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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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sind ganz ähnliche Platten gefunden worden. Dort fand man sie an den Wän¬
den des Felsengrabes, und aus deutlichen Spuren ließ sich erkennen, daß an
den Wänden Kleider aufgehängt, daß diese im Laufe der Zeit in Staub und
die Goldbleche auf die Erde gefallen waren. In den Gräbern zu Mykenae
mag das Feuer -- immer die Richtigkeit der Schliemann'schen Mittheilungen
vorausgesetzt! -- noch dem Zahne der Zeit zuvorgekommen sein.

Die ältesten assyrischen Monumente reichen nicht über das Jahr 1000
hinaus, während die jüngeren, die in den Ruinen von Khorsabad und Kuijund-
schuck gefundenen, bis auf das Jahr 700 zurückgehen. Mit diesen Bestim¬
mungen ist zugleich die Zeitgrenze angegeben, in welche die mykenäischen Grä¬
ber zu setzen sind. Der Zusammenhang der in ihnen gefundenen Schmucksachen
mit denen der Assyrier, die sich einer sehr frühzeitig ausgebildeten Gold¬
schmiedekunst erfreuten, ist unzweifelhaft. Denn die Kultur ging von Osten
nach Westen.

Wie aber sind die Hellenen des homerischen Zeitalters mit den Produkten
der assyrischen Goldschmiedekunst bekannt geworden? Professor Köhler hat
in einer zur Feier des Geburtstags Winkelmanns im archäologischen Institut
zu Athen abgehaltenen Sitzung die Vermuthung aufgestellt, daß die mykenäischen
Gräber karischen Ursprungs wären. Die Karer, ein barbarischer, aus
Asien eingewanderter Stamm, bevölkerten gegen das Ende des 12. Jahrhun¬
derts v. Chr. die Inseln des Aegäischen Meeres. Sie gewannen nicht nur
die Seeherrschaft über den ganzen Archivelagos, sondern gründeten auch an
den Küstenstrichen von Griechenland zahlreiche Kolonien. Das Symbol des
karischen Gottes, die Doppelaxt, findet sich wirklich auch auf den mykenäischen
Schmucksachen abgebildet. Ferner stimmen die zahlreichen Waffenfunde in den
Gräbern von Mykenae mit den Angaben des Thucydides, welcher berichtet,
daß die Karer ihre Todten mit den Waffen zu bestatten pflegten, eine Sitte,
die uns z. B. aus den homerischen Gesängen bei der Bestattung der Leiche
des Patroklos nicht bekannt ist. Köhler setzt demnach das Alter der mykenäi¬
schen Gräber in die Zeit, welche zwischen dem zwölften und zehnten Jahrhun¬
dert liegt. In einer so grauen Vorzeit fallen ein paar Säcula mehr oder
weniger nicht ins Gewicht.

Die ältesten Ueberlieferungen der Griechen wissen von seefahrenden, han¬
deltreibenden und kunsterfahrenen Stämmen zu berichten, welche Herodot unter
dem Namen der Phönizier zusammenfaßt. Bald hießen diese Stämme Karer,
bald Kureten, Leleger, Pelasger, je nach örtlichen Traditionen oder nach zeit¬
lichen Bestimmungen. Ludwig Roß, Raoul Rochette und Julius Braun haben,
wie Lindenschmit g, xroxos erinnert hat, die Ansicht verfochten, daß die Phö¬
nizier Herodots mit jenen Stämmen identisch sind. Wir glauben, daß die


sind ganz ähnliche Platten gefunden worden. Dort fand man sie an den Wän¬
den des Felsengrabes, und aus deutlichen Spuren ließ sich erkennen, daß an
den Wänden Kleider aufgehängt, daß diese im Laufe der Zeit in Staub und
die Goldbleche auf die Erde gefallen waren. In den Gräbern zu Mykenae
mag das Feuer — immer die Richtigkeit der Schliemann'schen Mittheilungen
vorausgesetzt! — noch dem Zahne der Zeit zuvorgekommen sein.

Die ältesten assyrischen Monumente reichen nicht über das Jahr 1000
hinaus, während die jüngeren, die in den Ruinen von Khorsabad und Kuijund-
schuck gefundenen, bis auf das Jahr 700 zurückgehen. Mit diesen Bestim¬
mungen ist zugleich die Zeitgrenze angegeben, in welche die mykenäischen Grä¬
ber zu setzen sind. Der Zusammenhang der in ihnen gefundenen Schmucksachen
mit denen der Assyrier, die sich einer sehr frühzeitig ausgebildeten Gold¬
schmiedekunst erfreuten, ist unzweifelhaft. Denn die Kultur ging von Osten
nach Westen.

Wie aber sind die Hellenen des homerischen Zeitalters mit den Produkten
der assyrischen Goldschmiedekunst bekannt geworden? Professor Köhler hat
in einer zur Feier des Geburtstags Winkelmanns im archäologischen Institut
zu Athen abgehaltenen Sitzung die Vermuthung aufgestellt, daß die mykenäischen
Gräber karischen Ursprungs wären. Die Karer, ein barbarischer, aus
Asien eingewanderter Stamm, bevölkerten gegen das Ende des 12. Jahrhun¬
derts v. Chr. die Inseln des Aegäischen Meeres. Sie gewannen nicht nur
die Seeherrschaft über den ganzen Archivelagos, sondern gründeten auch an
den Küstenstrichen von Griechenland zahlreiche Kolonien. Das Symbol des
karischen Gottes, die Doppelaxt, findet sich wirklich auch auf den mykenäischen
Schmucksachen abgebildet. Ferner stimmen die zahlreichen Waffenfunde in den
Gräbern von Mykenae mit den Angaben des Thucydides, welcher berichtet,
daß die Karer ihre Todten mit den Waffen zu bestatten pflegten, eine Sitte,
die uns z. B. aus den homerischen Gesängen bei der Bestattung der Leiche
des Patroklos nicht bekannt ist. Köhler setzt demnach das Alter der mykenäi¬
schen Gräber in die Zeit, welche zwischen dem zwölften und zehnten Jahrhun¬
dert liegt. In einer so grauen Vorzeit fallen ein paar Säcula mehr oder
weniger nicht ins Gewicht.

Die ältesten Ueberlieferungen der Griechen wissen von seefahrenden, han¬
deltreibenden und kunsterfahrenen Stämmen zu berichten, welche Herodot unter
dem Namen der Phönizier zusammenfaßt. Bald hießen diese Stämme Karer,
bald Kureten, Leleger, Pelasger, je nach örtlichen Traditionen oder nach zeit¬
lichen Bestimmungen. Ludwig Roß, Raoul Rochette und Julius Braun haben,
wie Lindenschmit g, xroxos erinnert hat, die Ansicht verfochten, daß die Phö¬
nizier Herodots mit jenen Stämmen identisch sind. Wir glauben, daß die


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[0301] sind ganz ähnliche Platten gefunden worden. Dort fand man sie an den Wän¬ den des Felsengrabes, und aus deutlichen Spuren ließ sich erkennen, daß an den Wänden Kleider aufgehängt, daß diese im Laufe der Zeit in Staub und die Goldbleche auf die Erde gefallen waren. In den Gräbern zu Mykenae mag das Feuer — immer die Richtigkeit der Schliemann'schen Mittheilungen vorausgesetzt! — noch dem Zahne der Zeit zuvorgekommen sein. Die ältesten assyrischen Monumente reichen nicht über das Jahr 1000 hinaus, während die jüngeren, die in den Ruinen von Khorsabad und Kuijund- schuck gefundenen, bis auf das Jahr 700 zurückgehen. Mit diesen Bestim¬ mungen ist zugleich die Zeitgrenze angegeben, in welche die mykenäischen Grä¬ ber zu setzen sind. Der Zusammenhang der in ihnen gefundenen Schmucksachen mit denen der Assyrier, die sich einer sehr frühzeitig ausgebildeten Gold¬ schmiedekunst erfreuten, ist unzweifelhaft. Denn die Kultur ging von Osten nach Westen. Wie aber sind die Hellenen des homerischen Zeitalters mit den Produkten der assyrischen Goldschmiedekunst bekannt geworden? Professor Köhler hat in einer zur Feier des Geburtstags Winkelmanns im archäologischen Institut zu Athen abgehaltenen Sitzung die Vermuthung aufgestellt, daß die mykenäischen Gräber karischen Ursprungs wären. Die Karer, ein barbarischer, aus Asien eingewanderter Stamm, bevölkerten gegen das Ende des 12. Jahrhun¬ derts v. Chr. die Inseln des Aegäischen Meeres. Sie gewannen nicht nur die Seeherrschaft über den ganzen Archivelagos, sondern gründeten auch an den Küstenstrichen von Griechenland zahlreiche Kolonien. Das Symbol des karischen Gottes, die Doppelaxt, findet sich wirklich auch auf den mykenäischen Schmucksachen abgebildet. Ferner stimmen die zahlreichen Waffenfunde in den Gräbern von Mykenae mit den Angaben des Thucydides, welcher berichtet, daß die Karer ihre Todten mit den Waffen zu bestatten pflegten, eine Sitte, die uns z. B. aus den homerischen Gesängen bei der Bestattung der Leiche des Patroklos nicht bekannt ist. Köhler setzt demnach das Alter der mykenäi¬ schen Gräber in die Zeit, welche zwischen dem zwölften und zehnten Jahrhun¬ dert liegt. In einer so grauen Vorzeit fallen ein paar Säcula mehr oder weniger nicht ins Gewicht. Die ältesten Ueberlieferungen der Griechen wissen von seefahrenden, han¬ deltreibenden und kunsterfahrenen Stämmen zu berichten, welche Herodot unter dem Namen der Phönizier zusammenfaßt. Bald hießen diese Stämme Karer, bald Kureten, Leleger, Pelasger, je nach örtlichen Traditionen oder nach zeit¬ lichen Bestimmungen. Ludwig Roß, Raoul Rochette und Julius Braun haben, wie Lindenschmit g, xroxos erinnert hat, die Ansicht verfochten, daß die Phö¬ nizier Herodots mit jenen Stämmen identisch sind. Wir glauben, daß die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/301>, abgerufen am 29.05.2024.