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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Haussohn an, der den gräulichsten Unfug bei Tafel treibt, und dein heuchleri¬
schen Wucherer, der immer von den humanen Absichten seiner Handelsoperationen
spricht, bis zu dem "Professor" Romeli, dem Redakteur des Oppositionsblattes,
in dem einige Herren von der Redaktion gewisser Frankfurter und Berliner
Raisonnirorgcme unschwer ihre Photographie wiedererkennen dürften. Mehr
wollen wir über den Inhalt nicht verrathen. Unsre Leser mögen die ganze
Erzählung, das ganze Buch lesen; sie werden es gewiß nicht bereuen.

Den Schluß des Bändchens bildet eine Erzählung von Grazia Pierantoni
Mancini und ist einer Sammlung Novellen (Dora u. a.) entnommen, die 1876
in Mailand erschienen sind. Der ungewöhnliche Titel "Das Haus versteckt,
aber verliert nichts" verschleiert eigentlich nnr eine nichts weniger als unge¬
wöhnliche Geschichte. Ein armer verwaister Maler entdeckt durch einen Zufall,
daß er der eheliche Sohn eines wegen seiner Liebe zu einem armen Mädchen
und seiner patriotischen Gesinnung verstoßenen, ans dem Schlachtfeld gefallenen
Barons sei. Der reiche Großvater ist noch am Leben und will eben das
Mädchen, das der junge Maler liebt, an seinen Großneffen verheirathen, den
er für seinen Erben hält, als ihm ein ehrlicher Arbeiter in taktvollster Weise
von der Existenz des Enkels Kenntniß gibt. Der Großvater besucht den Enkel
in seinem bescheidenen Atelier und ist von ihm bezaubert, der unvermeidliche
greise treue Diener vom Schlage des alten Daniel in den "Räubern" gestaltet
die Szene zu einer höchst rührenden. Der Lump von Großneffen ist zufrieden
damit, daß ihm zum fünfzehnten Male die Schulden bezahlt werden. Und erst
als Raphael und Argia die Hochzeitsreise antreten, verlassen wir das junge
Paar. Alles das ist schon oft in Romanen und Novellen erzählt worden;
daß der schlichte, ungelenke Maurer Beppe die Erzählung uns niederschreibe,
macht sie nicht gerade glaubhafter. Aber dennoch ist ein eigenthümlich origi¬
neller Hauch darüber ausgegossen; überall fallen interessante Streiflichter ans
das italienische Volksleben, aus dessen Innersten Gestalten und Empfindungen
geschöpft sind, vor Allem das Gegenbild der alten Zeit und der alten Stände
Zu der schönen Gleichheit der Gegenwart, und dem hohen Gefühl des Selbst¬
bewußtseins, das jeden Bürger des modernen Italiens erfüllt: Liois L-oina-
UU8 LUw!

Die deutsche Uebersetzung ist durchweg des besten Lobes werth.




Gmizlivte" II. 1878.46

Haussohn an, der den gräulichsten Unfug bei Tafel treibt, und dein heuchleri¬
schen Wucherer, der immer von den humanen Absichten seiner Handelsoperationen
spricht, bis zu dem „Professor" Romeli, dem Redakteur des Oppositionsblattes,
in dem einige Herren von der Redaktion gewisser Frankfurter und Berliner
Raisonnirorgcme unschwer ihre Photographie wiedererkennen dürften. Mehr
wollen wir über den Inhalt nicht verrathen. Unsre Leser mögen die ganze
Erzählung, das ganze Buch lesen; sie werden es gewiß nicht bereuen.

Den Schluß des Bändchens bildet eine Erzählung von Grazia Pierantoni
Mancini und ist einer Sammlung Novellen (Dora u. a.) entnommen, die 1876
in Mailand erschienen sind. Der ungewöhnliche Titel „Das Haus versteckt,
aber verliert nichts" verschleiert eigentlich nnr eine nichts weniger als unge¬
wöhnliche Geschichte. Ein armer verwaister Maler entdeckt durch einen Zufall,
daß er der eheliche Sohn eines wegen seiner Liebe zu einem armen Mädchen
und seiner patriotischen Gesinnung verstoßenen, ans dem Schlachtfeld gefallenen
Barons sei. Der reiche Großvater ist noch am Leben und will eben das
Mädchen, das der junge Maler liebt, an seinen Großneffen verheirathen, den
er für seinen Erben hält, als ihm ein ehrlicher Arbeiter in taktvollster Weise
von der Existenz des Enkels Kenntniß gibt. Der Großvater besucht den Enkel
in seinem bescheidenen Atelier und ist von ihm bezaubert, der unvermeidliche
greise treue Diener vom Schlage des alten Daniel in den „Räubern" gestaltet
die Szene zu einer höchst rührenden. Der Lump von Großneffen ist zufrieden
damit, daß ihm zum fünfzehnten Male die Schulden bezahlt werden. Und erst
als Raphael und Argia die Hochzeitsreise antreten, verlassen wir das junge
Paar. Alles das ist schon oft in Romanen und Novellen erzählt worden;
daß der schlichte, ungelenke Maurer Beppe die Erzählung uns niederschreibe,
macht sie nicht gerade glaubhafter. Aber dennoch ist ein eigenthümlich origi¬
neller Hauch darüber ausgegossen; überall fallen interessante Streiflichter ans
das italienische Volksleben, aus dessen Innersten Gestalten und Empfindungen
geschöpft sind, vor Allem das Gegenbild der alten Zeit und der alten Stände
Zu der schönen Gleichheit der Gegenwart, und dem hohen Gefühl des Selbst¬
bewußtseins, das jeden Bürger des modernen Italiens erfüllt: Liois L-oina-
UU8 LUw!

Die deutsche Uebersetzung ist durchweg des besten Lobes werth.




Gmizlivte» II. 1878.46
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[0357] Haussohn an, der den gräulichsten Unfug bei Tafel treibt, und dein heuchleri¬ schen Wucherer, der immer von den humanen Absichten seiner Handelsoperationen spricht, bis zu dem „Professor" Romeli, dem Redakteur des Oppositionsblattes, in dem einige Herren von der Redaktion gewisser Frankfurter und Berliner Raisonnirorgcme unschwer ihre Photographie wiedererkennen dürften. Mehr wollen wir über den Inhalt nicht verrathen. Unsre Leser mögen die ganze Erzählung, das ganze Buch lesen; sie werden es gewiß nicht bereuen. Den Schluß des Bändchens bildet eine Erzählung von Grazia Pierantoni Mancini und ist einer Sammlung Novellen (Dora u. a.) entnommen, die 1876 in Mailand erschienen sind. Der ungewöhnliche Titel „Das Haus versteckt, aber verliert nichts" verschleiert eigentlich nnr eine nichts weniger als unge¬ wöhnliche Geschichte. Ein armer verwaister Maler entdeckt durch einen Zufall, daß er der eheliche Sohn eines wegen seiner Liebe zu einem armen Mädchen und seiner patriotischen Gesinnung verstoßenen, ans dem Schlachtfeld gefallenen Barons sei. Der reiche Großvater ist noch am Leben und will eben das Mädchen, das der junge Maler liebt, an seinen Großneffen verheirathen, den er für seinen Erben hält, als ihm ein ehrlicher Arbeiter in taktvollster Weise von der Existenz des Enkels Kenntniß gibt. Der Großvater besucht den Enkel in seinem bescheidenen Atelier und ist von ihm bezaubert, der unvermeidliche greise treue Diener vom Schlage des alten Daniel in den „Räubern" gestaltet die Szene zu einer höchst rührenden. Der Lump von Großneffen ist zufrieden damit, daß ihm zum fünfzehnten Male die Schulden bezahlt werden. Und erst als Raphael und Argia die Hochzeitsreise antreten, verlassen wir das junge Paar. Alles das ist schon oft in Romanen und Novellen erzählt worden; daß der schlichte, ungelenke Maurer Beppe die Erzählung uns niederschreibe, macht sie nicht gerade glaubhafter. Aber dennoch ist ein eigenthümlich origi¬ neller Hauch darüber ausgegossen; überall fallen interessante Streiflichter ans das italienische Volksleben, aus dessen Innersten Gestalten und Empfindungen geschöpft sind, vor Allem das Gegenbild der alten Zeit und der alten Stände Zu der schönen Gleichheit der Gegenwart, und dem hohen Gefühl des Selbst¬ bewußtseins, das jeden Bürger des modernen Italiens erfüllt: Liois L-oina- UU8 LUw! Die deutsche Uebersetzung ist durchweg des besten Lobes werth. Gmizlivte» II. 1878.46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/357>, abgerufen am 27.07.2024.