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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Aber wer garantirte ihre Beobachtung? -- Der Kardinal Johann von Medici,
der als Leo X. Julius' Nachfolger wurde, begab sich zum Konklave, begleitet
von dem jungen reichen gewandten Bankier Filippo Strozzi, und dessen
Bruder Lorenzo schrieb, es verstehe sich wohl, weshalb: Der Kardinal trachte
nach der Tiara, und Philipps Kredit müsse ihm behülflich sein.

Im Konklave des Jahres 1523 wie auch in den folgenden von 1534
und 1555 u. a. war die Einstimmigkeit eine so vollständige und offenbare,
daß die Kardinäle ans das Scrutinium verzichteten und die Wahl durch Ak¬
klamation vornahmen. Doch schien dies dem Erwählten nicht immer genügend,
und es ist berichtet, daß Clemens VII. und Marcellus II. noch das nachträg¬
liche Scrutinium verlangten, was, da es mittels offener Stimmzettel geschah,
in jenen Fällen ohne Zweifel das Resultat nicht geändert hat. -- Später wurde
die Akklamation mißbräuchlich benutzt, um auf die Minorität einen Druck aus¬
zuüben, so bei den Wahlen Gregors XIII. 1472 und Sixtus V. 1585. Der
Erstere, Kardinal Boncompagno, ward sechs Stunden nach Beginn des Kon¬
klave gewählt, in die Kapelle geführt und ausgerufen. Der Franziskanermönch
Montalto wurde ebenfalls in so summarischer Weise --durch "Inspiration" --
ernannt. Zwei Kardinäle, der Zustimmung der Mehrzahl sicher; gingen ihm
entgegen mit dem Rufe: "Du bist Papst", und alle Anderen beeilten sich das
Gleiche zu thun. -- In einer späteren Beschreibung des päpstlichen Hofes
(von Lunadoro) liest man über dieses Verfahren: "Die dritte Art den Papst
zu wühlen, ist die durch Inspiration: welche nur angewendet zu werden Pflegt,
wenn die beiden andern Arten (Scrutinium und Kompromiß) kein Resultat
ergeben wollen. In solchem Falle nämlich, wenn die zur Wahl zusammen¬
getretenen Parteien mit alledem die Zweidrittelzahl der Stimmen nicht errei¬
chen können, so heben sie an zu schreien: Sie müßten, von päpstlicher Inspi¬
ration getrieben, den Kardinal Soundso zum Papst ernennen -- und so trei¬
ben sie manchmal kraft des Schreiens andere Kardinäle gegen deren Willen
zu der beabsichtigten Ernennung. -- Auch eine sonderbare Behandlung des
Heiligen Geistes! --

Mit der Wahl Sixtus' V. schließt die dritte von Bonghi angenommene
Konklaveperiode. Er nennt diese nur fünfzig Jahre umfassende die wichtigste,
weil in ihr die Folgen der protestantischen Reformation auch zu regeneriren-
den Reformen innerhalb der Papstkirche führten. Eine wichtige auf die Papst¬
wahl sich beziehende und den ernsten Geist der Periode bezeichnende ist eine
Festsetzung, welche die Kardinäle während des zweiten Konklave von 1555
trafen und unterschrieben. Sie ging dahin, daß jeder Papst unmittelbar nach
seiner Ernennung schwören solle, Keinen zum Kardinal zu machen, der nicht
das kanonische Alter besitze, von gutem Lebenswandel und untadeligem Sitten


Aber wer garantirte ihre Beobachtung? — Der Kardinal Johann von Medici,
der als Leo X. Julius' Nachfolger wurde, begab sich zum Konklave, begleitet
von dem jungen reichen gewandten Bankier Filippo Strozzi, und dessen
Bruder Lorenzo schrieb, es verstehe sich wohl, weshalb: Der Kardinal trachte
nach der Tiara, und Philipps Kredit müsse ihm behülflich sein.

Im Konklave des Jahres 1523 wie auch in den folgenden von 1534
und 1555 u. a. war die Einstimmigkeit eine so vollständige und offenbare,
daß die Kardinäle ans das Scrutinium verzichteten und die Wahl durch Ak¬
klamation vornahmen. Doch schien dies dem Erwählten nicht immer genügend,
und es ist berichtet, daß Clemens VII. und Marcellus II. noch das nachträg¬
liche Scrutinium verlangten, was, da es mittels offener Stimmzettel geschah,
in jenen Fällen ohne Zweifel das Resultat nicht geändert hat. — Später wurde
die Akklamation mißbräuchlich benutzt, um auf die Minorität einen Druck aus¬
zuüben, so bei den Wahlen Gregors XIII. 1472 und Sixtus V. 1585. Der
Erstere, Kardinal Boncompagno, ward sechs Stunden nach Beginn des Kon¬
klave gewählt, in die Kapelle geführt und ausgerufen. Der Franziskanermönch
Montalto wurde ebenfalls in so summarischer Weise —durch „Inspiration" —
ernannt. Zwei Kardinäle, der Zustimmung der Mehrzahl sicher; gingen ihm
entgegen mit dem Rufe: „Du bist Papst", und alle Anderen beeilten sich das
Gleiche zu thun. — In einer späteren Beschreibung des päpstlichen Hofes
(von Lunadoro) liest man über dieses Verfahren: „Die dritte Art den Papst
zu wühlen, ist die durch Inspiration: welche nur angewendet zu werden Pflegt,
wenn die beiden andern Arten (Scrutinium und Kompromiß) kein Resultat
ergeben wollen. In solchem Falle nämlich, wenn die zur Wahl zusammen¬
getretenen Parteien mit alledem die Zweidrittelzahl der Stimmen nicht errei¬
chen können, so heben sie an zu schreien: Sie müßten, von päpstlicher Inspi¬
ration getrieben, den Kardinal Soundso zum Papst ernennen — und so trei¬
ben sie manchmal kraft des Schreiens andere Kardinäle gegen deren Willen
zu der beabsichtigten Ernennung. — Auch eine sonderbare Behandlung des
Heiligen Geistes! —

Mit der Wahl Sixtus' V. schließt die dritte von Bonghi angenommene
Konklaveperiode. Er nennt diese nur fünfzig Jahre umfassende die wichtigste,
weil in ihr die Folgen der protestantischen Reformation auch zu regeneriren-
den Reformen innerhalb der Papstkirche führten. Eine wichtige auf die Papst¬
wahl sich beziehende und den ernsten Geist der Periode bezeichnende ist eine
Festsetzung, welche die Kardinäle während des zweiten Konklave von 1555
trafen und unterschrieben. Sie ging dahin, daß jeder Papst unmittelbar nach
seiner Ernennung schwören solle, Keinen zum Kardinal zu machen, der nicht
das kanonische Alter besitze, von gutem Lebenswandel und untadeligem Sitten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/394>, abgerufen am 13.05.2024.