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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Are deutsche Literatur während des achtjährigen
Friedens 1748-1756.
(Klopstock, Wieland, Lessing, Winkelmann, Kant.)
Von Julian Schmidt. IV.

Lessing stand, ohne es zu wollen, auf einer Seite mit den Gottschedia-
nern, die nun mit verdoppelter Wuth über Kio p stock herfielen.

Ein alter Dr. Triller schrieb ein spöttisches Heldengedicht, "der Wurm¬
samen." "Die neuen Heldengedichte, davon bisher so ein ungestümes Lärmen,
zum Trotz der gesunden Vernunft und Beleidigung des Wohlklangs allent¬
halben gehört worden, sind nur für die Einwohner des Saturn; unsere natürlich
denkenden Weltbürger werden sie nicht eher verstehen, als bis sie in reines
Deutsch übersetzt werden. -- schöpferisch schreiben, schöpferisch dichten, sind
strafbare und unchristliche Ausdrücke. -- Wenn diejenigen Schöpfergeister sind,
die ein Paar Dutzend neue und zum Theil gar fromme und büßende Teufel,
und Schaaren von Seraphim eigenmächtig erdichten, oder eine frostige und
finstre Sonne unter der Erde ungeheißen aufgehen lassen: so gehören alle
Trunkne, Träumende und Mondsüchtige in die Klasse der schöpferischen Geister."
-- "Ich danke dem gütigen Himmel, daß ich von der Dichtkunst nicht leben
darf, fondern weit rühmlicher etwas Anderes und nützlicheres gelernt habe, als
meine Versorgung mit schöpferischen Gedichten zu gewinnen, oder mit elendem
Zeitungsschreiber und unverständigen Durchhecheln gelehrter Männer das
Brod zu verdienen."

Januar 1752 trat Gottsched selbst mit dem "bescheidenen Gutachten,
was von den bisherigen christlichen Epopöen der Deutschen zu halten sei?"
hervor: "Es sind Gedichte, dazu der Stoff aus der Schrift hergenommen wor¬
den, die von allen Christen als eine untrügliche Wahrheit angenommenMd
verehrt wird; dem aber die Dichter aus ihrem eigenen Witz viel seMmtyM-
dichtungen beifügen. Was thun unsre geistlichen EpopöendickM "KdeM^ßH
daß sie einen an den Rabbinen billig verdammten MlnsMfff-iMftMUMN
Art brauchen? die Bibel mit ihren Träumen.MsMsniiünK Lied^WahchMMit
Lügen verbrämen!" Gottsched wundert ^W/^mzdioichesitWg"MottesMchritÄl
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spötterei so geneigten Zeit- deK'WaPenWMeüch"in6MdchswMUnzjchsm^M


Are deutsche Literatur während des achtjährigen
Friedens 1748-1756.
(Klopstock, Wieland, Lessing, Winkelmann, Kant.)
Von Julian Schmidt. IV.

Lessing stand, ohne es zu wollen, auf einer Seite mit den Gottschedia-
nern, die nun mit verdoppelter Wuth über Kio p stock herfielen.

Ein alter Dr. Triller schrieb ein spöttisches Heldengedicht, „der Wurm¬
samen." „Die neuen Heldengedichte, davon bisher so ein ungestümes Lärmen,
zum Trotz der gesunden Vernunft und Beleidigung des Wohlklangs allent¬
halben gehört worden, sind nur für die Einwohner des Saturn; unsere natürlich
denkenden Weltbürger werden sie nicht eher verstehen, als bis sie in reines
Deutsch übersetzt werden. — schöpferisch schreiben, schöpferisch dichten, sind
strafbare und unchristliche Ausdrücke. — Wenn diejenigen Schöpfergeister sind,
die ein Paar Dutzend neue und zum Theil gar fromme und büßende Teufel,
und Schaaren von Seraphim eigenmächtig erdichten, oder eine frostige und
finstre Sonne unter der Erde ungeheißen aufgehen lassen: so gehören alle
Trunkne, Träumende und Mondsüchtige in die Klasse der schöpferischen Geister."
— „Ich danke dem gütigen Himmel, daß ich von der Dichtkunst nicht leben
darf, fondern weit rühmlicher etwas Anderes und nützlicheres gelernt habe, als
meine Versorgung mit schöpferischen Gedichten zu gewinnen, oder mit elendem
Zeitungsschreiber und unverständigen Durchhecheln gelehrter Männer das
Brod zu verdienen."

Januar 1752 trat Gottsched selbst mit dem „bescheidenen Gutachten,
was von den bisherigen christlichen Epopöen der Deutschen zu halten sei?"
hervor: „Es sind Gedichte, dazu der Stoff aus der Schrift hergenommen wor¬
den, die von allen Christen als eine untrügliche Wahrheit angenommenMd
verehrt wird; dem aber die Dichter aus ihrem eigenen Witz viel seMmtyM-
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[0507] Are deutsche Literatur während des achtjährigen Friedens 1748-1756. (Klopstock, Wieland, Lessing, Winkelmann, Kant.) Von Julian Schmidt. IV. Lessing stand, ohne es zu wollen, auf einer Seite mit den Gottschedia- nern, die nun mit verdoppelter Wuth über Kio p stock herfielen. Ein alter Dr. Triller schrieb ein spöttisches Heldengedicht, „der Wurm¬ samen." „Die neuen Heldengedichte, davon bisher so ein ungestümes Lärmen, zum Trotz der gesunden Vernunft und Beleidigung des Wohlklangs allent¬ halben gehört worden, sind nur für die Einwohner des Saturn; unsere natürlich denkenden Weltbürger werden sie nicht eher verstehen, als bis sie in reines Deutsch übersetzt werden. — schöpferisch schreiben, schöpferisch dichten, sind strafbare und unchristliche Ausdrücke. — Wenn diejenigen Schöpfergeister sind, die ein Paar Dutzend neue und zum Theil gar fromme und büßende Teufel, und Schaaren von Seraphim eigenmächtig erdichten, oder eine frostige und finstre Sonne unter der Erde ungeheißen aufgehen lassen: so gehören alle Trunkne, Träumende und Mondsüchtige in die Klasse der schöpferischen Geister." — „Ich danke dem gütigen Himmel, daß ich von der Dichtkunst nicht leben darf, fondern weit rühmlicher etwas Anderes und nützlicheres gelernt habe, als meine Versorgung mit schöpferischen Gedichten zu gewinnen, oder mit elendem Zeitungsschreiber und unverständigen Durchhecheln gelehrter Männer das Brod zu verdienen." Januar 1752 trat Gottsched selbst mit dem „bescheidenen Gutachten, was von den bisherigen christlichen Epopöen der Deutschen zu halten sei?" hervor: „Es sind Gedichte, dazu der Stoff aus der Schrift hergenommen wor¬ den, die von allen Christen als eine untrügliche Wahrheit angenommenMd verehrt wird; dem aber die Dichter aus ihrem eigenen Witz viel seMmtyM- dichtungen beifügen. Was thun unsre geistlichen EpopöendickM «KdeM^ßH daß sie einen an den Rabbinen billig verdammten MlnsMfff-iMftMUMN Art brauchen? die Bibel mit ihren Träumen.MsMsniiünK Lied^WahchMMit Lügen verbrämen!" Gottsched wundert ^W/^mzdioichesitWg«MottesMchritÄl nicht wahrnahmen, wieviel solch MtlMchMgsMW'lsÄj mckrtzzM Rchgions- spötterei so geneigten Zeit- deK'WaPenWMeüch«in6MdchswMUnzjchsm^M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/507>, abgerufen am 31.05.2024.