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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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den" Thrakern umhertrieb, an der Mündung des Hebros ein kleines selbstän¬
diges Fürstenthum, ein Verfahren, in dem ihm später unzählige seiner Be¬
rufsgenossen nachgefolgt sind.

Die Sucht nach Beute und Gold ließ jetzt alle Rücksichten vergessen. Nicht
im geringsten regte sich der einst so mächtige hellenische Nationalstolz, wenn
es galt, in den Dienst der sonst so verachteten Barbaren zu treten. Jphikrates
zog mit 12,000 Griechen im Dienste Artaxerxes' II. gegen den aegyptischen
Rebellen Nektanebos zu Felde; der letzte Perserkönig, Dareios Kodomannos
stellte gar 30,000 ausgesuchte griechische Söldner dem Heere Alexanders ent¬
gegen. Am vollkommensten jedoch erkennt man, wie tief das Söldnerwesen
die hellenischen Sitten umwandelte, wenn man einen spartanischen König, einen
Mann von der Bedeutung des Agesilaos, als Cvndottiere im Dienste der
Aegypter erblickt und ihn, den Achtzigjährigen, auf der Rückkehr von solchem
Reislauf sterben sieht. "Es schien dem greisen Feldherrn, der für den ersten
in Griechenland galt, nicht wohl anzustehen", sagt Plutarch, daß er sich einem
Barbaren, einem Rebellen verkaufte." -- Aber während so die Hellenen selbst
sich zum Landsknechtsdienste bei fremden Völkern drängten, erscheinen auf dein
Boden der Heimath barbarische Söldner zum Theil aus den fernsten Ländern.
Hatte doch schon in den Kriegen mit Theben der Tyrann von Syrakus den
Spartanern keltische und spanische Söldner zu Hilfe gesandt, und von Jahr
zu Jahr nahm der Zudrang solcher Elemente zu, die dem griechischen Kultur¬
leben so fremd, dem alten Nationalstolze des Volks so peinlich waren und deren
Mitwirkung im Kampfe das Wasserwerk uumerkich, aber unumgänglich in den
Augen der Hellenen erniedrigte.

Die Zerrüttung dieser Zustände tritt endlich mit voller Nacktheit in den
traurigen Kriegen hervor, die von 358 bis 346 unter unter dem Namen der
Bundesgenossenkriege und der heiligen Kriege Hellas zerfleischten,
die Macht von Theben brachen, Sparta vollends lähmten und die letzten Kräfte
Athens verzehrten. Die Ereignisse kulminirten, als die Phvkier, an deren
Spitze entschlossene rücksichtslose Männer standen, sich des Tempelschatzes von
Delphi bemächtigten und damit große Heere warben, welche das Gebiet der
Nachbarn weit und breit verwüsteten. Im Heiligthume des Phöbos Apollon
nisteten die Söldnerführer; der nülos Kloriosus würfelte um jene wundervollen
Kunstwerke, welche am Dreifuße der Pythia die Ehrfurcht frommer Jahrhun¬
derte niedergelegt, und goldene Epheukränze, die edle Stämme einst als
Weihgeschenk geopfert, flochten nun Soldateudirnen sich in's Haar.




den" Thrakern umhertrieb, an der Mündung des Hebros ein kleines selbstän¬
diges Fürstenthum, ein Verfahren, in dem ihm später unzählige seiner Be¬
rufsgenossen nachgefolgt sind.

Die Sucht nach Beute und Gold ließ jetzt alle Rücksichten vergessen. Nicht
im geringsten regte sich der einst so mächtige hellenische Nationalstolz, wenn
es galt, in den Dienst der sonst so verachteten Barbaren zu treten. Jphikrates
zog mit 12,000 Griechen im Dienste Artaxerxes' II. gegen den aegyptischen
Rebellen Nektanebos zu Felde; der letzte Perserkönig, Dareios Kodomannos
stellte gar 30,000 ausgesuchte griechische Söldner dem Heere Alexanders ent¬
gegen. Am vollkommensten jedoch erkennt man, wie tief das Söldnerwesen
die hellenischen Sitten umwandelte, wenn man einen spartanischen König, einen
Mann von der Bedeutung des Agesilaos, als Cvndottiere im Dienste der
Aegypter erblickt und ihn, den Achtzigjährigen, auf der Rückkehr von solchem
Reislauf sterben sieht. „Es schien dem greisen Feldherrn, der für den ersten
in Griechenland galt, nicht wohl anzustehen", sagt Plutarch, daß er sich einem
Barbaren, einem Rebellen verkaufte." — Aber während so die Hellenen selbst
sich zum Landsknechtsdienste bei fremden Völkern drängten, erscheinen auf dein
Boden der Heimath barbarische Söldner zum Theil aus den fernsten Ländern.
Hatte doch schon in den Kriegen mit Theben der Tyrann von Syrakus den
Spartanern keltische und spanische Söldner zu Hilfe gesandt, und von Jahr
zu Jahr nahm der Zudrang solcher Elemente zu, die dem griechischen Kultur¬
leben so fremd, dem alten Nationalstolze des Volks so peinlich waren und deren
Mitwirkung im Kampfe das Wasserwerk uumerkich, aber unumgänglich in den
Augen der Hellenen erniedrigte.

Die Zerrüttung dieser Zustände tritt endlich mit voller Nacktheit in den
traurigen Kriegen hervor, die von 358 bis 346 unter unter dem Namen der
Bundesgenossenkriege und der heiligen Kriege Hellas zerfleischten,
die Macht von Theben brachen, Sparta vollends lähmten und die letzten Kräfte
Athens verzehrten. Die Ereignisse kulminirten, als die Phvkier, an deren
Spitze entschlossene rücksichtslose Männer standen, sich des Tempelschatzes von
Delphi bemächtigten und damit große Heere warben, welche das Gebiet der
Nachbarn weit und breit verwüsteten. Im Heiligthume des Phöbos Apollon
nisteten die Söldnerführer; der nülos Kloriosus würfelte um jene wundervollen
Kunstwerke, welche am Dreifuße der Pythia die Ehrfurcht frommer Jahrhun¬
derte niedergelegt, und goldene Epheukränze, die edle Stämme einst als
Weihgeschenk geopfert, flochten nun Soldateudirnen sich in's Haar.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/392>, abgerufen am 14.05.2024.