Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bürg und beredet mit ihr heimlich einen Entführungsplan. Mit zwölf Helden,
die als ehrsame Goldschmiede sich verkleiden, zieht Oswald vor das Burgthor;
und während König Aaron mit seinem Gefolge dem goldenen Hirsch, der
freigelassen wird, nachjagt, wird die Prinzessin glücklich entführt. König
Aaron aber, über den Trug erzürnt, stößt in sein goldenes Horn, "das durch
drei Königreiche weit erschallt", sammelt ein großes Heer und erreicht den
Räuber auf einem Eilande mitten im Meere. In seiner Noth gelobt Oswald,
alles, was man künftig in Christi Namen von ihm erbitten werde, zu ge¬
währen, wenn er heil nach England komme. Den "svmmerlangen" Tag hin¬
durch wird gekämpft; alle Heiden werden erschlagen, nur König Aaron findet
Gnade. Der Sieger will feinen Schwiegervater von der größeren Macht des
Christengvttes überzeugen und erweckt dnrch sein Gebet die Erschlagenen vom
Tode. Als nun der Anhänger "Machmet's" Muhamed's) mit Hilfe der
Auferstandenen das Schlachteuglück von neuem zu versuchen wünscht, weigern
diese den Dienst und verlangen nach der Taufe. Da muß auch ihr König
sich fügen; nur trägt er Bedenken, sein Haupt mit salzigem Meerwasser be¬
netzen zu lassen. Ein Brunnen süßen Wassers, den Oswald mit Gottes Hilfe
aus einem nackten Felsen entspringen läßt, überhebt ihn dieser Besorgniß. Die
Täuflinge, welche bereits todt waren und jetzt erfahren, sie würden im Laufe
eines Jahres sterben, erklären, lieber gleich vom Leben scheiden zu wollen, und
erlangen auf ein Gebet Oswald's die Erfüllung ihres Wunsches.

In England wird große Hochzeit gehalten. Unter den Schaaren der
Armen naht auch der Heiland in Pilgergestalt, um den König persönlich zu
versuchen. Er stellt so unverschämte Forderungen, daß die Hofleute über ihn
herfallen, wird aber von Oswald mit kräftiger Hand geschützt. Selbst als der
Pilger Krone und Weib vom Könige in Gottes Namen heischt, weigert dieser
die Bitte nicht, jenes Gelübdes gedenkend, das er in der Noth gethan. Da
giebt sich Christus zu erkennen und kündigt dem Königspaare einen sanften
Tod und die Seligkeit des Jenseits an, wenn sie strenge Enthaltsamkeit in
ihrer Ehe üben würden. Oswald und die schöne Paimg folgen der göttlichen
Ermahnung und gehen selig in den Himmel ein.

So weit das Gedicht. Der historische König von England Oswald ward
604 geboren und gelangte 635 zur Herrschaft. Er hat das Verdienst, das
Britenvolk zum Christenglcinben übergeführt zu haben. Wie der Held unsers
Gedichtes, entsagte auch er zugleich mit seiner Gemahlin Kyneburg jedweder
Weltfreude, würde im Kampfe gegen Penda, den König der heidnischen Mercier,
getödtet und später als Märthrer für das Christenthum heilig gesprochen. Noch
heute ist Se. Oswald einer der mächtigsten und gefeiertsten Fürbitter des
I. V. katholischen Volkes, und sein Ansehen gilt durch ganz Oberdeutschland.


bürg und beredet mit ihr heimlich einen Entführungsplan. Mit zwölf Helden,
die als ehrsame Goldschmiede sich verkleiden, zieht Oswald vor das Burgthor;
und während König Aaron mit seinem Gefolge dem goldenen Hirsch, der
freigelassen wird, nachjagt, wird die Prinzessin glücklich entführt. König
Aaron aber, über den Trug erzürnt, stößt in sein goldenes Horn, „das durch
drei Königreiche weit erschallt", sammelt ein großes Heer und erreicht den
Räuber auf einem Eilande mitten im Meere. In seiner Noth gelobt Oswald,
alles, was man künftig in Christi Namen von ihm erbitten werde, zu ge¬
währen, wenn er heil nach England komme. Den „svmmerlangen" Tag hin¬
durch wird gekämpft; alle Heiden werden erschlagen, nur König Aaron findet
Gnade. Der Sieger will feinen Schwiegervater von der größeren Macht des
Christengvttes überzeugen und erweckt dnrch sein Gebet die Erschlagenen vom
Tode. Als nun der Anhänger „Machmet's" Muhamed's) mit Hilfe der
Auferstandenen das Schlachteuglück von neuem zu versuchen wünscht, weigern
diese den Dienst und verlangen nach der Taufe. Da muß auch ihr König
sich fügen; nur trägt er Bedenken, sein Haupt mit salzigem Meerwasser be¬
netzen zu lassen. Ein Brunnen süßen Wassers, den Oswald mit Gottes Hilfe
aus einem nackten Felsen entspringen läßt, überhebt ihn dieser Besorgniß. Die
Täuflinge, welche bereits todt waren und jetzt erfahren, sie würden im Laufe
eines Jahres sterben, erklären, lieber gleich vom Leben scheiden zu wollen, und
erlangen auf ein Gebet Oswald's die Erfüllung ihres Wunsches.

In England wird große Hochzeit gehalten. Unter den Schaaren der
Armen naht auch der Heiland in Pilgergestalt, um den König persönlich zu
versuchen. Er stellt so unverschämte Forderungen, daß die Hofleute über ihn
herfallen, wird aber von Oswald mit kräftiger Hand geschützt. Selbst als der
Pilger Krone und Weib vom Könige in Gottes Namen heischt, weigert dieser
die Bitte nicht, jenes Gelübdes gedenkend, das er in der Noth gethan. Da
giebt sich Christus zu erkennen und kündigt dem Königspaare einen sanften
Tod und die Seligkeit des Jenseits an, wenn sie strenge Enthaltsamkeit in
ihrer Ehe üben würden. Oswald und die schöne Paimg folgen der göttlichen
Ermahnung und gehen selig in den Himmel ein.

So weit das Gedicht. Der historische König von England Oswald ward
604 geboren und gelangte 635 zur Herrschaft. Er hat das Verdienst, das
Britenvolk zum Christenglcinben übergeführt zu haben. Wie der Held unsers
Gedichtes, entsagte auch er zugleich mit seiner Gemahlin Kyneburg jedweder
Weltfreude, würde im Kampfe gegen Penda, den König der heidnischen Mercier,
getödtet und später als Märthrer für das Christenthum heilig gesprochen. Noch
heute ist Se. Oswald einer der mächtigsten und gefeiertsten Fürbitter des
I. V. katholischen Volkes, und sein Ansehen gilt durch ganz Oberdeutschland.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140613"/>
          <p xml:id="ID_794" prev="#ID_793"> bürg und beredet mit ihr heimlich einen Entführungsplan. Mit zwölf Helden,<lb/>
die als ehrsame Goldschmiede sich verkleiden, zieht Oswald vor das Burgthor;<lb/>
und während König Aaron mit seinem Gefolge dem goldenen Hirsch, der<lb/>
freigelassen wird, nachjagt, wird die Prinzessin glücklich entführt. König<lb/>
Aaron aber, über den Trug erzürnt, stößt in sein goldenes Horn, &#x201E;das durch<lb/>
drei Königreiche weit erschallt", sammelt ein großes Heer und erreicht den<lb/>
Räuber auf einem Eilande mitten im Meere. In seiner Noth gelobt Oswald,<lb/>
alles, was man künftig in Christi Namen von ihm erbitten werde, zu ge¬<lb/>
währen, wenn er heil nach England komme. Den &#x201E;svmmerlangen" Tag hin¬<lb/>
durch wird gekämpft; alle Heiden werden erschlagen, nur König Aaron findet<lb/>
Gnade. Der Sieger will feinen Schwiegervater von der größeren Macht des<lb/>
Christengvttes überzeugen und erweckt dnrch sein Gebet die Erschlagenen vom<lb/>
Tode. Als nun der Anhänger &#x201E;Machmet's" Muhamed's) mit Hilfe der<lb/>
Auferstandenen das Schlachteuglück von neuem zu versuchen wünscht, weigern<lb/>
diese den Dienst und verlangen nach der Taufe. Da muß auch ihr König<lb/>
sich fügen; nur trägt er Bedenken, sein Haupt mit salzigem Meerwasser be¬<lb/>
netzen zu lassen. Ein Brunnen süßen Wassers, den Oswald mit Gottes Hilfe<lb/>
aus einem nackten Felsen entspringen läßt, überhebt ihn dieser Besorgniß. Die<lb/>
Täuflinge, welche bereits todt waren und jetzt erfahren, sie würden im Laufe<lb/>
eines Jahres sterben, erklären, lieber gleich vom Leben scheiden zu wollen, und<lb/>
erlangen auf ein Gebet Oswald's die Erfüllung ihres Wunsches.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_795"> In England wird große Hochzeit gehalten. Unter den Schaaren der<lb/>
Armen naht auch der Heiland in Pilgergestalt, um den König persönlich zu<lb/>
versuchen. Er stellt so unverschämte Forderungen, daß die Hofleute über ihn<lb/>
herfallen, wird aber von Oswald mit kräftiger Hand geschützt. Selbst als der<lb/>
Pilger Krone und Weib vom Könige in Gottes Namen heischt, weigert dieser<lb/>
die Bitte nicht, jenes Gelübdes gedenkend, das er in der Noth gethan. Da<lb/>
giebt sich Christus zu erkennen und kündigt dem Königspaare einen sanften<lb/>
Tod und die Seligkeit des Jenseits an, wenn sie strenge Enthaltsamkeit in<lb/>
ihrer Ehe üben würden. Oswald und die schöne Paimg folgen der göttlichen<lb/>
Ermahnung und gehen selig in den Himmel ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_796" next="#ID_797"> So weit das Gedicht. Der historische König von England Oswald ward<lb/>
604 geboren und gelangte 635 zur Herrschaft. Er hat das Verdienst, das<lb/>
Britenvolk zum Christenglcinben übergeführt zu haben. Wie der Held unsers<lb/>
Gedichtes, entsagte auch er zugleich mit seiner Gemahlin Kyneburg jedweder<lb/>
Weltfreude, würde im Kampfe gegen Penda, den König der heidnischen Mercier,<lb/>
getödtet und später als Märthrer für das Christenthum heilig gesprochen. Noch<lb/>
heute ist Se. Oswald einer der mächtigsten und gefeiertsten Fürbitter des<lb/><note type="byline"> I. V.</note> katholischen Volkes, und sein Ansehen gilt durch ganz Oberdeutschland. </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] bürg und beredet mit ihr heimlich einen Entführungsplan. Mit zwölf Helden, die als ehrsame Goldschmiede sich verkleiden, zieht Oswald vor das Burgthor; und während König Aaron mit seinem Gefolge dem goldenen Hirsch, der freigelassen wird, nachjagt, wird die Prinzessin glücklich entführt. König Aaron aber, über den Trug erzürnt, stößt in sein goldenes Horn, „das durch drei Königreiche weit erschallt", sammelt ein großes Heer und erreicht den Räuber auf einem Eilande mitten im Meere. In seiner Noth gelobt Oswald, alles, was man künftig in Christi Namen von ihm erbitten werde, zu ge¬ währen, wenn er heil nach England komme. Den „svmmerlangen" Tag hin¬ durch wird gekämpft; alle Heiden werden erschlagen, nur König Aaron findet Gnade. Der Sieger will feinen Schwiegervater von der größeren Macht des Christengvttes überzeugen und erweckt dnrch sein Gebet die Erschlagenen vom Tode. Als nun der Anhänger „Machmet's" Muhamed's) mit Hilfe der Auferstandenen das Schlachteuglück von neuem zu versuchen wünscht, weigern diese den Dienst und verlangen nach der Taufe. Da muß auch ihr König sich fügen; nur trägt er Bedenken, sein Haupt mit salzigem Meerwasser be¬ netzen zu lassen. Ein Brunnen süßen Wassers, den Oswald mit Gottes Hilfe aus einem nackten Felsen entspringen läßt, überhebt ihn dieser Besorgniß. Die Täuflinge, welche bereits todt waren und jetzt erfahren, sie würden im Laufe eines Jahres sterben, erklären, lieber gleich vom Leben scheiden zu wollen, und erlangen auf ein Gebet Oswald's die Erfüllung ihres Wunsches. In England wird große Hochzeit gehalten. Unter den Schaaren der Armen naht auch der Heiland in Pilgergestalt, um den König persönlich zu versuchen. Er stellt so unverschämte Forderungen, daß die Hofleute über ihn herfallen, wird aber von Oswald mit kräftiger Hand geschützt. Selbst als der Pilger Krone und Weib vom Könige in Gottes Namen heischt, weigert dieser die Bitte nicht, jenes Gelübdes gedenkend, das er in der Noth gethan. Da giebt sich Christus zu erkennen und kündigt dem Königspaare einen sanften Tod und die Seligkeit des Jenseits an, wenn sie strenge Enthaltsamkeit in ihrer Ehe üben würden. Oswald und die schöne Paimg folgen der göttlichen Ermahnung und gehen selig in den Himmel ein. So weit das Gedicht. Der historische König von England Oswald ward 604 geboren und gelangte 635 zur Herrschaft. Er hat das Verdienst, das Britenvolk zum Christenglcinben übergeführt zu haben. Wie der Held unsers Gedichtes, entsagte auch er zugleich mit seiner Gemahlin Kyneburg jedweder Weltfreude, würde im Kampfe gegen Penda, den König der heidnischen Mercier, getödtet und später als Märthrer für das Christenthum heilig gesprochen. Noch heute ist Se. Oswald einer der mächtigsten und gefeiertsten Fürbitter des I. V. katholischen Volkes, und sein Ansehen gilt durch ganz Oberdeutschland.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/262>, abgerufen am 16.06.2024.