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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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sei und in allen sein Amt betreffenden Disziplinen hinreichende Kenntnisse
habe; ferner die Länder und die Besitzthümer der Kirche nicht zu veräußern,
keinem christlichen Fürsten den Krieg zu erklären, mit keinem gegen eiuen an¬
dern ein Bündniß zu schließen, sondern als gemeinsamer Vater aller Gläubigen
neutral zu bleiben. -- In den acht Konklaven dieser Periode herrschte ein wirk¬
lich religiöser und streng kirchlicher Geist, und wenn anch der Einfluß des
Heiligen Stuhles auf die europäische Politik dadurch wieder ins Sinken kam,
so gewann dafür das innere Leben der Kirche bedeutend an Kraft und Segen.

Von Sixtus V. bis auf Clemens XII. (1585-1730) walteten in den
Konklaven wiederum politische und Familien-Tendenzen vor. Aber die ersteren
wurden nicht vom Papstthum, sondern von den konsolidirten und mächtig er¬
starkten europäischen Staaten auf den Schauplatz geführt, und die letzteren
gingen mit jenen Hand in Hand, indem die im Kardinalskolleginm vertretenen
und auf den kleinen Thronen Italiens sitzenden Nepotenfamilien sich von den
großen Mächten zur Geltendmachung des Einflusses derselben gebrauchen lie¬
ßen. Daraus ging nun eine neue Einwirkung der weltlichen Macht auf die
Papstwahl hervor, welche den Schlüssel zu der heute aufgetauchten Frage
liefern muß, in wie weit den europäischen Mächten gegenüber dem nächsten
Konklave ein Einspruchsrecht zusteht. Es ist Bonghi's Verdienst, diese Frage,
wenn anch nicht gelöst, so doch auf ihren richtigen Werth zurückgeführt zu
haben, indem er gezeigt hat, daß die Regierungen mit ihrem Veto nie ein
verbrieftes Recht, soudern stets nur einen durch die Zeitumstände mannigfach
modifizirten Akt ihrer Macht ausgeübt haben.

Frankreich, Oesterreich und Spanien waren im siebzehnten Jahrhundert
die Hauptmächte Europas, und alle drei hatten durch von ihnen abhängende
Fürsten Einfluß in Italien und in Rom. In Rom waren die reichen Ne¬
potenfamilien entstanden, die Borghese, Albani, Aldobrandini, Barberini
Chigi, Boncompagni, Rospigliosi. Sie alle und die ersten Familien Italiens
die Medici, Este, Farnese hatten ihre Vertreter im Konklave und beherrschten
es abwechselnd, bald für eigene Rechnung, bald für die italienischen und aus¬
wärtigen Höfe arbeitend. Die politische Macht des Kirchenstaates war gering,
nicht größer als die der anderen kleinen Fürstentümer Italiens. Hingen
diese vollständig von Oesterreich, Frankreich und Spanien ab, so mußte es
anch der päpstliche Hof und das Konklave, nachdem alle Kardinäle in politische
und höfische Beziehungen verwickelt waren. Auf diese Weise entstand ganz
allmälig der neue Einfluß der drei genannten Staaten auf die Papstwahl,
welcher demnächst als das Recht der Exklusive oder des Veto bezeichnet wurde.
Es läßt sich kein bestimmter Zeitpunkt seines Anfanges angeben, es existirt
keine Verordnung, kein Vertrag, welcher gerade jenen drei Mächten das Recht


sei und in allen sein Amt betreffenden Disziplinen hinreichende Kenntnisse
habe; ferner die Länder und die Besitzthümer der Kirche nicht zu veräußern,
keinem christlichen Fürsten den Krieg zu erklären, mit keinem gegen eiuen an¬
dern ein Bündniß zu schließen, sondern als gemeinsamer Vater aller Gläubigen
neutral zu bleiben. — In den acht Konklaven dieser Periode herrschte ein wirk¬
lich religiöser und streng kirchlicher Geist, und wenn anch der Einfluß des
Heiligen Stuhles auf die europäische Politik dadurch wieder ins Sinken kam,
so gewann dafür das innere Leben der Kirche bedeutend an Kraft und Segen.

Von Sixtus V. bis auf Clemens XII. (1585-1730) walteten in den
Konklaven wiederum politische und Familien-Tendenzen vor. Aber die ersteren
wurden nicht vom Papstthum, sondern von den konsolidirten und mächtig er¬
starkten europäischen Staaten auf den Schauplatz geführt, und die letzteren
gingen mit jenen Hand in Hand, indem die im Kardinalskolleginm vertretenen
und auf den kleinen Thronen Italiens sitzenden Nepotenfamilien sich von den
großen Mächten zur Geltendmachung des Einflusses derselben gebrauchen lie¬
ßen. Daraus ging nun eine neue Einwirkung der weltlichen Macht auf die
Papstwahl hervor, welche den Schlüssel zu der heute aufgetauchten Frage
liefern muß, in wie weit den europäischen Mächten gegenüber dem nächsten
Konklave ein Einspruchsrecht zusteht. Es ist Bonghi's Verdienst, diese Frage,
wenn anch nicht gelöst, so doch auf ihren richtigen Werth zurückgeführt zu
haben, indem er gezeigt hat, daß die Regierungen mit ihrem Veto nie ein
verbrieftes Recht, soudern stets nur einen durch die Zeitumstände mannigfach
modifizirten Akt ihrer Macht ausgeübt haben.

Frankreich, Oesterreich und Spanien waren im siebzehnten Jahrhundert
die Hauptmächte Europas, und alle drei hatten durch von ihnen abhängende
Fürsten Einfluß in Italien und in Rom. In Rom waren die reichen Ne¬
potenfamilien entstanden, die Borghese, Albani, Aldobrandini, Barberini
Chigi, Boncompagni, Rospigliosi. Sie alle und die ersten Familien Italiens
die Medici, Este, Farnese hatten ihre Vertreter im Konklave und beherrschten
es abwechselnd, bald für eigene Rechnung, bald für die italienischen und aus¬
wärtigen Höfe arbeitend. Die politische Macht des Kirchenstaates war gering,
nicht größer als die der anderen kleinen Fürstentümer Italiens. Hingen
diese vollständig von Oesterreich, Frankreich und Spanien ab, so mußte es
anch der päpstliche Hof und das Konklave, nachdem alle Kardinäle in politische
und höfische Beziehungen verwickelt waren. Auf diese Weise entstand ganz
allmälig der neue Einfluß der drei genannten Staaten auf die Papstwahl,
welcher demnächst als das Recht der Exklusive oder des Veto bezeichnet wurde.
Es läßt sich kein bestimmter Zeitpunkt seines Anfanges angeben, es existirt
keine Verordnung, kein Vertrag, welcher gerade jenen drei Mächten das Recht


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[0395] sei und in allen sein Amt betreffenden Disziplinen hinreichende Kenntnisse habe; ferner die Länder und die Besitzthümer der Kirche nicht zu veräußern, keinem christlichen Fürsten den Krieg zu erklären, mit keinem gegen eiuen an¬ dern ein Bündniß zu schließen, sondern als gemeinsamer Vater aller Gläubigen neutral zu bleiben. — In den acht Konklaven dieser Periode herrschte ein wirk¬ lich religiöser und streng kirchlicher Geist, und wenn anch der Einfluß des Heiligen Stuhles auf die europäische Politik dadurch wieder ins Sinken kam, so gewann dafür das innere Leben der Kirche bedeutend an Kraft und Segen. Von Sixtus V. bis auf Clemens XII. (1585-1730) walteten in den Konklaven wiederum politische und Familien-Tendenzen vor. Aber die ersteren wurden nicht vom Papstthum, sondern von den konsolidirten und mächtig er¬ starkten europäischen Staaten auf den Schauplatz geführt, und die letzteren gingen mit jenen Hand in Hand, indem die im Kardinalskolleginm vertretenen und auf den kleinen Thronen Italiens sitzenden Nepotenfamilien sich von den großen Mächten zur Geltendmachung des Einflusses derselben gebrauchen lie¬ ßen. Daraus ging nun eine neue Einwirkung der weltlichen Macht auf die Papstwahl hervor, welche den Schlüssel zu der heute aufgetauchten Frage liefern muß, in wie weit den europäischen Mächten gegenüber dem nächsten Konklave ein Einspruchsrecht zusteht. Es ist Bonghi's Verdienst, diese Frage, wenn anch nicht gelöst, so doch auf ihren richtigen Werth zurückgeführt zu haben, indem er gezeigt hat, daß die Regierungen mit ihrem Veto nie ein verbrieftes Recht, soudern stets nur einen durch die Zeitumstände mannigfach modifizirten Akt ihrer Macht ausgeübt haben. Frankreich, Oesterreich und Spanien waren im siebzehnten Jahrhundert die Hauptmächte Europas, und alle drei hatten durch von ihnen abhängende Fürsten Einfluß in Italien und in Rom. In Rom waren die reichen Ne¬ potenfamilien entstanden, die Borghese, Albani, Aldobrandini, Barberini Chigi, Boncompagni, Rospigliosi. Sie alle und die ersten Familien Italiens die Medici, Este, Farnese hatten ihre Vertreter im Konklave und beherrschten es abwechselnd, bald für eigene Rechnung, bald für die italienischen und aus¬ wärtigen Höfe arbeitend. Die politische Macht des Kirchenstaates war gering, nicht größer als die der anderen kleinen Fürstentümer Italiens. Hingen diese vollständig von Oesterreich, Frankreich und Spanien ab, so mußte es anch der päpstliche Hof und das Konklave, nachdem alle Kardinäle in politische und höfische Beziehungen verwickelt waren. Auf diese Weise entstand ganz allmälig der neue Einfluß der drei genannten Staaten auf die Papstwahl, welcher demnächst als das Recht der Exklusive oder des Veto bezeichnet wurde. Es läßt sich kein bestimmter Zeitpunkt seines Anfanges angeben, es existirt keine Verordnung, kein Vertrag, welcher gerade jenen drei Mächten das Recht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/395>, abgerufen am 23.05.2024.