Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

oftmals arge Einbuße. Das Heer des Kurusch z. B. fand in Lydien so hohe
Getreidepreise, daß der Mann täglich siebenmal mehr für Brod ausgeben
mußte, als er Ersatz dafür bekam, während ihm in Athen zur selben Zeit
seine Portion kaum 5 Pfennige gekostet hätte. -- Die Armee-Verwaltung bil¬
dete sich übrigens bald zu großer Gewandtheit und Geschicklichkeit durch.
Leider war der ihr innewohnende Geist, trotz aller Vorsichtsmaßregeln und
Controlen im Rechnungswesen, schlecht. Und obwol für jeden Obolvs drei
und vier Wächter, für jede Zahl ebensoviel Nachrechner angestellt waren, so
wurde doch von oben bis unten unverschämt gestohlen. -- Die Strategen und
Lochagen ließen sich Sold für sogenannte "Blinde" zahlen, die Musterherren,
welche Soll- und Jstbestand der Truppen vergleichen sollten, wurden bestochen,
und ein undurchdringlich feines Gewebe von List, Frechheit und Ehrlosigkeit
überspann das einst so edle, idealgestaltete Kriegswesen der Hellenen.^)

Die Söldnerführer aller Zeiten sind gute Finanzmänner und in der
Plusmacherei meist größer gewesen als in der Kriegskunst. Dies gilt auch von
den griechischen Söldnerobersten, und das ist begreiflich genug; denn die Be¬
schaffung des Soldes machte ihnen oftmals nicht geringere Schwierigkei¬
ten als den Condottieren des 15., 16. und 17. Jahrhunderts. Erfinderisch in
Geldverlegenheit zeigte sich der attische Feldherr Thimotheos, indem er nicht
nur seinen Siegelabdruck als Münze ausgab, um ihn später wieder einzulösen,
sondern auch Silberdrachmen schlagen ließ, die zu drei Vierteln aus Kupfer
bestanden. Besonders aber war Jphikrates in dieser Hinsicht berühmt. Als
Niemand in Athen wußte, worauf man etwa noch eine neue Steuer legen
könne, schlug er eine solche vor für obere Stockwerke, die über die Straße
hervorragten und für Hausthüren, die sich nach der Straße zu öffneten. Wenn
er seinen Kriegern die Löhnung nicht zu zahlen vermochte, so führte er sie in
öde Gegenden, damit sie so wenig wie möglich verzehrten; hatte er aber ein¬
mal Ueberfluß an Geld, so brachte er sie in Städte, wo sie ihren Sold recht
schnell los wurden, damit sie dann gerne wieder auf neue Unternehmungen
eingingen. Einst, da seine Truppen wegen Geldmangel in Aufruhr waren,
ließ er Männer als Perser verkleidet, in die Versammlung treten und melden,
daß sie vorausgeschickt seien, um die Ankunft eines persischen Soldtransports
anzukündigen -- worauf die Meuterer auseinandergingen. Es ist das ein
Zug, welcher unmittelbar an einen ganz ähnlichen Auftritt erinnert, der
i. I. 1525 im kaiserlichen Lager vor Pavia stattfand. Und auch noch nach
einer andern Richtung hin erscheint schon Jphikrates als ächter Typus eines
Condottiere. Er gründete, da er sich als Schaarenführer bei den "butteressen-



') Bau in nun: Studien über die Verpflegung der Kriegsheere.

oftmals arge Einbuße. Das Heer des Kurusch z. B. fand in Lydien so hohe
Getreidepreise, daß der Mann täglich siebenmal mehr für Brod ausgeben
mußte, als er Ersatz dafür bekam, während ihm in Athen zur selben Zeit
seine Portion kaum 5 Pfennige gekostet hätte. — Die Armee-Verwaltung bil¬
dete sich übrigens bald zu großer Gewandtheit und Geschicklichkeit durch.
Leider war der ihr innewohnende Geist, trotz aller Vorsichtsmaßregeln und
Controlen im Rechnungswesen, schlecht. Und obwol für jeden Obolvs drei
und vier Wächter, für jede Zahl ebensoviel Nachrechner angestellt waren, so
wurde doch von oben bis unten unverschämt gestohlen. — Die Strategen und
Lochagen ließen sich Sold für sogenannte „Blinde" zahlen, die Musterherren,
welche Soll- und Jstbestand der Truppen vergleichen sollten, wurden bestochen,
und ein undurchdringlich feines Gewebe von List, Frechheit und Ehrlosigkeit
überspann das einst so edle, idealgestaltete Kriegswesen der Hellenen.^)

Die Söldnerführer aller Zeiten sind gute Finanzmänner und in der
Plusmacherei meist größer gewesen als in der Kriegskunst. Dies gilt auch von
den griechischen Söldnerobersten, und das ist begreiflich genug; denn die Be¬
schaffung des Soldes machte ihnen oftmals nicht geringere Schwierigkei¬
ten als den Condottieren des 15., 16. und 17. Jahrhunderts. Erfinderisch in
Geldverlegenheit zeigte sich der attische Feldherr Thimotheos, indem er nicht
nur seinen Siegelabdruck als Münze ausgab, um ihn später wieder einzulösen,
sondern auch Silberdrachmen schlagen ließ, die zu drei Vierteln aus Kupfer
bestanden. Besonders aber war Jphikrates in dieser Hinsicht berühmt. Als
Niemand in Athen wußte, worauf man etwa noch eine neue Steuer legen
könne, schlug er eine solche vor für obere Stockwerke, die über die Straße
hervorragten und für Hausthüren, die sich nach der Straße zu öffneten. Wenn
er seinen Kriegern die Löhnung nicht zu zahlen vermochte, so führte er sie in
öde Gegenden, damit sie so wenig wie möglich verzehrten; hatte er aber ein¬
mal Ueberfluß an Geld, so brachte er sie in Städte, wo sie ihren Sold recht
schnell los wurden, damit sie dann gerne wieder auf neue Unternehmungen
eingingen. Einst, da seine Truppen wegen Geldmangel in Aufruhr waren,
ließ er Männer als Perser verkleidet, in die Versammlung treten und melden,
daß sie vorausgeschickt seien, um die Ankunft eines persischen Soldtransports
anzukündigen — worauf die Meuterer auseinandergingen. Es ist das ein
Zug, welcher unmittelbar an einen ganz ähnlichen Auftritt erinnert, der
i. I. 1525 im kaiserlichen Lager vor Pavia stattfand. Und auch noch nach
einer andern Richtung hin erscheint schon Jphikrates als ächter Typus eines
Condottiere. Er gründete, da er sich als Schaarenführer bei den „butteressen-



') Bau in nun: Studien über die Verpflegung der Kriegsheere.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139684"/>
          <p xml:id="ID_1189" prev="#ID_1188"> oftmals arge Einbuße. Das Heer des Kurusch z. B. fand in Lydien so hohe<lb/>
Getreidepreise, daß der Mann täglich siebenmal mehr für Brod ausgeben<lb/>
mußte, als er Ersatz dafür bekam, während ihm in Athen zur selben Zeit<lb/>
seine Portion kaum 5 Pfennige gekostet hätte. &#x2014; Die Armee-Verwaltung bil¬<lb/>
dete sich übrigens bald zu großer Gewandtheit und Geschicklichkeit durch.<lb/>
Leider war der ihr innewohnende Geist, trotz aller Vorsichtsmaßregeln und<lb/>
Controlen im Rechnungswesen, schlecht. Und obwol für jeden Obolvs drei<lb/>
und vier Wächter, für jede Zahl ebensoviel Nachrechner angestellt waren, so<lb/>
wurde doch von oben bis unten unverschämt gestohlen. &#x2014; Die Strategen und<lb/>
Lochagen ließen sich Sold für sogenannte &#x201E;Blinde" zahlen, die Musterherren,<lb/>
welche Soll- und Jstbestand der Truppen vergleichen sollten, wurden bestochen,<lb/>
und ein undurchdringlich feines Gewebe von List, Frechheit und Ehrlosigkeit<lb/>
überspann das einst so edle, idealgestaltete Kriegswesen der Hellenen.^)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1190" next="#ID_1191"> Die Söldnerführer aller Zeiten sind gute Finanzmänner und in der<lb/>
Plusmacherei meist größer gewesen als in der Kriegskunst. Dies gilt auch von<lb/>
den griechischen Söldnerobersten, und das ist begreiflich genug; denn die Be¬<lb/>
schaffung des Soldes machte ihnen oftmals nicht geringere Schwierigkei¬<lb/>
ten als den Condottieren des 15., 16. und 17. Jahrhunderts. Erfinderisch in<lb/>
Geldverlegenheit zeigte sich der attische Feldherr Thimotheos, indem er nicht<lb/>
nur seinen Siegelabdruck als Münze ausgab, um ihn später wieder einzulösen,<lb/>
sondern auch Silberdrachmen schlagen ließ, die zu drei Vierteln aus Kupfer<lb/>
bestanden. Besonders aber war Jphikrates in dieser Hinsicht berühmt. Als<lb/>
Niemand in Athen wußte, worauf man etwa noch eine neue Steuer legen<lb/>
könne, schlug er eine solche vor für obere Stockwerke, die über die Straße<lb/>
hervorragten und für Hausthüren, die sich nach der Straße zu öffneten. Wenn<lb/>
er seinen Kriegern die Löhnung nicht zu zahlen vermochte, so führte er sie in<lb/>
öde Gegenden, damit sie so wenig wie möglich verzehrten; hatte er aber ein¬<lb/>
mal Ueberfluß an Geld, so brachte er sie in Städte, wo sie ihren Sold recht<lb/>
schnell los wurden, damit sie dann gerne wieder auf neue Unternehmungen<lb/>
eingingen. Einst, da seine Truppen wegen Geldmangel in Aufruhr waren,<lb/>
ließ er Männer als Perser verkleidet, in die Versammlung treten und melden,<lb/>
daß sie vorausgeschickt seien, um die Ankunft eines persischen Soldtransports<lb/>
anzukündigen &#x2014; worauf die Meuterer auseinandergingen. Es ist das ein<lb/>
Zug, welcher unmittelbar an einen ganz ähnlichen Auftritt erinnert, der<lb/>
i. I. 1525 im kaiserlichen Lager vor Pavia stattfand. Und auch noch nach<lb/>
einer andern Richtung hin erscheint schon Jphikrates als ächter Typus eines<lb/>
Condottiere. Er gründete, da er sich als Schaarenführer bei den &#x201E;butteressen-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_127" place="foot"> ') Bau in nun: Studien über die Verpflegung der Kriegsheere.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0391] oftmals arge Einbuße. Das Heer des Kurusch z. B. fand in Lydien so hohe Getreidepreise, daß der Mann täglich siebenmal mehr für Brod ausgeben mußte, als er Ersatz dafür bekam, während ihm in Athen zur selben Zeit seine Portion kaum 5 Pfennige gekostet hätte. — Die Armee-Verwaltung bil¬ dete sich übrigens bald zu großer Gewandtheit und Geschicklichkeit durch. Leider war der ihr innewohnende Geist, trotz aller Vorsichtsmaßregeln und Controlen im Rechnungswesen, schlecht. Und obwol für jeden Obolvs drei und vier Wächter, für jede Zahl ebensoviel Nachrechner angestellt waren, so wurde doch von oben bis unten unverschämt gestohlen. — Die Strategen und Lochagen ließen sich Sold für sogenannte „Blinde" zahlen, die Musterherren, welche Soll- und Jstbestand der Truppen vergleichen sollten, wurden bestochen, und ein undurchdringlich feines Gewebe von List, Frechheit und Ehrlosigkeit überspann das einst so edle, idealgestaltete Kriegswesen der Hellenen.^) Die Söldnerführer aller Zeiten sind gute Finanzmänner und in der Plusmacherei meist größer gewesen als in der Kriegskunst. Dies gilt auch von den griechischen Söldnerobersten, und das ist begreiflich genug; denn die Be¬ schaffung des Soldes machte ihnen oftmals nicht geringere Schwierigkei¬ ten als den Condottieren des 15., 16. und 17. Jahrhunderts. Erfinderisch in Geldverlegenheit zeigte sich der attische Feldherr Thimotheos, indem er nicht nur seinen Siegelabdruck als Münze ausgab, um ihn später wieder einzulösen, sondern auch Silberdrachmen schlagen ließ, die zu drei Vierteln aus Kupfer bestanden. Besonders aber war Jphikrates in dieser Hinsicht berühmt. Als Niemand in Athen wußte, worauf man etwa noch eine neue Steuer legen könne, schlug er eine solche vor für obere Stockwerke, die über die Straße hervorragten und für Hausthüren, die sich nach der Straße zu öffneten. Wenn er seinen Kriegern die Löhnung nicht zu zahlen vermochte, so führte er sie in öde Gegenden, damit sie so wenig wie möglich verzehrten; hatte er aber ein¬ mal Ueberfluß an Geld, so brachte er sie in Städte, wo sie ihren Sold recht schnell los wurden, damit sie dann gerne wieder auf neue Unternehmungen eingingen. Einst, da seine Truppen wegen Geldmangel in Aufruhr waren, ließ er Männer als Perser verkleidet, in die Versammlung treten und melden, daß sie vorausgeschickt seien, um die Ankunft eines persischen Soldtransports anzukündigen — worauf die Meuterer auseinandergingen. Es ist das ein Zug, welcher unmittelbar an einen ganz ähnlichen Auftritt erinnert, der i. I. 1525 im kaiserlichen Lager vor Pavia stattfand. Und auch noch nach einer andern Richtung hin erscheint schon Jphikrates als ächter Typus eines Condottiere. Er gründete, da er sich als Schaarenführer bei den „butteressen- ') Bau in nun: Studien über die Verpflegung der Kriegsheere.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/391
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/391>, abgerufen am 30.05.2024.