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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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alten Lotter und den Vormündern seiner Enkel ein Streit entstanden "der
Teylung halben, vnd des heurat geldis das der Frciwen vadter Melchior Lotter
Welsen Henning seligen mittzugeben zugesagt". Man einigte sich dahin, daß der
Großvater seinen Enkeln 100 Gulden aussetzte "zuuoraus vor allen anndern
seinen kyndern, welche Iren auch ehir sich seine kinder kalten gereicht vnd ge¬
geben werden sollenn".

Die Geringfügigkeit der ausgesetzten Summe gestattet einen Schluß auf die
damalige Vermögenslage Lotter's. Allerdings läßt sich die Thätigkeit der
Lotter'schen Druckerei in Leipzig noch bis Ende der dreißiger Jahre nachweisen,
aber sie ist eine unbedeutende und fast verschwindende im Vergleich zu der, die
er von 1500 bis 1520 entfaltet hatte. Die Aeußerung, die in der oben aus
den "Tischreden" angeführten Stelle Luther über den Rückgang von Lotter's
Geschäft in den Mund gelegt wird, scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Die Herberge und den Weinschank in seinem Hanse führte er, wie seine auch
jetzt noch ziemlich hohen Beisteuern zum "Schlegeschatz" beweisen, eine Reihe
von Jahren noch fort. Auch sonstige Zeugnisse sprechen dafür. Im Jahre
1527 ist in den Stadtkassenrechnungen gebucht: "Des Abts von der Czellen
(Kloster Altenzelle) Jegerknechte der eyn jungen Hirschen aider bracht, zunor-
tringken 30 gr. Diäoin außlosung, das er zu Melchior Lothern vortzert (ver¬
zehrt), 25 gr.", und 1529 wird Lotter mit 40 Groschen gestraft, weil er "hat
vber vnsers g. h. vnd des Rats vorbott in seynem Weynkeller dnrch den
Schengken vorbottene Müntz nehmen lassen". Daß er auch Bier in seiner
Herberge verschenkte, kann man vielleicht daraus schließen, daß er 1527 dem
Rathe "das Brawgerethe zu lyndenaw" für 3 Schock abkaufte.

Auf einen Rückgang seines Wohlstandes deutet es auch, daß Lotter zu
Anfang der vierziger Jahre sein Haus verkaufte. Noch 1539 nahm er, wie
aus den Akten der Universitätsrektoren hervorgeht, von der Universität eine
Hypothek von 200 Gulden darauf, nicht für sich, sondern um dem Buchhändler
Henning Sosat damit aufzuhelfen. Drei Jahre später wurde die Hypothek an
den Weinschenk Georg Helferich, der Lotter's Haus inzwischen gekauft hatte
-- er wurde im Volksmuude der "lange Jürge" genannt -- cedirt und von
diesem zu Michaeli 1543 abgestoßen.

In der Bürgerschaft nahm Lotter jedenfalls stets eine geachtete Stellung
ein. Nicht selten erscheint er als "Vormund" in gerichtlichen Verhandlungen,
1533 berief man ihn, wie das Stadtbuch berichtet, zum Spitalmeister von
Se. Georgen, und 1539 wurde er -- der erste Leipziger Buchdrucker und
Buchhändler, dem diese Ehre widerfuhr -- in den Rath der Stadt gewählt.
Wie die Rektorenakten erzählen, suchte er 1542 als Richter in einem Konflikt
zwischen Bürgerschaft und Universität -- es hatte ein Kerl am Stadtthore


alten Lotter und den Vormündern seiner Enkel ein Streit entstanden „der
Teylung halben, vnd des heurat geldis das der Frciwen vadter Melchior Lotter
Welsen Henning seligen mittzugeben zugesagt". Man einigte sich dahin, daß der
Großvater seinen Enkeln 100 Gulden aussetzte „zuuoraus vor allen anndern
seinen kyndern, welche Iren auch ehir sich seine kinder kalten gereicht vnd ge¬
geben werden sollenn".

Die Geringfügigkeit der ausgesetzten Summe gestattet einen Schluß auf die
damalige Vermögenslage Lotter's. Allerdings läßt sich die Thätigkeit der
Lotter'schen Druckerei in Leipzig noch bis Ende der dreißiger Jahre nachweisen,
aber sie ist eine unbedeutende und fast verschwindende im Vergleich zu der, die
er von 1500 bis 1520 entfaltet hatte. Die Aeußerung, die in der oben aus
den „Tischreden" angeführten Stelle Luther über den Rückgang von Lotter's
Geschäft in den Mund gelegt wird, scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Die Herberge und den Weinschank in seinem Hanse führte er, wie seine auch
jetzt noch ziemlich hohen Beisteuern zum „Schlegeschatz" beweisen, eine Reihe
von Jahren noch fort. Auch sonstige Zeugnisse sprechen dafür. Im Jahre
1527 ist in den Stadtkassenrechnungen gebucht: „Des Abts von der Czellen
(Kloster Altenzelle) Jegerknechte der eyn jungen Hirschen aider bracht, zunor-
tringken 30 gr. Diäoin außlosung, das er zu Melchior Lothern vortzert (ver¬
zehrt), 25 gr.", und 1529 wird Lotter mit 40 Groschen gestraft, weil er „hat
vber vnsers g. h. vnd des Rats vorbott in seynem Weynkeller dnrch den
Schengken vorbottene Müntz nehmen lassen". Daß er auch Bier in seiner
Herberge verschenkte, kann man vielleicht daraus schließen, daß er 1527 dem
Rathe „das Brawgerethe zu lyndenaw" für 3 Schock abkaufte.

Auf einen Rückgang seines Wohlstandes deutet es auch, daß Lotter zu
Anfang der vierziger Jahre sein Haus verkaufte. Noch 1539 nahm er, wie
aus den Akten der Universitätsrektoren hervorgeht, von der Universität eine
Hypothek von 200 Gulden darauf, nicht für sich, sondern um dem Buchhändler
Henning Sosat damit aufzuhelfen. Drei Jahre später wurde die Hypothek an
den Weinschenk Georg Helferich, der Lotter's Haus inzwischen gekauft hatte
— er wurde im Volksmuude der „lange Jürge" genannt — cedirt und von
diesem zu Michaeli 1543 abgestoßen.

In der Bürgerschaft nahm Lotter jedenfalls stets eine geachtete Stellung
ein. Nicht selten erscheint er als „Vormund" in gerichtlichen Verhandlungen,
1533 berief man ihn, wie das Stadtbuch berichtet, zum Spitalmeister von
Se. Georgen, und 1539 wurde er — der erste Leipziger Buchdrucker und
Buchhändler, dem diese Ehre widerfuhr — in den Rath der Stadt gewählt.
Wie die Rektorenakten erzählen, suchte er 1542 als Richter in einem Konflikt
zwischen Bürgerschaft und Universität — es hatte ein Kerl am Stadtthore


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/308>, abgerufen am 16.06.2024.