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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Periöken zu vereinter Unterdrückung des Heilotenaufstandes verband, gab den
Anlaß zu einer Annäherung dieser beiden Stämme, die auch im Heerwesen
hervortritt. Endlich machte die beständige Abnahme der Zahl der Spartiaten
(-- zu des Aristoteles Zeit gab es ihrer überhaupt nur noch tausend --) es
ganz unmöglich, auch nur den ersten Lochos jeder Mora aus ihnen zusammen¬
zusetzen; sogar in diesem bilden daher schon bald Periöken die Masse, und nur
der Rahme besteht noch ans Spartiaten."')

Neben den Heeren Athens und Spartas spielen die der andern Staaten
nur Nebenrollen.

Im Peloponnes äußerten die Lakouen den entschiedensten Einfluß; sie
bestellten ihren Bundesgenossen sogar die Führer Menagen), und Athen riß
vollends innerhalb seiner Shmmachie alle Militärgewalt.an sich. Nur bei
einem der neutralen Staaten, bei Argos, kommt eine eigenthümliche Erschei¬
nung vor, nämlich eine Art stehenden Heeres, eine Elite von 1000 jungen
Bürgern, den reichsten und kräftigsten, welche ans Staatskosten in den Waffen
geübt und verpflegt wurden.

Ich kann auf den Gang des peloponnesischen Krieges nicht näher
eingehn. Der historische Gang desselben ist ja bekannt; die Schilderung der
einzelnen Kriegsereignisse würde zu weit führen und in eigentlich kriegskünst¬
lerisch er Hinsicht wenig Neues bieten. Man muß im Auge behalten, daß
der Krieg nur 18 Jahre nach dem Ende des persischen Krieges beginnt, selbst
aber 27 Jahre in ungeheuren Wechseln dcchinrollt. Die einander so aus¬
dauernd bekämpfenden Gegner stehn so ziemlich auf derselben Stufe der Kunst
und bilden sich, allmählich ihre Mittel verstärkend und verfeinernd, gegenseitig.
-- Der erste Abschnitt des Krieges (431-422) bringt die Einfälle der Spar¬
taner in Attika, die Belagerungen von Athen und Plataiai, das Treffen bei
Delium, dann das auf Sphakteria und endlich die Schlacht bei Amphipolis
auf der thrakisch-makedonischer Grenze, welche den vergeblichen Frieden des
Niklas herbeiführt. -- Der zweite Abschnitt gipfelt in der Schlacht bei Man-
tineia 418 und der Belagerung von Syrakus 414 und führt bis zur Nieder¬
lage der Athener auf Sizilien. Diese Unternehmung in die westliche Griechen¬
welt war das Unglück Athens. Perikles hatte die Machtstellung seiner Vater¬
stadt gesichert, indem er sich ans das aigaiische Meer, auf die östliche Griechenwelt
beschränkte; seine Nachfolger zerstörten sein Werk, indem sie über diese Grenzen
hinausschweiften. Wohl hatte jenes Auftreten im Westmeere etwas bestechend
Glänzendes; aber es kostete Athen 60,000 Menschen. Hätte man diese zu
einer großartigen Landung in Lcckonien verwendet, so ist es kaum zweifelhaft,



5) Riistow II, Kvchlh c>. it. O.

Periöken zu vereinter Unterdrückung des Heilotenaufstandes verband, gab den
Anlaß zu einer Annäherung dieser beiden Stämme, die auch im Heerwesen
hervortritt. Endlich machte die beständige Abnahme der Zahl der Spartiaten
(— zu des Aristoteles Zeit gab es ihrer überhaupt nur noch tausend —) es
ganz unmöglich, auch nur den ersten Lochos jeder Mora aus ihnen zusammen¬
zusetzen; sogar in diesem bilden daher schon bald Periöken die Masse, und nur
der Rahme besteht noch ans Spartiaten."')

Neben den Heeren Athens und Spartas spielen die der andern Staaten
nur Nebenrollen.

Im Peloponnes äußerten die Lakouen den entschiedensten Einfluß; sie
bestellten ihren Bundesgenossen sogar die Führer Menagen), und Athen riß
vollends innerhalb seiner Shmmachie alle Militärgewalt.an sich. Nur bei
einem der neutralen Staaten, bei Argos, kommt eine eigenthümliche Erschei¬
nung vor, nämlich eine Art stehenden Heeres, eine Elite von 1000 jungen
Bürgern, den reichsten und kräftigsten, welche ans Staatskosten in den Waffen
geübt und verpflegt wurden.

Ich kann auf den Gang des peloponnesischen Krieges nicht näher
eingehn. Der historische Gang desselben ist ja bekannt; die Schilderung der
einzelnen Kriegsereignisse würde zu weit führen und in eigentlich kriegskünst¬
lerisch er Hinsicht wenig Neues bieten. Man muß im Auge behalten, daß
der Krieg nur 18 Jahre nach dem Ende des persischen Krieges beginnt, selbst
aber 27 Jahre in ungeheuren Wechseln dcchinrollt. Die einander so aus¬
dauernd bekämpfenden Gegner stehn so ziemlich auf derselben Stufe der Kunst
und bilden sich, allmählich ihre Mittel verstärkend und verfeinernd, gegenseitig.
— Der erste Abschnitt des Krieges (431-422) bringt die Einfälle der Spar¬
taner in Attika, die Belagerungen von Athen und Plataiai, das Treffen bei
Delium, dann das auf Sphakteria und endlich die Schlacht bei Amphipolis
auf der thrakisch-makedonischer Grenze, welche den vergeblichen Frieden des
Niklas herbeiführt. — Der zweite Abschnitt gipfelt in der Schlacht bei Man-
tineia 418 und der Belagerung von Syrakus 414 und führt bis zur Nieder¬
lage der Athener auf Sizilien. Diese Unternehmung in die westliche Griechen¬
welt war das Unglück Athens. Perikles hatte die Machtstellung seiner Vater¬
stadt gesichert, indem er sich ans das aigaiische Meer, auf die östliche Griechenwelt
beschränkte; seine Nachfolger zerstörten sein Werk, indem sie über diese Grenzen
hinausschweiften. Wohl hatte jenes Auftreten im Westmeere etwas bestechend
Glänzendes; aber es kostete Athen 60,000 Menschen. Hätte man diese zu
einer großartigen Landung in Lcckonien verwendet, so ist es kaum zweifelhaft,



5) Riistow II, Kvchlh c>. it. O.
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[0216] Periöken zu vereinter Unterdrückung des Heilotenaufstandes verband, gab den Anlaß zu einer Annäherung dieser beiden Stämme, die auch im Heerwesen hervortritt. Endlich machte die beständige Abnahme der Zahl der Spartiaten (— zu des Aristoteles Zeit gab es ihrer überhaupt nur noch tausend —) es ganz unmöglich, auch nur den ersten Lochos jeder Mora aus ihnen zusammen¬ zusetzen; sogar in diesem bilden daher schon bald Periöken die Masse, und nur der Rahme besteht noch ans Spartiaten."') Neben den Heeren Athens und Spartas spielen die der andern Staaten nur Nebenrollen. Im Peloponnes äußerten die Lakouen den entschiedensten Einfluß; sie bestellten ihren Bundesgenossen sogar die Führer Menagen), und Athen riß vollends innerhalb seiner Shmmachie alle Militärgewalt.an sich. Nur bei einem der neutralen Staaten, bei Argos, kommt eine eigenthümliche Erschei¬ nung vor, nämlich eine Art stehenden Heeres, eine Elite von 1000 jungen Bürgern, den reichsten und kräftigsten, welche ans Staatskosten in den Waffen geübt und verpflegt wurden. Ich kann auf den Gang des peloponnesischen Krieges nicht näher eingehn. Der historische Gang desselben ist ja bekannt; die Schilderung der einzelnen Kriegsereignisse würde zu weit führen und in eigentlich kriegskünst¬ lerisch er Hinsicht wenig Neues bieten. Man muß im Auge behalten, daß der Krieg nur 18 Jahre nach dem Ende des persischen Krieges beginnt, selbst aber 27 Jahre in ungeheuren Wechseln dcchinrollt. Die einander so aus¬ dauernd bekämpfenden Gegner stehn so ziemlich auf derselben Stufe der Kunst und bilden sich, allmählich ihre Mittel verstärkend und verfeinernd, gegenseitig. — Der erste Abschnitt des Krieges (431-422) bringt die Einfälle der Spar¬ taner in Attika, die Belagerungen von Athen und Plataiai, das Treffen bei Delium, dann das auf Sphakteria und endlich die Schlacht bei Amphipolis auf der thrakisch-makedonischer Grenze, welche den vergeblichen Frieden des Niklas herbeiführt. — Der zweite Abschnitt gipfelt in der Schlacht bei Man- tineia 418 und der Belagerung von Syrakus 414 und führt bis zur Nieder¬ lage der Athener auf Sizilien. Diese Unternehmung in die westliche Griechen¬ welt war das Unglück Athens. Perikles hatte die Machtstellung seiner Vater¬ stadt gesichert, indem er sich ans das aigaiische Meer, auf die östliche Griechenwelt beschränkte; seine Nachfolger zerstörten sein Werk, indem sie über diese Grenzen hinausschweiften. Wohl hatte jenes Auftreten im Westmeere etwas bestechend Glänzendes; aber es kostete Athen 60,000 Menschen. Hätte man diese zu einer großartigen Landung in Lcckonien verwendet, so ist es kaum zweifelhaft, 5) Riistow II, Kvchlh c>. it. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/216>, abgerufen am 10.06.2024.