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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Dichter seiner Zeit, erst 27 Jahre alt. ein Freund Ariosts, dabei einer der
zwölf Richter Ferraras.*) Das Wunderbare war, daß die Gerichte schwiegen,
und niemand laut den Urheber des Mordes zu nennen wagte. Als keine
Anstalten gemacht wurden, dem Mörder nachzuspüren, sagte sich aber bald ein
jeder, daß nur der, welcher Macht über die Gerichte besitze, der Urheber sein
könne. Die allgemeine Ansicht und wohl mit Recht ging dahin, daß der
Herzog Strozzi aus Leidenschaft umbringen ließ, nur lassen es einige Quellen
als zweifelhaft erscheinen, ob es Leidenschaft für Strozzi's Gemahlin oder
wahrscheinlicher Eifersucht auf Lukrezia, das heißt Rache für geschenkte Gunst
war. Jedenfalls war dies der letzte blutige und unheimliche Akt in Lukrezia's
Leben; sie lebte fortan in Frieden mit ihrem Gemahl, dem sie mehrere Söhne
gebar.

Unzweifelhaft ist es, daß sie mit zunehmendem Alter überaus fromm
wurde und sich religiöser Andacht wie kirchlichen Anstalten mit Eifer hingab.
Es lag dies sonst nicht in ihrem " ewig heiteren" Wesen und auch Gregorovius
meint, daß es in ihren Schicksalen und ihrer Vergangenheit seinen Grund ge¬
habt haben muß.

Schön blieb sie trotzdem bis an ihr Ende, aber alt wurde sie nicht. Am
14. Juni 1519 gebar sie, 39 Jahre alt, ein todtes Kind. Zehn Tage darauf
starb sie an den Folgen der Entbindung.

Cagnolo von Parma, ein guter Zeuge, sagt von ihr: "sie ist von mittlerer
Größe und zierlicher Gestalt, ihr Gesicht länglich, die Nase schön profitirt, die
Haare goldhell, die Augen von unbestimmter Farbe, der Mund etwas groß,
die Zähne blendend weiß, der Hals schlank und weiß, bedeutend und doch voll
Maß. Ihr ganzes Wesen athmet stets lachende Heiterkeit."**)






') Greg. I. S. 296.
**) Wunderlicherweise vergleicht Gregorovius am Schlüsse seines Buches Lukrezia noch
mit Jmvgen, einer der reinsten von Shakespeares Frauengestalten. Die Medaille, welche
Gr. mittheilt, zeigt ein feines, fast kindliches Gesicht, mit vollem gelöstem Haar, nicht gerade
schöne Züge.

Dichter seiner Zeit, erst 27 Jahre alt. ein Freund Ariosts, dabei einer der
zwölf Richter Ferraras.*) Das Wunderbare war, daß die Gerichte schwiegen,
und niemand laut den Urheber des Mordes zu nennen wagte. Als keine
Anstalten gemacht wurden, dem Mörder nachzuspüren, sagte sich aber bald ein
jeder, daß nur der, welcher Macht über die Gerichte besitze, der Urheber sein
könne. Die allgemeine Ansicht und wohl mit Recht ging dahin, daß der
Herzog Strozzi aus Leidenschaft umbringen ließ, nur lassen es einige Quellen
als zweifelhaft erscheinen, ob es Leidenschaft für Strozzi's Gemahlin oder
wahrscheinlicher Eifersucht auf Lukrezia, das heißt Rache für geschenkte Gunst
war. Jedenfalls war dies der letzte blutige und unheimliche Akt in Lukrezia's
Leben; sie lebte fortan in Frieden mit ihrem Gemahl, dem sie mehrere Söhne
gebar.

Unzweifelhaft ist es, daß sie mit zunehmendem Alter überaus fromm
wurde und sich religiöser Andacht wie kirchlichen Anstalten mit Eifer hingab.
Es lag dies sonst nicht in ihrem „ ewig heiteren" Wesen und auch Gregorovius
meint, daß es in ihren Schicksalen und ihrer Vergangenheit seinen Grund ge¬
habt haben muß.

Schön blieb sie trotzdem bis an ihr Ende, aber alt wurde sie nicht. Am
14. Juni 1519 gebar sie, 39 Jahre alt, ein todtes Kind. Zehn Tage darauf
starb sie an den Folgen der Entbindung.

Cagnolo von Parma, ein guter Zeuge, sagt von ihr: „sie ist von mittlerer
Größe und zierlicher Gestalt, ihr Gesicht länglich, die Nase schön profitirt, die
Haare goldhell, die Augen von unbestimmter Farbe, der Mund etwas groß,
die Zähne blendend weiß, der Hals schlank und weiß, bedeutend und doch voll
Maß. Ihr ganzes Wesen athmet stets lachende Heiterkeit."**)






') Greg. I. S. 296.
**) Wunderlicherweise vergleicht Gregorovius am Schlüsse seines Buches Lukrezia noch
mit Jmvgen, einer der reinsten von Shakespeares Frauengestalten. Die Medaille, welche
Gr. mittheilt, zeigt ein feines, fast kindliches Gesicht, mit vollem gelöstem Haar, nicht gerade
schöne Züge.
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[0506] Dichter seiner Zeit, erst 27 Jahre alt. ein Freund Ariosts, dabei einer der zwölf Richter Ferraras.*) Das Wunderbare war, daß die Gerichte schwiegen, und niemand laut den Urheber des Mordes zu nennen wagte. Als keine Anstalten gemacht wurden, dem Mörder nachzuspüren, sagte sich aber bald ein jeder, daß nur der, welcher Macht über die Gerichte besitze, der Urheber sein könne. Die allgemeine Ansicht und wohl mit Recht ging dahin, daß der Herzog Strozzi aus Leidenschaft umbringen ließ, nur lassen es einige Quellen als zweifelhaft erscheinen, ob es Leidenschaft für Strozzi's Gemahlin oder wahrscheinlicher Eifersucht auf Lukrezia, das heißt Rache für geschenkte Gunst war. Jedenfalls war dies der letzte blutige und unheimliche Akt in Lukrezia's Leben; sie lebte fortan in Frieden mit ihrem Gemahl, dem sie mehrere Söhne gebar. Unzweifelhaft ist es, daß sie mit zunehmendem Alter überaus fromm wurde und sich religiöser Andacht wie kirchlichen Anstalten mit Eifer hingab. Es lag dies sonst nicht in ihrem „ ewig heiteren" Wesen und auch Gregorovius meint, daß es in ihren Schicksalen und ihrer Vergangenheit seinen Grund ge¬ habt haben muß. Schön blieb sie trotzdem bis an ihr Ende, aber alt wurde sie nicht. Am 14. Juni 1519 gebar sie, 39 Jahre alt, ein todtes Kind. Zehn Tage darauf starb sie an den Folgen der Entbindung. Cagnolo von Parma, ein guter Zeuge, sagt von ihr: „sie ist von mittlerer Größe und zierlicher Gestalt, ihr Gesicht länglich, die Nase schön profitirt, die Haare goldhell, die Augen von unbestimmter Farbe, der Mund etwas groß, die Zähne blendend weiß, der Hals schlank und weiß, bedeutend und doch voll Maß. Ihr ganzes Wesen athmet stets lachende Heiterkeit."**) ') Greg. I. S. 296. **) Wunderlicherweise vergleicht Gregorovius am Schlüsse seines Buches Lukrezia noch mit Jmvgen, einer der reinsten von Shakespeares Frauengestalten. Die Medaille, welche Gr. mittheilt, zeigt ein feines, fast kindliches Gesicht, mit vollem gelöstem Haar, nicht gerade schöne Züge.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/506>, abgerufen am 31.05.2024.