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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Gegnern gegen Schön ins Treffen geführten Beispiele verwandeln sich bei
schärferer Betrachtung in Zeugnisse seiner einsichtigen und zweckentsprechenden
Behandlung der ihm gestellten Aufgabe.

Man könnte auch nicht sagen, daß der Vorschlag, den die Denkschrift an
Stelle des Schön'schen Verfahrens setzen will, ein richtigerer oder angemessenerer
wäre. Demnach sollten zwei Drittel der verfügbaren drei Millionen zur
Amortisation der gesammten Pfandbriefschuld verwendet werden, in der Weise,
daß jedem einzelnen Besitzer ein Zehntel seiner Schuld gutgeschrieben, er aber nichts¬
destoweniger jährlich die bisher gezählten Zinsen weiter zahle u. s. w. Nun aber
waren die damaligen Besitzer gerade deshalb in so ungünstige Lage gekommen
und mußten subhastirt werden, weil sie die Zinsen der bereits kontrahirten
Schulden zu zahlen nicht vermochten; wie hätten sie jetzt alle im Stande sein
sollen, die alten Summen zu zahlen? Der Vorschlag der Denkschrift halte also
nur denjenigen wirklich geholfen, welche auch ohne die staatliche Hülfe im
Besitz ihrer Güter sich zu behaupten vermochten.

An einer andern Stelle macht die Denkschrift ein beachtenswertes Zuge-
geständniß; sie erwühut, die neuen Besitzer der verkauften Güter hätten bei
mäßiger Industrie bisweilen 10 Prozent Rente aus ihrem Besitze gezogen.
Also dieselben Güter, aus welchen die alten Besitzer nicht einmal die Zinsen
der Pfaudbriefschuld (d. h. 4--ü Prozent) herausgewirthschaftet, sollen den
neuen Besitzern 10 Prozent eingebracht haben! Nur in dem Falle ist dies
möglich, wenn der alte Besitzer schlecht, der neue aber gut gewirthschaftet; und
dann war es richtig, dem alten Besitzer die staatliche Subvention zu verweigern.
Von welcher Seite man auch die Sache ansehen mag, es handelt sich immer
um das leitende Prinzip, daß nur der tüchtige Gutsbesitzer, der selbst Land¬
wirth war, mit der Staatshülfe bedacht werden durfte. Schön hat mit Recht
an diesem Gedanken festgehalten; der Erfolg spricht für die Richtigkeit seines
Verfahrens.

Schön ging von dem Wunsche aus, die Leistungsfähigkeit, Intelligenz und
Energie der Landwirthe zu heben und zu fördern; er bemühte sich zu diesem
Zwecke fremdes Kapital und fremde Intelligenz in die Provinz zu ziehen.
Ihm lag weniger daran, daß ein Theil der alten Besitzer seine Güter verlor;
dies Uebel wog ihm nicht schwer, und man muß sagen, so hart auch Einzelne
betroffen werden mochten, für das Ganze der Provinz hat Schön's Prinzip die
größten Vortheile gehabt. Die aus allen Theilen Deutschlands nach Preußen
eingewanderten Landwirthe haben in der preußischen Landwirthschaft einen
ungemeinen Aufschwung gewirkt; sie wurden die Lehrer der einheimischen
Landwirthe; ihre Konkurrenz trug zur Steigerung der Güterpreise wesentlich


Gegnern gegen Schön ins Treffen geführten Beispiele verwandeln sich bei
schärferer Betrachtung in Zeugnisse seiner einsichtigen und zweckentsprechenden
Behandlung der ihm gestellten Aufgabe.

Man könnte auch nicht sagen, daß der Vorschlag, den die Denkschrift an
Stelle des Schön'schen Verfahrens setzen will, ein richtigerer oder angemessenerer
wäre. Demnach sollten zwei Drittel der verfügbaren drei Millionen zur
Amortisation der gesammten Pfandbriefschuld verwendet werden, in der Weise,
daß jedem einzelnen Besitzer ein Zehntel seiner Schuld gutgeschrieben, er aber nichts¬
destoweniger jährlich die bisher gezählten Zinsen weiter zahle u. s. w. Nun aber
waren die damaligen Besitzer gerade deshalb in so ungünstige Lage gekommen
und mußten subhastirt werden, weil sie die Zinsen der bereits kontrahirten
Schulden zu zahlen nicht vermochten; wie hätten sie jetzt alle im Stande sein
sollen, die alten Summen zu zahlen? Der Vorschlag der Denkschrift halte also
nur denjenigen wirklich geholfen, welche auch ohne die staatliche Hülfe im
Besitz ihrer Güter sich zu behaupten vermochten.

An einer andern Stelle macht die Denkschrift ein beachtenswertes Zuge-
geständniß; sie erwühut, die neuen Besitzer der verkauften Güter hätten bei
mäßiger Industrie bisweilen 10 Prozent Rente aus ihrem Besitze gezogen.
Also dieselben Güter, aus welchen die alten Besitzer nicht einmal die Zinsen
der Pfaudbriefschuld (d. h. 4—ü Prozent) herausgewirthschaftet, sollen den
neuen Besitzern 10 Prozent eingebracht haben! Nur in dem Falle ist dies
möglich, wenn der alte Besitzer schlecht, der neue aber gut gewirthschaftet; und
dann war es richtig, dem alten Besitzer die staatliche Subvention zu verweigern.
Von welcher Seite man auch die Sache ansehen mag, es handelt sich immer
um das leitende Prinzip, daß nur der tüchtige Gutsbesitzer, der selbst Land¬
wirth war, mit der Staatshülfe bedacht werden durfte. Schön hat mit Recht
an diesem Gedanken festgehalten; der Erfolg spricht für die Richtigkeit seines
Verfahrens.

Schön ging von dem Wunsche aus, die Leistungsfähigkeit, Intelligenz und
Energie der Landwirthe zu heben und zu fördern; er bemühte sich zu diesem
Zwecke fremdes Kapital und fremde Intelligenz in die Provinz zu ziehen.
Ihm lag weniger daran, daß ein Theil der alten Besitzer seine Güter verlor;
dies Uebel wog ihm nicht schwer, und man muß sagen, so hart auch Einzelne
betroffen werden mochten, für das Ganze der Provinz hat Schön's Prinzip die
größten Vortheile gehabt. Die aus allen Theilen Deutschlands nach Preußen
eingewanderten Landwirthe haben in der preußischen Landwirthschaft einen
ungemeinen Aufschwung gewirkt; sie wurden die Lehrer der einheimischen
Landwirthe; ihre Konkurrenz trug zur Steigerung der Güterpreise wesentlich


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[0032] Gegnern gegen Schön ins Treffen geführten Beispiele verwandeln sich bei schärferer Betrachtung in Zeugnisse seiner einsichtigen und zweckentsprechenden Behandlung der ihm gestellten Aufgabe. Man könnte auch nicht sagen, daß der Vorschlag, den die Denkschrift an Stelle des Schön'schen Verfahrens setzen will, ein richtigerer oder angemessenerer wäre. Demnach sollten zwei Drittel der verfügbaren drei Millionen zur Amortisation der gesammten Pfandbriefschuld verwendet werden, in der Weise, daß jedem einzelnen Besitzer ein Zehntel seiner Schuld gutgeschrieben, er aber nichts¬ destoweniger jährlich die bisher gezählten Zinsen weiter zahle u. s. w. Nun aber waren die damaligen Besitzer gerade deshalb in so ungünstige Lage gekommen und mußten subhastirt werden, weil sie die Zinsen der bereits kontrahirten Schulden zu zahlen nicht vermochten; wie hätten sie jetzt alle im Stande sein sollen, die alten Summen zu zahlen? Der Vorschlag der Denkschrift halte also nur denjenigen wirklich geholfen, welche auch ohne die staatliche Hülfe im Besitz ihrer Güter sich zu behaupten vermochten. An einer andern Stelle macht die Denkschrift ein beachtenswertes Zuge- geständniß; sie erwühut, die neuen Besitzer der verkauften Güter hätten bei mäßiger Industrie bisweilen 10 Prozent Rente aus ihrem Besitze gezogen. Also dieselben Güter, aus welchen die alten Besitzer nicht einmal die Zinsen der Pfaudbriefschuld (d. h. 4—ü Prozent) herausgewirthschaftet, sollen den neuen Besitzern 10 Prozent eingebracht haben! Nur in dem Falle ist dies möglich, wenn der alte Besitzer schlecht, der neue aber gut gewirthschaftet; und dann war es richtig, dem alten Besitzer die staatliche Subvention zu verweigern. Von welcher Seite man auch die Sache ansehen mag, es handelt sich immer um das leitende Prinzip, daß nur der tüchtige Gutsbesitzer, der selbst Land¬ wirth war, mit der Staatshülfe bedacht werden durfte. Schön hat mit Recht an diesem Gedanken festgehalten; der Erfolg spricht für die Richtigkeit seines Verfahrens. Schön ging von dem Wunsche aus, die Leistungsfähigkeit, Intelligenz und Energie der Landwirthe zu heben und zu fördern; er bemühte sich zu diesem Zwecke fremdes Kapital und fremde Intelligenz in die Provinz zu ziehen. Ihm lag weniger daran, daß ein Theil der alten Besitzer seine Güter verlor; dies Uebel wog ihm nicht schwer, und man muß sagen, so hart auch Einzelne betroffen werden mochten, für das Ganze der Provinz hat Schön's Prinzip die größten Vortheile gehabt. Die aus allen Theilen Deutschlands nach Preußen eingewanderten Landwirthe haben in der preußischen Landwirthschaft einen ungemeinen Aufschwung gewirkt; sie wurden die Lehrer der einheimischen Landwirthe; ihre Konkurrenz trug zur Steigerung der Güterpreise wesentlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/32>, abgerufen am 14.05.2024.