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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Bismarck rund heraus, daß er das Tabaksmonopol erstrebe, und uun gestand
der Finanzminister Camphausen, nachdem er Tags zuvor dem Hause auf's
Eingehendste alle bedenklichen Seiten des Monopols zu erwägen gegeben hatte,
daß es mit der gegenwärtigen Vorlage in Wahrheit auf die Vorbereitung des
Tabaksmonopols abgesehen sei. Dadurch gewann denn die Sache eine voll¬
kommen andere Gestalt. Der Reichstag.würde sich also jetzt im Grunde nicht
über die vorgeschlagene Erhöhung der Tabakssteuer schlüssig zu machen haben,
sondern über die prinzipielle Frage, ob Monopol oder nicht. Wäre das
Schicksal des Gesetzentwurfs nicht bereits vorher besiegelt gewesen, diese Wen¬
dung hätte ihm sicher den Todesstoß gegeben. Man kann persönlich die Ueber¬
zeugung hegen, daß der Tabak nur durch die Einführung des Monopols für
die Reichskasse im wünschenswerthen Maße nutzbar gemacht werden kann, in¬
deß werden selbst die Freunde des Monopols zugeben müssen, daß diese Frage
im gegenwärtigen Augenblicke für die Gesetzgebung noch durchaus nicht spruch¬
reif ist. Am allerwenigsten aber kann der Reichstag zugeben, daß das Monopol
so zu sagen eingeschmuggelt wird! Die Verweisung der Stenervorlagen an die
Budgetkommission, wie sie mit großer Majorität beschlossen wurde, bedeutet
lediglich das anständige Begräbniß derselben!

Wenn nach dieser Seite hin die Steuerdebatte also gewissermaßen zu einem
Abschluß geführt hat, so sind nach einer andern Seite hin -- und dies ist die
wichtigere -- ihre Folgen noch unabsehbar. Greller, als es im Laufe dieser
Verhandlungen geschehen, konnte die gänzliche UnHaltbarkeit der heutigen Reichs¬
organisation nicht zur Anschauung gelangen. Es bedürfte gar nicht erst über¬
zeugender Reden, wo die Thatsachen so laut für die Nothwendigkeit der
Schaffung eines Reichsfinanzamts unter einem verantwortlichen Leiter sprachen.
Wir lassen die persönliche Wendung, welche der preußische Finanzminister in
dieser Beziehung der Debatte gab, ganz bei Seite. Die Verhandlungen mö¬
gen dadurch an dramatischem Interesse gewonnen haben, eine sachliche Noth¬
wendigkeit zu solchen Auseinandersetzungen lag indeß nicht vor. Es handelt
sich um organische Mißstände in den Reichseinrichtungen, welche ohne alle
persönliche Rücksichtnahme beseitigt werden müssen. Daß diese Mißstände jetzt
so peinlich hervortraten, konnte allerdings nirgends einen erfreulichen Eindruck
machen; immerhin aber hat es jedenfalls die Ueberzeugung von der unerlä߬
lichen Nothwendigkeit einer raschen Heilung bestärkt. Und so ist denn hoffent¬
lich die Steuerdebatte für die bevorstehende Berathung der Stellvertretungs¬
vorlage, bei welcher recht eigentlich der Finger in die Wunde zu legen sein
X- e- wird, nicht ohne Nutzen gewesen.




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Bismarck rund heraus, daß er das Tabaksmonopol erstrebe, und uun gestand
der Finanzminister Camphausen, nachdem er Tags zuvor dem Hause auf's
Eingehendste alle bedenklichen Seiten des Monopols zu erwägen gegeben hatte,
daß es mit der gegenwärtigen Vorlage in Wahrheit auf die Vorbereitung des
Tabaksmonopols abgesehen sei. Dadurch gewann denn die Sache eine voll¬
kommen andere Gestalt. Der Reichstag.würde sich also jetzt im Grunde nicht
über die vorgeschlagene Erhöhung der Tabakssteuer schlüssig zu machen haben,
sondern über die prinzipielle Frage, ob Monopol oder nicht. Wäre das
Schicksal des Gesetzentwurfs nicht bereits vorher besiegelt gewesen, diese Wen¬
dung hätte ihm sicher den Todesstoß gegeben. Man kann persönlich die Ueber¬
zeugung hegen, daß der Tabak nur durch die Einführung des Monopols für
die Reichskasse im wünschenswerthen Maße nutzbar gemacht werden kann, in¬
deß werden selbst die Freunde des Monopols zugeben müssen, daß diese Frage
im gegenwärtigen Augenblicke für die Gesetzgebung noch durchaus nicht spruch¬
reif ist. Am allerwenigsten aber kann der Reichstag zugeben, daß das Monopol
so zu sagen eingeschmuggelt wird! Die Verweisung der Stenervorlagen an die
Budgetkommission, wie sie mit großer Majorität beschlossen wurde, bedeutet
lediglich das anständige Begräbniß derselben!

Wenn nach dieser Seite hin die Steuerdebatte also gewissermaßen zu einem
Abschluß geführt hat, so sind nach einer andern Seite hin — und dies ist die
wichtigere — ihre Folgen noch unabsehbar. Greller, als es im Laufe dieser
Verhandlungen geschehen, konnte die gänzliche UnHaltbarkeit der heutigen Reichs¬
organisation nicht zur Anschauung gelangen. Es bedürfte gar nicht erst über¬
zeugender Reden, wo die Thatsachen so laut für die Nothwendigkeit der
Schaffung eines Reichsfinanzamts unter einem verantwortlichen Leiter sprachen.
Wir lassen die persönliche Wendung, welche der preußische Finanzminister in
dieser Beziehung der Debatte gab, ganz bei Seite. Die Verhandlungen mö¬
gen dadurch an dramatischem Interesse gewonnen haben, eine sachliche Noth¬
wendigkeit zu solchen Auseinandersetzungen lag indeß nicht vor. Es handelt
sich um organische Mißstände in den Reichseinrichtungen, welche ohne alle
persönliche Rücksichtnahme beseitigt werden müssen. Daß diese Mißstände jetzt
so peinlich hervortraten, konnte allerdings nirgends einen erfreulichen Eindruck
machen; immerhin aber hat es jedenfalls die Ueberzeugung von der unerlä߬
lichen Nothwendigkeit einer raschen Heilung bestärkt. Und so ist denn hoffent¬
lich die Steuerdebatte für die bevorstehende Berathung der Stellvertretungs¬
vorlage, bei welcher recht eigentlich der Finger in die Wunde zu legen sein
X- e- wird, nicht ohne Nutzen gewesen.




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[0401] Bismarck rund heraus, daß er das Tabaksmonopol erstrebe, und uun gestand der Finanzminister Camphausen, nachdem er Tags zuvor dem Hause auf's Eingehendste alle bedenklichen Seiten des Monopols zu erwägen gegeben hatte, daß es mit der gegenwärtigen Vorlage in Wahrheit auf die Vorbereitung des Tabaksmonopols abgesehen sei. Dadurch gewann denn die Sache eine voll¬ kommen andere Gestalt. Der Reichstag.würde sich also jetzt im Grunde nicht über die vorgeschlagene Erhöhung der Tabakssteuer schlüssig zu machen haben, sondern über die prinzipielle Frage, ob Monopol oder nicht. Wäre das Schicksal des Gesetzentwurfs nicht bereits vorher besiegelt gewesen, diese Wen¬ dung hätte ihm sicher den Todesstoß gegeben. Man kann persönlich die Ueber¬ zeugung hegen, daß der Tabak nur durch die Einführung des Monopols für die Reichskasse im wünschenswerthen Maße nutzbar gemacht werden kann, in¬ deß werden selbst die Freunde des Monopols zugeben müssen, daß diese Frage im gegenwärtigen Augenblicke für die Gesetzgebung noch durchaus nicht spruch¬ reif ist. Am allerwenigsten aber kann der Reichstag zugeben, daß das Monopol so zu sagen eingeschmuggelt wird! Die Verweisung der Stenervorlagen an die Budgetkommission, wie sie mit großer Majorität beschlossen wurde, bedeutet lediglich das anständige Begräbniß derselben! Wenn nach dieser Seite hin die Steuerdebatte also gewissermaßen zu einem Abschluß geführt hat, so sind nach einer andern Seite hin — und dies ist die wichtigere — ihre Folgen noch unabsehbar. Greller, als es im Laufe dieser Verhandlungen geschehen, konnte die gänzliche UnHaltbarkeit der heutigen Reichs¬ organisation nicht zur Anschauung gelangen. Es bedürfte gar nicht erst über¬ zeugender Reden, wo die Thatsachen so laut für die Nothwendigkeit der Schaffung eines Reichsfinanzamts unter einem verantwortlichen Leiter sprachen. Wir lassen die persönliche Wendung, welche der preußische Finanzminister in dieser Beziehung der Debatte gab, ganz bei Seite. Die Verhandlungen mö¬ gen dadurch an dramatischem Interesse gewonnen haben, eine sachliche Noth¬ wendigkeit zu solchen Auseinandersetzungen lag indeß nicht vor. Es handelt sich um organische Mißstände in den Reichseinrichtungen, welche ohne alle persönliche Rücksichtnahme beseitigt werden müssen. Daß diese Mißstände jetzt so peinlich hervortraten, konnte allerdings nirgends einen erfreulichen Eindruck machen; immerhin aber hat es jedenfalls die Ueberzeugung von der unerlä߬ lichen Nothwendigkeit einer raschen Heilung bestärkt. Und so ist denn hoffent¬ lich die Steuerdebatte für die bevorstehende Berathung der Stellvertretungs¬ vorlage, bei welcher recht eigentlich der Finger in die Wunde zu legen sein X- e- wird, nicht ohne Nutzen gewesen. Grenzboten I. 1S7S.ü(>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/401>, abgerufen am 15.05.2024.