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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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wir wieder im Gange waren, las ich ihm sehr erbittert eine scharfe Lektion
über seine Treulosigkeit, und führte ihm ans, daß wenn man nach Freiheit
Verlangen trage, man sich nicht durch Falschheit würdig machen dürfe, von
den Türken geprügelt zu werden, und daß man wenig Gutes verdiene, wenn
man denen, welche sich gütig und wohlwollend gegen einen benähmen, mit
Undank lohne. Dies half indessen nicht viel, das Murren und Betteln, ihn
zu entlassen, nahm kein Ende und als wir bei der Skala von Lithochori an¬
kamen, wollte er mir vorlügen, hier sei Katrina; doch hatte ich mich bereits
besser erkundigt und wies ihm den Weg, so daß wir denn endlich mit Mühe
und Noth in dem ersehnten Katrina ankamen. Als wir den etwa '/z Stunde
weiter liegenden Landungsplatz erreichten, und ich bei einem Holzhaufen am
Strande mein Gepäck deponirt hatte, war mein Saecharos wieder ganz ver¬
wandelt, denn es galt jetzt ein Trinkgeld zu bekommen, um das er in der de-
müthigsten und servilsten Weise bettelte. Wie ein Wurm sich krümmend, um¬
armte er mir Brust und Schultern, indem er rief: "Ich habe gefehlt, ich weiß
es, möge es Dir, meinem Herrn, wohl ergehen!" So ließ ich mich denn er¬
weichen, und gab ihm noch 100 Piaster, so daß er ganz zufrieden und mit
den besten Segenswünschen von mir schied. Ich hatte mich übrigens im All¬
gemeinen auf unsrer Reise nicht über ihn zu beklagen gehabt, da er zwar immer
trotzte und opponirte, aber doch immer schließlich that, was ich haben wollte.

Ich fand an der Landungsstelle eins von den kleinen Schissen, die von
hier Holz nach Thessalonich bringen, reisefertig und wir segelten auch sogleich
ab, da ein türkischer Aga, ein Beamter des Pascha von Thessalonich, zur
Abreise drängte. Dieser war ein unförmlich fetter, dazu noch aufgeblasener
Mensch von der unangenehmen türkischen Spezies -- denn es giebt auch eine
ganz vortreffliche und sehr angenehme -- die sich durch große Unverschämtheit
auszeichnet. Er eignete sich ohne Weiteres das beste von den Gerichten an,
die aus gelegentlich von mir geschossenen Wildpret bereitet wurden, und wollte
eigentlich Alles für sich haben, so daß ich nicht umhinkonnte, mich ganz laut
darüber auszulassen. Er erwiderte nichts darauf, besserte sich aber auch nicht.
Eine Reise auf einem solchen mit Holz (Knüppeln und Faßtauben) beladenen
Schiffe gewährt übrigens sehr geringe Bequemlichkeiten, denn da es unmöglich ist,
sich unter Deck aufzuhalten, wegen des unerträglichen Gestanks dort unten und
noch schlimmerer Jnkonvenienzen, so ist man gezwungen, oben auf dem Holz¬
stöße wie auf Latten zu liegen oder zu sitzen, und fühlt dessen Unebenheiten
sehr, da man keine Matratzen oder Kissen zur Unterlage mit sich führen kann:
und wenn es regnet -- so wird man eben naß. Die Reise ging noch dazu
diesmal sehr langsam von Statten, da wir beinahe immer mit konträrem Winde
kämpfen mußten. Zwei Nächte wurde an der Ostküste des Golfs von Thessa-


wir wieder im Gange waren, las ich ihm sehr erbittert eine scharfe Lektion
über seine Treulosigkeit, und führte ihm ans, daß wenn man nach Freiheit
Verlangen trage, man sich nicht durch Falschheit würdig machen dürfe, von
den Türken geprügelt zu werden, und daß man wenig Gutes verdiene, wenn
man denen, welche sich gütig und wohlwollend gegen einen benähmen, mit
Undank lohne. Dies half indessen nicht viel, das Murren und Betteln, ihn
zu entlassen, nahm kein Ende und als wir bei der Skala von Lithochori an¬
kamen, wollte er mir vorlügen, hier sei Katrina; doch hatte ich mich bereits
besser erkundigt und wies ihm den Weg, so daß wir denn endlich mit Mühe
und Noth in dem ersehnten Katrina ankamen. Als wir den etwa '/z Stunde
weiter liegenden Landungsplatz erreichten, und ich bei einem Holzhaufen am
Strande mein Gepäck deponirt hatte, war mein Saecharos wieder ganz ver¬
wandelt, denn es galt jetzt ein Trinkgeld zu bekommen, um das er in der de-
müthigsten und servilsten Weise bettelte. Wie ein Wurm sich krümmend, um¬
armte er mir Brust und Schultern, indem er rief: „Ich habe gefehlt, ich weiß
es, möge es Dir, meinem Herrn, wohl ergehen!" So ließ ich mich denn er¬
weichen, und gab ihm noch 100 Piaster, so daß er ganz zufrieden und mit
den besten Segenswünschen von mir schied. Ich hatte mich übrigens im All¬
gemeinen auf unsrer Reise nicht über ihn zu beklagen gehabt, da er zwar immer
trotzte und opponirte, aber doch immer schließlich that, was ich haben wollte.

Ich fand an der Landungsstelle eins von den kleinen Schissen, die von
hier Holz nach Thessalonich bringen, reisefertig und wir segelten auch sogleich
ab, da ein türkischer Aga, ein Beamter des Pascha von Thessalonich, zur
Abreise drängte. Dieser war ein unförmlich fetter, dazu noch aufgeblasener
Mensch von der unangenehmen türkischen Spezies — denn es giebt auch eine
ganz vortreffliche und sehr angenehme — die sich durch große Unverschämtheit
auszeichnet. Er eignete sich ohne Weiteres das beste von den Gerichten an,
die aus gelegentlich von mir geschossenen Wildpret bereitet wurden, und wollte
eigentlich Alles für sich haben, so daß ich nicht umhinkonnte, mich ganz laut
darüber auszulassen. Er erwiderte nichts darauf, besserte sich aber auch nicht.
Eine Reise auf einem solchen mit Holz (Knüppeln und Faßtauben) beladenen
Schiffe gewährt übrigens sehr geringe Bequemlichkeiten, denn da es unmöglich ist,
sich unter Deck aufzuhalten, wegen des unerträglichen Gestanks dort unten und
noch schlimmerer Jnkonvenienzen, so ist man gezwungen, oben auf dem Holz¬
stöße wie auf Latten zu liegen oder zu sitzen, und fühlt dessen Unebenheiten
sehr, da man keine Matratzen oder Kissen zur Unterlage mit sich führen kann:
und wenn es regnet — so wird man eben naß. Die Reise ging noch dazu
diesmal sehr langsam von Statten, da wir beinahe immer mit konträrem Winde
kämpfen mußten. Zwei Nächte wurde an der Ostküste des Golfs von Thessa-


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[0284] wir wieder im Gange waren, las ich ihm sehr erbittert eine scharfe Lektion über seine Treulosigkeit, und führte ihm ans, daß wenn man nach Freiheit Verlangen trage, man sich nicht durch Falschheit würdig machen dürfe, von den Türken geprügelt zu werden, und daß man wenig Gutes verdiene, wenn man denen, welche sich gütig und wohlwollend gegen einen benähmen, mit Undank lohne. Dies half indessen nicht viel, das Murren und Betteln, ihn zu entlassen, nahm kein Ende und als wir bei der Skala von Lithochori an¬ kamen, wollte er mir vorlügen, hier sei Katrina; doch hatte ich mich bereits besser erkundigt und wies ihm den Weg, so daß wir denn endlich mit Mühe und Noth in dem ersehnten Katrina ankamen. Als wir den etwa '/z Stunde weiter liegenden Landungsplatz erreichten, und ich bei einem Holzhaufen am Strande mein Gepäck deponirt hatte, war mein Saecharos wieder ganz ver¬ wandelt, denn es galt jetzt ein Trinkgeld zu bekommen, um das er in der de- müthigsten und servilsten Weise bettelte. Wie ein Wurm sich krümmend, um¬ armte er mir Brust und Schultern, indem er rief: „Ich habe gefehlt, ich weiß es, möge es Dir, meinem Herrn, wohl ergehen!" So ließ ich mich denn er¬ weichen, und gab ihm noch 100 Piaster, so daß er ganz zufrieden und mit den besten Segenswünschen von mir schied. Ich hatte mich übrigens im All¬ gemeinen auf unsrer Reise nicht über ihn zu beklagen gehabt, da er zwar immer trotzte und opponirte, aber doch immer schließlich that, was ich haben wollte. Ich fand an der Landungsstelle eins von den kleinen Schissen, die von hier Holz nach Thessalonich bringen, reisefertig und wir segelten auch sogleich ab, da ein türkischer Aga, ein Beamter des Pascha von Thessalonich, zur Abreise drängte. Dieser war ein unförmlich fetter, dazu noch aufgeblasener Mensch von der unangenehmen türkischen Spezies — denn es giebt auch eine ganz vortreffliche und sehr angenehme — die sich durch große Unverschämtheit auszeichnet. Er eignete sich ohne Weiteres das beste von den Gerichten an, die aus gelegentlich von mir geschossenen Wildpret bereitet wurden, und wollte eigentlich Alles für sich haben, so daß ich nicht umhinkonnte, mich ganz laut darüber auszulassen. Er erwiderte nichts darauf, besserte sich aber auch nicht. Eine Reise auf einem solchen mit Holz (Knüppeln und Faßtauben) beladenen Schiffe gewährt übrigens sehr geringe Bequemlichkeiten, denn da es unmöglich ist, sich unter Deck aufzuhalten, wegen des unerträglichen Gestanks dort unten und noch schlimmerer Jnkonvenienzen, so ist man gezwungen, oben auf dem Holz¬ stöße wie auf Latten zu liegen oder zu sitzen, und fühlt dessen Unebenheiten sehr, da man keine Matratzen oder Kissen zur Unterlage mit sich führen kann: und wenn es regnet — so wird man eben naß. Die Reise ging noch dazu diesmal sehr langsam von Statten, da wir beinahe immer mit konträrem Winde kämpfen mußten. Zwei Nächte wurde an der Ostküste des Golfs von Thessa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/284>, abgerufen am 15.05.2024.