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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Auch das Recht des direkten Veto ist immer ein mangelhaftes und oft
wirkungsloses gewesen, weil es gewohnheitsmäßig in jedem Konklave nur gegen
einen Kandidaten seitens jedes der drei Staaten ausgeübt werden konnte,
weshalb z. B. 1676 Frankreich, um alle ihm nicht genehmen Kandidaten ex-
kludiren zu können, zur indirekten Exklusive seine Zuflucht nahm und durch
seinen Gesandten in Venedig an den Senat die Forderung stellte, daß die
venetianischen Kardinäle mit den französischen zu stimmen beauftragt würden.

Wann das Recht des Veto zuerst ausgeübt worden ist, muß unbestimmt
bleiben. Bonghi bestreitet die Behauptung des Verfassers der Brochure "Ue¬
ber die Rechte der Regierungen beim Konklave", daß es zuerst in dem Kon¬
klave nach Bonifacius VIII. Tode 1303 geschehen sei und führt zur Wider¬
legung desselben an, daß Philipp der Schöne in dem betreffenden Konklave
im Geheimen dahin gearbeitet und es auch durchgesetzt habe, daß die Wahl
nach seinem Wunsche ausfiel. Dieser Beweis ist hinfällig, weil er gar nicht
ausschließt, daß Philipp die indirekten Machinationen angewendet hat, um
damit noch mehr als mit dem nur zur Ausschließung eines Einzigen wirk¬
samen Veto zu erreichen, und in der That war die Wahl eines Franzosen
etwas, wozu das bloße Veto nicht ausreichte. -- Bestimmte Spuren des di¬
rekten Veto aber zeigen sich allerdings erst gegen die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts, als Oesterreich-Spanien unter Karl V., Frankreich nnter Franz I.
einen ausgedehnten Einfluß in Italien hatten. Welchen Widerstand es auch
damals noch gefunden hat, haben wir schon gesehen, und, es läßt sich ohne
Weiteres behaupten, daß das Veto von höchst geringer Wirksamkeit im Ver¬
gleich mit den indirekten Einflüssen, welche die Regierungen auf das Konklave
ausübten, gewesen ist. Die letzteren waren natürlich sehr wechselnd, vielfach
verschlungen und unverkennbar und entziehen sich zum Theil jeder Würdigung.
Eine genaue Kenntniß derselben als Elemente einer Geschichte der Konklave
würde sehr viel Licht nicht blos über die Geschichte des Papstthums, sondern
auch über die Beziehungen des Heiligen Stuhles zu den Mächten und über
die letzteren selbst verbreiten. Die Machinationen im Konklave müßten wie
ein Spiegel alle Tendenzen der Zeit erscheinen lassen: die Verhältnisse zwischen
Staat und Kirche, die Richtung der päpstlichen und der weltlichen Politik,
die Beziehungen der Kardinäle zu der römischen Aristokratie, den italienischen
Fürsten und den Großmächten, die Mittel und Wege der Diplomatie, die
Stellung der einflußreichen Kreise zum wahren Wesen der Kirche, die allge¬
meinen Ansichten über Kirche und Staat, den Kredit des Heiligen Stuhles
bei den einzelnen Regierungen und umgekehrt. -- Eine Geschichte dieser Art
ist jedoch bis heute noch nicht geschrieben.




Auch das Recht des direkten Veto ist immer ein mangelhaftes und oft
wirkungsloses gewesen, weil es gewohnheitsmäßig in jedem Konklave nur gegen
einen Kandidaten seitens jedes der drei Staaten ausgeübt werden konnte,
weshalb z. B. 1676 Frankreich, um alle ihm nicht genehmen Kandidaten ex-
kludiren zu können, zur indirekten Exklusive seine Zuflucht nahm und durch
seinen Gesandten in Venedig an den Senat die Forderung stellte, daß die
venetianischen Kardinäle mit den französischen zu stimmen beauftragt würden.

Wann das Recht des Veto zuerst ausgeübt worden ist, muß unbestimmt
bleiben. Bonghi bestreitet die Behauptung des Verfassers der Brochure „Ue¬
ber die Rechte der Regierungen beim Konklave", daß es zuerst in dem Kon¬
klave nach Bonifacius VIII. Tode 1303 geschehen sei und führt zur Wider¬
legung desselben an, daß Philipp der Schöne in dem betreffenden Konklave
im Geheimen dahin gearbeitet und es auch durchgesetzt habe, daß die Wahl
nach seinem Wunsche ausfiel. Dieser Beweis ist hinfällig, weil er gar nicht
ausschließt, daß Philipp die indirekten Machinationen angewendet hat, um
damit noch mehr als mit dem nur zur Ausschließung eines Einzigen wirk¬
samen Veto zu erreichen, und in der That war die Wahl eines Franzosen
etwas, wozu das bloße Veto nicht ausreichte. — Bestimmte Spuren des di¬
rekten Veto aber zeigen sich allerdings erst gegen die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts, als Oesterreich-Spanien unter Karl V., Frankreich nnter Franz I.
einen ausgedehnten Einfluß in Italien hatten. Welchen Widerstand es auch
damals noch gefunden hat, haben wir schon gesehen, und, es läßt sich ohne
Weiteres behaupten, daß das Veto von höchst geringer Wirksamkeit im Ver¬
gleich mit den indirekten Einflüssen, welche die Regierungen auf das Konklave
ausübten, gewesen ist. Die letzteren waren natürlich sehr wechselnd, vielfach
verschlungen und unverkennbar und entziehen sich zum Theil jeder Würdigung.
Eine genaue Kenntniß derselben als Elemente einer Geschichte der Konklave
würde sehr viel Licht nicht blos über die Geschichte des Papstthums, sondern
auch über die Beziehungen des Heiligen Stuhles zu den Mächten und über
die letzteren selbst verbreiten. Die Machinationen im Konklave müßten wie
ein Spiegel alle Tendenzen der Zeit erscheinen lassen: die Verhältnisse zwischen
Staat und Kirche, die Richtung der päpstlichen und der weltlichen Politik,
die Beziehungen der Kardinäle zu der römischen Aristokratie, den italienischen
Fürsten und den Großmächten, die Mittel und Wege der Diplomatie, die
Stellung der einflußreichen Kreise zum wahren Wesen der Kirche, die allge¬
meinen Ansichten über Kirche und Staat, den Kredit des Heiligen Stuhles
bei den einzelnen Regierungen und umgekehrt. — Eine Geschichte dieser Art
ist jedoch bis heute noch nicht geschrieben.




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[0398] Auch das Recht des direkten Veto ist immer ein mangelhaftes und oft wirkungsloses gewesen, weil es gewohnheitsmäßig in jedem Konklave nur gegen einen Kandidaten seitens jedes der drei Staaten ausgeübt werden konnte, weshalb z. B. 1676 Frankreich, um alle ihm nicht genehmen Kandidaten ex- kludiren zu können, zur indirekten Exklusive seine Zuflucht nahm und durch seinen Gesandten in Venedig an den Senat die Forderung stellte, daß die venetianischen Kardinäle mit den französischen zu stimmen beauftragt würden. Wann das Recht des Veto zuerst ausgeübt worden ist, muß unbestimmt bleiben. Bonghi bestreitet die Behauptung des Verfassers der Brochure „Ue¬ ber die Rechte der Regierungen beim Konklave", daß es zuerst in dem Kon¬ klave nach Bonifacius VIII. Tode 1303 geschehen sei und führt zur Wider¬ legung desselben an, daß Philipp der Schöne in dem betreffenden Konklave im Geheimen dahin gearbeitet und es auch durchgesetzt habe, daß die Wahl nach seinem Wunsche ausfiel. Dieser Beweis ist hinfällig, weil er gar nicht ausschließt, daß Philipp die indirekten Machinationen angewendet hat, um damit noch mehr als mit dem nur zur Ausschließung eines Einzigen wirk¬ samen Veto zu erreichen, und in der That war die Wahl eines Franzosen etwas, wozu das bloße Veto nicht ausreichte. — Bestimmte Spuren des di¬ rekten Veto aber zeigen sich allerdings erst gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, als Oesterreich-Spanien unter Karl V., Frankreich nnter Franz I. einen ausgedehnten Einfluß in Italien hatten. Welchen Widerstand es auch damals noch gefunden hat, haben wir schon gesehen, und, es läßt sich ohne Weiteres behaupten, daß das Veto von höchst geringer Wirksamkeit im Ver¬ gleich mit den indirekten Einflüssen, welche die Regierungen auf das Konklave ausübten, gewesen ist. Die letzteren waren natürlich sehr wechselnd, vielfach verschlungen und unverkennbar und entziehen sich zum Theil jeder Würdigung. Eine genaue Kenntniß derselben als Elemente einer Geschichte der Konklave würde sehr viel Licht nicht blos über die Geschichte des Papstthums, sondern auch über die Beziehungen des Heiligen Stuhles zu den Mächten und über die letzteren selbst verbreiten. Die Machinationen im Konklave müßten wie ein Spiegel alle Tendenzen der Zeit erscheinen lassen: die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, die Richtung der päpstlichen und der weltlichen Politik, die Beziehungen der Kardinäle zu der römischen Aristokratie, den italienischen Fürsten und den Großmächten, die Mittel und Wege der Diplomatie, die Stellung der einflußreichen Kreise zum wahren Wesen der Kirche, die allge¬ meinen Ansichten über Kirche und Staat, den Kredit des Heiligen Stuhles bei den einzelnen Regierungen und umgekehrt. — Eine Geschichte dieser Art ist jedoch bis heute noch nicht geschrieben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/398>, abgerufen am 15.05.2024.