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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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vielleicht als Athen, sich seinerseits nicht entschließen konnte, eine wirklich das
gemeinsame Interesse des Bundes berücksichtigende oder eine großhellenische
Politik zu treiben. Die Gesichtspunkte der spartanischen Politik waren und
blieben durchaus groß-lakedaimonische und ebeu deshalb geriethen sie in immer
tieferen Gegensatz zu deu Interesse" der einzelnen Bundesstädte. Mit diesem
Gegensatze verschwisterte sich dann derjenige der oligarchischen und der demo¬
kratischen Parteibewegnugen, und so lange der attische Seehund groß und
mächtig war, hatten die letzteren entschieden das Uebergewicht; Staat auf Staat
wendete sich von der starren Aristokratie Lakedaimons ab. Und nun empörten
sich auch uoch die verkncchteten Messenier gegen Sparta so daß sich dies, außer
Stande ihrer allein Herr zu werde", gezwungen sah, Athen um Hilfe an-
zugehn. Auf Kimous Rath wurde dieselbe geleistet. Er selbst führte 4000
Hopliten nach dem Peloponnes. Aber als die Spartaner diese Truppen aus
engherzigen Mißtrauen wieder zurückschickten, wandte sich das attische Volk
von denen ab, die zu dem Hilfszuge gerathen; es steigerte die demokratischen
Institutionen des Staats, kündigte den hellenischen Bund und damit auch den
Namen der spartanischen Hegemonie auf und beschloß den Abschluß einer
neuen allgemeinen Einigung der Griechen. Aus dem betises-attischen Bunde
war das ätherische Reich hervorgegangen; dies aber wieder sollte, dem großen
Gedanken des Perikles zufolge, sich zu einer panhellenischen nationalen
Einheit erweitern. Um dies zu erreichen, kam es zunächst darauf an, die
Aristokratie in Athen selbst und dann Sparta niederzuringen.

Für die bevorstehenden Kämpfe galt es natürlich in erster Reihe, unbe¬
dingte militärische Ueberlegenheit zu gewinnen. Zu deren Begründung gehörte
freie Verfügung über die Geldkräfte des Seehundes, und daher veranlaßte
Perikles die Uebertragung der delischen Bundeskasse nach Athen.
Im Jahre 460 war die Ueberführung dieses Schatzes von nahezu 3200 Ta¬
lenten (14'/2 Mill. Mary von Delos nach Athen eine vollbrachte Thatsache
und damit nicht nur die Bundeskasse vor einem Handstreiche der Perser ge¬
wahrt, sondern Athen auch äußerlich zum Mittelpunkte des Bundes erhoben.
-- Nun strebte Perikles nach einer Art permanenter Kriegsbereitschaft
zu Lande und zur See. Auf den schon bestehenden Grundlagen der allgemei¬
nen Wehrpflicht, der zweijährigen Uebungszeit und der 2Sjährigen Verpflichtung
zum aktiven Kriegsdienste wollte er es dahin bringen, daß auch im Frieden
Heer und Flotte jährlich 8 Mouate hindurch wenigstens theilweise zur Ver¬
fügung ständen, um durch fortgesetzte Uebungen ihre Kriegstüchtigkeit zu steigern.
Das war jedoch nur möglich, wenn die, für den ganzen panhellenischen Bund
gewissermaßen das stehende Heer bildende Bürgerschaft Attika's ein gewisses
Maß an Geldentschädigung empfing. Daher führte Perikles das sog. sera-


vielleicht als Athen, sich seinerseits nicht entschließen konnte, eine wirklich das
gemeinsame Interesse des Bundes berücksichtigende oder eine großhellenische
Politik zu treiben. Die Gesichtspunkte der spartanischen Politik waren und
blieben durchaus groß-lakedaimonische und ebeu deshalb geriethen sie in immer
tieferen Gegensatz zu deu Interesse» der einzelnen Bundesstädte. Mit diesem
Gegensatze verschwisterte sich dann derjenige der oligarchischen und der demo¬
kratischen Parteibewegnugen, und so lange der attische Seehund groß und
mächtig war, hatten die letzteren entschieden das Uebergewicht; Staat auf Staat
wendete sich von der starren Aristokratie Lakedaimons ab. Und nun empörten
sich auch uoch die verkncchteten Messenier gegen Sparta so daß sich dies, außer
Stande ihrer allein Herr zu werde«, gezwungen sah, Athen um Hilfe an-
zugehn. Auf Kimous Rath wurde dieselbe geleistet. Er selbst führte 4000
Hopliten nach dem Peloponnes. Aber als die Spartaner diese Truppen aus
engherzigen Mißtrauen wieder zurückschickten, wandte sich das attische Volk
von denen ab, die zu dem Hilfszuge gerathen; es steigerte die demokratischen
Institutionen des Staats, kündigte den hellenischen Bund und damit auch den
Namen der spartanischen Hegemonie auf und beschloß den Abschluß einer
neuen allgemeinen Einigung der Griechen. Aus dem betises-attischen Bunde
war das ätherische Reich hervorgegangen; dies aber wieder sollte, dem großen
Gedanken des Perikles zufolge, sich zu einer panhellenischen nationalen
Einheit erweitern. Um dies zu erreichen, kam es zunächst darauf an, die
Aristokratie in Athen selbst und dann Sparta niederzuringen.

Für die bevorstehenden Kämpfe galt es natürlich in erster Reihe, unbe¬
dingte militärische Ueberlegenheit zu gewinnen. Zu deren Begründung gehörte
freie Verfügung über die Geldkräfte des Seehundes, und daher veranlaßte
Perikles die Uebertragung der delischen Bundeskasse nach Athen.
Im Jahre 460 war die Ueberführung dieses Schatzes von nahezu 3200 Ta¬
lenten (14'/2 Mill. Mary von Delos nach Athen eine vollbrachte Thatsache
und damit nicht nur die Bundeskasse vor einem Handstreiche der Perser ge¬
wahrt, sondern Athen auch äußerlich zum Mittelpunkte des Bundes erhoben.
— Nun strebte Perikles nach einer Art permanenter Kriegsbereitschaft
zu Lande und zur See. Auf den schon bestehenden Grundlagen der allgemei¬
nen Wehrpflicht, der zweijährigen Uebungszeit und der 2Sjährigen Verpflichtung
zum aktiven Kriegsdienste wollte er es dahin bringen, daß auch im Frieden
Heer und Flotte jährlich 8 Mouate hindurch wenigstens theilweise zur Ver¬
fügung ständen, um durch fortgesetzte Uebungen ihre Kriegstüchtigkeit zu steigern.
Das war jedoch nur möglich, wenn die, für den ganzen panhellenischen Bund
gewissermaßen das stehende Heer bildende Bürgerschaft Attika's ein gewisses
Maß an Geldentschädigung empfing. Daher führte Perikles das sog. sera-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/211>, abgerufen am 08.06.2024.