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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Mitmeister und des Lehrlings, sowie das Einschreiben des Letzteren in das
Lehrjnngenregister vollkommen dem Abschlüsse eines rechtsverbindlichen Ver¬
trages entsprach. Das Aufdingegeld, welches hierbei fast in allen GeWerken
erhoben wurde, erreichte nach und nach eine so beträchtliche Höhe, daß, veran¬
laßt durch die vielfachen Beschwerden, die Regierungen sich um die Mitte des
17. Jahrhunderts genöthigt sahen, "Verordnungen, betreffend die Herabminderung
der unziemlichen Kosten, so durchs Aufdingen und die dabei stattfindenden
großen Zehrungen entständen, wodurch mancher taugliche, geschickte Knabe vom
Handwerk abgehalten würde" zu erlassen.

Nicht zu verwechseln mit diesen Einschreibegebühren ist das Lehrgeld.
Dasselbe richtete sich gewöhnlich nach der Dauer der Lehrzeit und letztere war
wieder davon abhängig, ob der Lehrling ein Meisterssohn oder ein Fremder
war. Dem Meister stand die Befugniß zu, seinen eigenen Sohn an ein- und
demselben Tage ein- und ausschreiben zu lassen. In der Regel währte die
Lehrzeit 3--4 Jahre, doch scheint nach den auf uns gekommenen Gesetzen zu
urtheilen, die Lehrperiode von den Meistern nicht selten über die Gebühr ausge¬
dehnt worden zu sein. So durfte z. B, nach der "Landes- und Polizeiord-
nung für Ober- und Niederbayern" vom Jahre 1616, Lid. IV., Tit. 1, Art. 4
kein Meister einen armen Knaben auf doppelte Lehrzeit ohne Geld annehmen,
sondern der Knabe mußte die in den Zunftstatuten vorgeschriebene Zeit lernen
und hierauf nach erfolgtem Freisprechen noch so lange bei seinem Lehrmeister
als Geselle arbeiten, bis er seinen Verbindlichkeiten nachgekommen war.

Mit dem Beginne der Lehrzeit trat der Lehrling zu seinem Meister in
ein patriarchalisches Dienstverhältniß. Er wohnte und aß im Hause des
Meisters, dem er zum unbedingten Gehorsam verpflichtet war und der die
väterliche Gewalt über den ihm zur Ausbildung anvertrauten jungen Menschen
in vollem Umfange ausübte. Hierauf nimmt die eben erwähnte bahr. Landes-
ordnung Rücksicht, indem sie bestimmt, daß "die Meister die Lehrjungen in
gebührender Zucht halten, ihnen den Trutz, Muthwillen und andere Ungebühr
nicht gestatten sollen; sonderlich aber in der Religion und guten Sitten, soviel
immer möglich, unterweisen, an denen Feiertagen zur Besuchung des Gottes¬
dienstes halten u. s. w."

Ueber den Kontraktbruch enthalten die verschiedenen Znnftrollen sehr
ausführliche Bestimmungen. Man unterschied hierbei, ob der Lehrling muth¬
willig aus der Lehre entlaufen sei oder der Lehrherr seinen Schutzbefohlenen
durch harte Behandlung zum Verlassen der Lehre gleichsam gezwungen habe.
Den ersten Fall ahndete das Handwerkerrecht sehr strenge. Kein Meister durfte
den Kontraktbrüchigen zur Fortsetzung der Lehre annehmen, bevor sich der
Knabe nicht mit seinem früheren Meister vollständig auseinandergesetzt hatte.


Mitmeister und des Lehrlings, sowie das Einschreiben des Letzteren in das
Lehrjnngenregister vollkommen dem Abschlüsse eines rechtsverbindlichen Ver¬
trages entsprach. Das Aufdingegeld, welches hierbei fast in allen GeWerken
erhoben wurde, erreichte nach und nach eine so beträchtliche Höhe, daß, veran¬
laßt durch die vielfachen Beschwerden, die Regierungen sich um die Mitte des
17. Jahrhunderts genöthigt sahen, „Verordnungen, betreffend die Herabminderung
der unziemlichen Kosten, so durchs Aufdingen und die dabei stattfindenden
großen Zehrungen entständen, wodurch mancher taugliche, geschickte Knabe vom
Handwerk abgehalten würde" zu erlassen.

Nicht zu verwechseln mit diesen Einschreibegebühren ist das Lehrgeld.
Dasselbe richtete sich gewöhnlich nach der Dauer der Lehrzeit und letztere war
wieder davon abhängig, ob der Lehrling ein Meisterssohn oder ein Fremder
war. Dem Meister stand die Befugniß zu, seinen eigenen Sohn an ein- und
demselben Tage ein- und ausschreiben zu lassen. In der Regel währte die
Lehrzeit 3—4 Jahre, doch scheint nach den auf uns gekommenen Gesetzen zu
urtheilen, die Lehrperiode von den Meistern nicht selten über die Gebühr ausge¬
dehnt worden zu sein. So durfte z. B, nach der „Landes- und Polizeiord-
nung für Ober- und Niederbayern" vom Jahre 1616, Lid. IV., Tit. 1, Art. 4
kein Meister einen armen Knaben auf doppelte Lehrzeit ohne Geld annehmen,
sondern der Knabe mußte die in den Zunftstatuten vorgeschriebene Zeit lernen
und hierauf nach erfolgtem Freisprechen noch so lange bei seinem Lehrmeister
als Geselle arbeiten, bis er seinen Verbindlichkeiten nachgekommen war.

Mit dem Beginne der Lehrzeit trat der Lehrling zu seinem Meister in
ein patriarchalisches Dienstverhältniß. Er wohnte und aß im Hause des
Meisters, dem er zum unbedingten Gehorsam verpflichtet war und der die
väterliche Gewalt über den ihm zur Ausbildung anvertrauten jungen Menschen
in vollem Umfange ausübte. Hierauf nimmt die eben erwähnte bahr. Landes-
ordnung Rücksicht, indem sie bestimmt, daß „die Meister die Lehrjungen in
gebührender Zucht halten, ihnen den Trutz, Muthwillen und andere Ungebühr
nicht gestatten sollen; sonderlich aber in der Religion und guten Sitten, soviel
immer möglich, unterweisen, an denen Feiertagen zur Besuchung des Gottes¬
dienstes halten u. s. w."

Ueber den Kontraktbruch enthalten die verschiedenen Znnftrollen sehr
ausführliche Bestimmungen. Man unterschied hierbei, ob der Lehrling muth¬
willig aus der Lehre entlaufen sei oder der Lehrherr seinen Schutzbefohlenen
durch harte Behandlung zum Verlassen der Lehre gleichsam gezwungen habe.
Den ersten Fall ahndete das Handwerkerrecht sehr strenge. Kein Meister durfte
den Kontraktbrüchigen zur Fortsetzung der Lehre annehmen, bevor sich der
Knabe nicht mit seinem früheren Meister vollständig auseinandergesetzt hatte.


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[0349] Mitmeister und des Lehrlings, sowie das Einschreiben des Letzteren in das Lehrjnngenregister vollkommen dem Abschlüsse eines rechtsverbindlichen Ver¬ trages entsprach. Das Aufdingegeld, welches hierbei fast in allen GeWerken erhoben wurde, erreichte nach und nach eine so beträchtliche Höhe, daß, veran¬ laßt durch die vielfachen Beschwerden, die Regierungen sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts genöthigt sahen, „Verordnungen, betreffend die Herabminderung der unziemlichen Kosten, so durchs Aufdingen und die dabei stattfindenden großen Zehrungen entständen, wodurch mancher taugliche, geschickte Knabe vom Handwerk abgehalten würde" zu erlassen. Nicht zu verwechseln mit diesen Einschreibegebühren ist das Lehrgeld. Dasselbe richtete sich gewöhnlich nach der Dauer der Lehrzeit und letztere war wieder davon abhängig, ob der Lehrling ein Meisterssohn oder ein Fremder war. Dem Meister stand die Befugniß zu, seinen eigenen Sohn an ein- und demselben Tage ein- und ausschreiben zu lassen. In der Regel währte die Lehrzeit 3—4 Jahre, doch scheint nach den auf uns gekommenen Gesetzen zu urtheilen, die Lehrperiode von den Meistern nicht selten über die Gebühr ausge¬ dehnt worden zu sein. So durfte z. B, nach der „Landes- und Polizeiord- nung für Ober- und Niederbayern" vom Jahre 1616, Lid. IV., Tit. 1, Art. 4 kein Meister einen armen Knaben auf doppelte Lehrzeit ohne Geld annehmen, sondern der Knabe mußte die in den Zunftstatuten vorgeschriebene Zeit lernen und hierauf nach erfolgtem Freisprechen noch so lange bei seinem Lehrmeister als Geselle arbeiten, bis er seinen Verbindlichkeiten nachgekommen war. Mit dem Beginne der Lehrzeit trat der Lehrling zu seinem Meister in ein patriarchalisches Dienstverhältniß. Er wohnte und aß im Hause des Meisters, dem er zum unbedingten Gehorsam verpflichtet war und der die väterliche Gewalt über den ihm zur Ausbildung anvertrauten jungen Menschen in vollem Umfange ausübte. Hierauf nimmt die eben erwähnte bahr. Landes- ordnung Rücksicht, indem sie bestimmt, daß „die Meister die Lehrjungen in gebührender Zucht halten, ihnen den Trutz, Muthwillen und andere Ungebühr nicht gestatten sollen; sonderlich aber in der Religion und guten Sitten, soviel immer möglich, unterweisen, an denen Feiertagen zur Besuchung des Gottes¬ dienstes halten u. s. w." Ueber den Kontraktbruch enthalten die verschiedenen Znnftrollen sehr ausführliche Bestimmungen. Man unterschied hierbei, ob der Lehrling muth¬ willig aus der Lehre entlaufen sei oder der Lehrherr seinen Schutzbefohlenen durch harte Behandlung zum Verlassen der Lehre gleichsam gezwungen habe. Den ersten Fall ahndete das Handwerkerrecht sehr strenge. Kein Meister durfte den Kontraktbrüchigen zur Fortsetzung der Lehre annehmen, bevor sich der Knabe nicht mit seinem früheren Meister vollständig auseinandergesetzt hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/349>, abgerufen am 29.05.2024.