs von Athen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_589"> An der Spitze des Seehundes zum Schutze der Meere und zum Kampfe<lb/>
gegen die Barbaren herrschte Athen über die Inseln des aigaiischen Meeres,<lb/>
über die hellenischen Städte bis hinauf nach Byzanz und über die Küste Klein¬<lb/>
asiens; es entfaltete eine Macht, deren belebende Anregungen den griechischen<lb/>
Handel zu hoher Blüthe und Athen selbst zum Mittelpunkte einer unvergleich¬<lb/>
lich reichen und edlen Bildung erhoben. So war Athen durch den Perserkrieg<lb/>
aus einer Dorfstadt nicht wie Korinth nur zu einem Handelsplatze, sondern zu<lb/>
einer nationalpolitischen Vormacht geworden. Aus dem Kampfe gegen die<lb/>
Barbaren hatte es sich zur Schutzmacht über das aigciiische Meer und zum<lb/>
Haupte eines mächtigen Bundes erhoben.^)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_590"> Aber in jenem Seehunde lagen auch die Keime künftigen Verderbens.<lb/>
Man hatte den Partikularismus der einzelnen Staaten schonen wollen und<lb/>
ihnen daher, dem Namen nach, allen gleiches Recht gegeben. Hieraus erwuchs<lb/>
für Athen sehr oft die Nothwendigkeit, zur Bundespflicht zu zwingen, Ver¬<lb/>
säumnis, Widersetzlichkeit und Abfall zu strafen, und ebeu auf diesem Wege<lb/>
wurde die führende Stadt zur herrschenden; die freien Bundesstaaten wurden Un¬<lb/>
terthanen. Je träger und lauer die Bundesgenossen sich erwiesen, um so mehr<lb/>
strebte Athen dahin, mittelst ihrer Geldkräfte, eine nicht sowohl griechische als<lb/>
attische Seemacht zu begründen. Je mächtiger Athen wurde, um so herrischer<lb/>
trat es auf, und immer aufs Neue regte sich politische Opposition, welche Athen<lb/>
zu bewaffneter Unterdrückung veranlaßte.^) Solchen Reibungen entsprang<lb/>
u. A. die Belagerung von Samos (440), bei welcher zuerst mechanische Bela¬<lb/>
gerungswerkzeuge vou den Griechen angewendet sein sollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_591" next="#ID_592"> Sparta sah den Glanz Athens mit bitterem Neide. Es hatte nur noch<lb/>
den Namen der Hegemonie; sogar die peloponnesischen Staate» verbanden sich<lb/>
mit Athen. Dieselben Mängel, unter denen die attische Symmachie litt, traten<lb/>
nämlich auch in dem peloponnesischen Bunde, nur zum Theil noch härter und<lb/>
schärfer hervor. Die nicht gehörig vermittelte Gegenüberstellung von Hegemonie<lb/>
und Bundesgenossenschaft, hervorgerufen durch den unüberwindlichen Wider¬<lb/>
willen jeder einzelnen Stadt, ihre volle Autonomie aufzugeben und sich als<lb/>
Glied einer höheren politischen Gemeinschaft aufzufassen, führte zu unaufhör¬<lb/>
lichen Reibungen, die umso stärker sein mußten, als Lakedaimon, mehr noch</p><lb/>
          <note xml:id="FID_86" place="foot"> Levi Ueber die Entstehung des athenischen Seehundes. (Vertrag i. d. Philologen-<lb/>
Versammlung 1S77.)</note><lb/>
          <note xml:id="FID_87" place="foot"> **) Vgl. Gilbert: Beiträge zur inneren Geschichte Athens im Zeitalter des pelopon-<lb/>
nesischen Krieges. Leipzig 1877.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0210] im Bunde. Kimvns Sieg ein Eurymedvn wurde der Ausgangspunkt eines glänzenden Aufschwungs von Athen. An der Spitze des Seehundes zum Schutze der Meere und zum Kampfe gegen die Barbaren herrschte Athen über die Inseln des aigaiischen Meeres, über die hellenischen Städte bis hinauf nach Byzanz und über die Küste Klein¬ asiens; es entfaltete eine Macht, deren belebende Anregungen den griechischen Handel zu hoher Blüthe und Athen selbst zum Mittelpunkte einer unvergleich¬ lich reichen und edlen Bildung erhoben. So war Athen durch den Perserkrieg aus einer Dorfstadt nicht wie Korinth nur zu einem Handelsplatze, sondern zu einer nationalpolitischen Vormacht geworden. Aus dem Kampfe gegen die Barbaren hatte es sich zur Schutzmacht über das aigciiische Meer und zum Haupte eines mächtigen Bundes erhoben.^) Aber in jenem Seehunde lagen auch die Keime künftigen Verderbens. Man hatte den Partikularismus der einzelnen Staaten schonen wollen und ihnen daher, dem Namen nach, allen gleiches Recht gegeben. Hieraus erwuchs für Athen sehr oft die Nothwendigkeit, zur Bundespflicht zu zwingen, Ver¬ säumnis, Widersetzlichkeit und Abfall zu strafen, und ebeu auf diesem Wege wurde die führende Stadt zur herrschenden; die freien Bundesstaaten wurden Un¬ terthanen. Je träger und lauer die Bundesgenossen sich erwiesen, um so mehr strebte Athen dahin, mittelst ihrer Geldkräfte, eine nicht sowohl griechische als attische Seemacht zu begründen. Je mächtiger Athen wurde, um so herrischer trat es auf, und immer aufs Neue regte sich politische Opposition, welche Athen zu bewaffneter Unterdrückung veranlaßte.^) Solchen Reibungen entsprang u. A. die Belagerung von Samos (440), bei welcher zuerst mechanische Bela¬ gerungswerkzeuge vou den Griechen angewendet sein sollen. Sparta sah den Glanz Athens mit bitterem Neide. Es hatte nur noch den Namen der Hegemonie; sogar die peloponnesischen Staate» verbanden sich mit Athen. Dieselben Mängel, unter denen die attische Symmachie litt, traten nämlich auch in dem peloponnesischen Bunde, nur zum Theil noch härter und schärfer hervor. Die nicht gehörig vermittelte Gegenüberstellung von Hegemonie und Bundesgenossenschaft, hervorgerufen durch den unüberwindlichen Wider¬ willen jeder einzelnen Stadt, ihre volle Autonomie aufzugeben und sich als Glied einer höheren politischen Gemeinschaft aufzufassen, führte zu unaufhör¬ lichen Reibungen, die umso stärker sein mußten, als Lakedaimon, mehr noch Levi Ueber die Entstehung des athenischen Seehundes. (Vertrag i. d. Philologen- Versammlung 1S77.) **) Vgl. Gilbert: Beiträge zur inneren Geschichte Athens im Zeitalter des pelopon- nesischen Krieges. Leipzig 1877.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/210
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/210>, abgerufen am 14.05.2024.