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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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keit da zu denken, wo sich eine Erscheinung aus der gesetzmäßigen Wirkung
natürlicher Ursachen erklären lasse, denn in diesem Falle sei das Eingreifen
derselben nicht blos überflüssig, sondern störend, eine Durchbrechung des Na-
tnrzusammenhanges. Nichts dürfe auf eine von der Naturnothwendigkeit ver¬
schiedene Zweckthätigkeit zurückgeführt werden. Indessen seien diese letzten Ur¬
sachen keineswegs als mechanische zu denken, sondern, da ihre Wirkungen das
Leben, das Bewußtsein, die Vernunft seien, vielmehr als Thätigkeiten der
absoluten Vernunft. Für diese sei, daß das Vernünftige geschehe, absolute
Nothwendigkeit. Und weil aus der einen unendlichen Ursache, welche die ab¬
solute Vernunft ist, alles hervorgehe, und die Naturgesetze nur die Wirkungs¬
weise derselben darstellen, so müsse das so Entstehende als ein in allen Theilen
zusammen stimmendes Ganzes, als eine mit absoluter Zweckmäßigkeit eingerich¬
tete Welt sich gestalten. Eine äußere Zweckbeziehung widerspreche allerdings
der Natur einer unendlichen Ursache, dagegen dürfe man von ihrer inneren
oder immanenten Zweckdienlichkeit reden, um die absolute Nothwendigkeit und
Vollkommenheit ihrer Erzeugnisse zu bezeichnen.

Wir können zu dem abschließenden Ergebniß, in welches diese Abhand¬
lung ausläuft, nicht unsere Zustimmung geben; weniger, weil wir das, was
es behauptet, anfechten müssen, als vielmehr, weil dasselbe so unbestimmt ist,
daß es entgegengesetzten Deutungen unterliegt. Ohne Zweifel ist es uns un¬
möglich, eine adäquate Vorstellung von der Thätigkeit des Absoluten zu ge¬
winnen, durch welche diese Welt entstanden ist; und zu Bildern, um sie un¬
serem Verständniß näher zu bringen, werden wir immer greifen müssen. Zeller
mißbilligt es, daß das zweckthätige Handeln des Menschen hiezu gedient hat;
aber scheint es nicht, als ob er das Walten der bewußtlosen Natur gewählt
habe, um diese Aufgabe zu lösen, und ist dieses Gleichniß nicht viel weniger
geeignet als jenes? Das, worauf es der teleologischen Auffassung ankommt,
ist durch die Erörterungen Zelters keineswegs widerlegt, ja nicht einmal be¬
rührt; es ist ihr ja gleichgiltig, ob in dem Absoluten die Aufeinanderfolge
der Akte stattfindet, an welche das zweckthätige Handeln bei uns geknüpft ist,
desto zuversichtlicher aber hält sie daran fest, daß die Welt durch das be¬
wußte Wollen Gottes entstanden ist; daß dieses vielgestaltige Ganze ein
System darstellt, dessen Gliedern abgestufte Werthe eignen; daß endlich dem
Sein der Dinge und dem Lauf der Welt ein Sinn und eine Bedeutung ein¬
wohnt, die dem menschlichen Auge nur als ein göttlicher Plan erscheinen
kann. Das ist der eigentliche Inhalt der teleologischen Weltanschauung, und
ihn hat Zeller weder erschüttert, noch für ihn einen befriedigenden Erfolg
geleistet.

Ebenso wenig wie mit dieser religionsphilvsophischen Abhandlung ist es


keit da zu denken, wo sich eine Erscheinung aus der gesetzmäßigen Wirkung
natürlicher Ursachen erklären lasse, denn in diesem Falle sei das Eingreifen
derselben nicht blos überflüssig, sondern störend, eine Durchbrechung des Na-
tnrzusammenhanges. Nichts dürfe auf eine von der Naturnothwendigkeit ver¬
schiedene Zweckthätigkeit zurückgeführt werden. Indessen seien diese letzten Ur¬
sachen keineswegs als mechanische zu denken, sondern, da ihre Wirkungen das
Leben, das Bewußtsein, die Vernunft seien, vielmehr als Thätigkeiten der
absoluten Vernunft. Für diese sei, daß das Vernünftige geschehe, absolute
Nothwendigkeit. Und weil aus der einen unendlichen Ursache, welche die ab¬
solute Vernunft ist, alles hervorgehe, und die Naturgesetze nur die Wirkungs¬
weise derselben darstellen, so müsse das so Entstehende als ein in allen Theilen
zusammen stimmendes Ganzes, als eine mit absoluter Zweckmäßigkeit eingerich¬
tete Welt sich gestalten. Eine äußere Zweckbeziehung widerspreche allerdings
der Natur einer unendlichen Ursache, dagegen dürfe man von ihrer inneren
oder immanenten Zweckdienlichkeit reden, um die absolute Nothwendigkeit und
Vollkommenheit ihrer Erzeugnisse zu bezeichnen.

Wir können zu dem abschließenden Ergebniß, in welches diese Abhand¬
lung ausläuft, nicht unsere Zustimmung geben; weniger, weil wir das, was
es behauptet, anfechten müssen, als vielmehr, weil dasselbe so unbestimmt ist,
daß es entgegengesetzten Deutungen unterliegt. Ohne Zweifel ist es uns un¬
möglich, eine adäquate Vorstellung von der Thätigkeit des Absoluten zu ge¬
winnen, durch welche diese Welt entstanden ist; und zu Bildern, um sie un¬
serem Verständniß näher zu bringen, werden wir immer greifen müssen. Zeller
mißbilligt es, daß das zweckthätige Handeln des Menschen hiezu gedient hat;
aber scheint es nicht, als ob er das Walten der bewußtlosen Natur gewählt
habe, um diese Aufgabe zu lösen, und ist dieses Gleichniß nicht viel weniger
geeignet als jenes? Das, worauf es der teleologischen Auffassung ankommt,
ist durch die Erörterungen Zelters keineswegs widerlegt, ja nicht einmal be¬
rührt; es ist ihr ja gleichgiltig, ob in dem Absoluten die Aufeinanderfolge
der Akte stattfindet, an welche das zweckthätige Handeln bei uns geknüpft ist,
desto zuversichtlicher aber hält sie daran fest, daß die Welt durch das be¬
wußte Wollen Gottes entstanden ist; daß dieses vielgestaltige Ganze ein
System darstellt, dessen Gliedern abgestufte Werthe eignen; daß endlich dem
Sein der Dinge und dem Lauf der Welt ein Sinn und eine Bedeutung ein¬
wohnt, die dem menschlichen Auge nur als ein göttlicher Plan erscheinen
kann. Das ist der eigentliche Inhalt der teleologischen Weltanschauung, und
ihn hat Zeller weder erschüttert, noch für ihn einen befriedigenden Erfolg
geleistet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/229>, abgerufen am 20.09.2024.