Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lich beitrug. Jetzt fand diese festgeschlossene Partei verschiedene Gründe zu
Beschwerden gegen Eichstädt; es handelte sich um nichts Geringeres, als ihn
völlig aus dem Sattel zu heben, ihn unschädlich zu machen. Wurde er an
maßgebender Stelle uicht gehalten, wozu zunächst wohl Aussicht vorhanden
war, so stand auch seine vorzügliche Thätigkeit für die Literaturzeitung in
Frage, und diese bekämpfte die Griesbach'sche Partei vor Allein.

Eichstädt mußte erfahren, daß mau ihn der Eigenmächtigkeit beschuldigte,
da er die Inspection, welche er über die Landeskinder hatte, anch ans die Söhne
der Professoren erstrecken zu wollen, beschuldigt wurde. Man bekämpfte feine
Weigerung, daß er die akademischen Programme nicht der Censur des Senats
unterstellen wollte, klagte ihn der Unthätigkeit im Lesen an der Universität an
und beschuldigte ihn, geflissentlich ungünstige Recensionen von schriftstellerischen
Arbeiten der Jenaer Professoren veranlaßt nud aufgenommen zu haben. Noch
war über die ihm zur Last gelegten Beschwerden nicht verhandelt, als Carl
August den Geheimen Rath Voigt beauftragte, Eichstädt womöglich zur Nieder¬
legung seiner Professur zu bewegen, und seine ganze Kraft der Redaction der
Literaturzeitung zu widmen. Der Ausweg empfahl sich, um wenigstens nach
der einen Seite hin des langen Haders ein Ende zu machen. Aber die Ver¬
handlungen führten zu keinem Ziele; denn Eichstädt sah damit seine physische
und moralische Existenz vernichtet, sich dem Spott und Hohn seiner Gegner
Preis gegeben. Ein Mann, der wie Eichstädt so sehr an sein Lehramt ge¬
wöhnt, sich zu demselben so geeignet und kräftig fühlte, konnte um so weniger
sich zu diesem Schritte entschließen, als er seinen Lebensberuf völlig aufgegeben
hätte und zu geistigem Schaffen unfähig geworden wäre.

Nach der andern Seite hin hatte er bereits zugegeben, was in seinen
Kräften stand. Er verzichtete auf die Inspection über die Professorensöhne
und unterstellte seine Programme der Censur zweier Senatsmitglieder, während
er es von den Entschließungen der Regierungen abhängig machte, ob die
literarischen Arbeiten von Jenenser Professoren blos anzuzeigen oder zu recen-
siren seien. --

Bei diesen Verhältnissen stand in der That zu befürchten, daß Eichstädt
die Redaction der Literaturzeitung aufgab, obwohl durch seine Erbietungen im
Grunde die Hauptquelle der Unzufriedenheit verstopft war, und man hoffen
konnte, daß ernstliche Verwarnungen nach beiden Seiten hin jedes weitere Ge¬
zänk unmöglich machen würden. Es wäre in der That Schade gewesen, wenn
ein kritisches Tribunal, wie die Literaturzeitung, wegen unnützer Querelen und
Streitigkeiten in Frage gestellt wurde, während man sonst Alles für die Wissen¬
schaft in Jena zu thun geneigt war. Was hätte vor Allem das übrige


lich beitrug. Jetzt fand diese festgeschlossene Partei verschiedene Gründe zu
Beschwerden gegen Eichstädt; es handelte sich um nichts Geringeres, als ihn
völlig aus dem Sattel zu heben, ihn unschädlich zu machen. Wurde er an
maßgebender Stelle uicht gehalten, wozu zunächst wohl Aussicht vorhanden
war, so stand auch seine vorzügliche Thätigkeit für die Literaturzeitung in
Frage, und diese bekämpfte die Griesbach'sche Partei vor Allein.

Eichstädt mußte erfahren, daß mau ihn der Eigenmächtigkeit beschuldigte,
da er die Inspection, welche er über die Landeskinder hatte, anch ans die Söhne
der Professoren erstrecken zu wollen, beschuldigt wurde. Man bekämpfte feine
Weigerung, daß er die akademischen Programme nicht der Censur des Senats
unterstellen wollte, klagte ihn der Unthätigkeit im Lesen an der Universität an
und beschuldigte ihn, geflissentlich ungünstige Recensionen von schriftstellerischen
Arbeiten der Jenaer Professoren veranlaßt nud aufgenommen zu haben. Noch
war über die ihm zur Last gelegten Beschwerden nicht verhandelt, als Carl
August den Geheimen Rath Voigt beauftragte, Eichstädt womöglich zur Nieder¬
legung seiner Professur zu bewegen, und seine ganze Kraft der Redaction der
Literaturzeitung zu widmen. Der Ausweg empfahl sich, um wenigstens nach
der einen Seite hin des langen Haders ein Ende zu machen. Aber die Ver¬
handlungen führten zu keinem Ziele; denn Eichstädt sah damit seine physische
und moralische Existenz vernichtet, sich dem Spott und Hohn seiner Gegner
Preis gegeben. Ein Mann, der wie Eichstädt so sehr an sein Lehramt ge¬
wöhnt, sich zu demselben so geeignet und kräftig fühlte, konnte um so weniger
sich zu diesem Schritte entschließen, als er seinen Lebensberuf völlig aufgegeben
hätte und zu geistigem Schaffen unfähig geworden wäre.

Nach der andern Seite hin hatte er bereits zugegeben, was in seinen
Kräften stand. Er verzichtete auf die Inspection über die Professorensöhne
und unterstellte seine Programme der Censur zweier Senatsmitglieder, während
er es von den Entschließungen der Regierungen abhängig machte, ob die
literarischen Arbeiten von Jenenser Professoren blos anzuzeigen oder zu recen-
siren seien. —

Bei diesen Verhältnissen stand in der That zu befürchten, daß Eichstädt
die Redaction der Literaturzeitung aufgab, obwohl durch seine Erbietungen im
Grunde die Hauptquelle der Unzufriedenheit verstopft war, und man hoffen
konnte, daß ernstliche Verwarnungen nach beiden Seiten hin jedes weitere Ge¬
zänk unmöglich machen würden. Es wäre in der That Schade gewesen, wenn
ein kritisches Tribunal, wie die Literaturzeitung, wegen unnützer Querelen und
Streitigkeiten in Frage gestellt wurde, während man sonst Alles für die Wissen¬
schaft in Jena zu thun geneigt war. Was hätte vor Allem das übrige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141035"/>
          <p xml:id="ID_492" prev="#ID_491"> lich beitrug. Jetzt fand diese festgeschlossene Partei verschiedene Gründe zu<lb/>
Beschwerden gegen Eichstädt; es handelte sich um nichts Geringeres, als ihn<lb/>
völlig aus dem Sattel zu heben, ihn unschädlich zu machen. Wurde er an<lb/>
maßgebender Stelle uicht gehalten, wozu zunächst wohl Aussicht vorhanden<lb/>
war, so stand auch seine vorzügliche Thätigkeit für die Literaturzeitung in<lb/>
Frage, und diese bekämpfte die Griesbach'sche Partei vor Allein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_493"> Eichstädt mußte erfahren, daß mau ihn der Eigenmächtigkeit beschuldigte,<lb/>
da er die Inspection, welche er über die Landeskinder hatte, anch ans die Söhne<lb/>
der Professoren erstrecken zu wollen, beschuldigt wurde. Man bekämpfte feine<lb/>
Weigerung, daß er die akademischen Programme nicht der Censur des Senats<lb/>
unterstellen wollte, klagte ihn der Unthätigkeit im Lesen an der Universität an<lb/>
und beschuldigte ihn, geflissentlich ungünstige Recensionen von schriftstellerischen<lb/>
Arbeiten der Jenaer Professoren veranlaßt nud aufgenommen zu haben. Noch<lb/>
war über die ihm zur Last gelegten Beschwerden nicht verhandelt, als Carl<lb/>
August den Geheimen Rath Voigt beauftragte, Eichstädt womöglich zur Nieder¬<lb/>
legung seiner Professur zu bewegen, und seine ganze Kraft der Redaction der<lb/>
Literaturzeitung zu widmen. Der Ausweg empfahl sich, um wenigstens nach<lb/>
der einen Seite hin des langen Haders ein Ende zu machen. Aber die Ver¬<lb/>
handlungen führten zu keinem Ziele; denn Eichstädt sah damit seine physische<lb/>
und moralische Existenz vernichtet, sich dem Spott und Hohn seiner Gegner<lb/>
Preis gegeben. Ein Mann, der wie Eichstädt so sehr an sein Lehramt ge¬<lb/>
wöhnt, sich zu demselben so geeignet und kräftig fühlte, konnte um so weniger<lb/>
sich zu diesem Schritte entschließen, als er seinen Lebensberuf völlig aufgegeben<lb/>
hätte und zu geistigem Schaffen unfähig geworden wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_494"> Nach der andern Seite hin hatte er bereits zugegeben, was in seinen<lb/>
Kräften stand. Er verzichtete auf die Inspection über die Professorensöhne<lb/>
und unterstellte seine Programme der Censur zweier Senatsmitglieder, während<lb/>
er es von den Entschließungen der Regierungen abhängig machte, ob die<lb/>
literarischen Arbeiten von Jenenser Professoren blos anzuzeigen oder zu recen-<lb/>
siren seien. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_495" next="#ID_496"> Bei diesen Verhältnissen stand in der That zu befürchten, daß Eichstädt<lb/>
die Redaction der Literaturzeitung aufgab, obwohl durch seine Erbietungen im<lb/>
Grunde die Hauptquelle der Unzufriedenheit verstopft war, und man hoffen<lb/>
konnte, daß ernstliche Verwarnungen nach beiden Seiten hin jedes weitere Ge¬<lb/>
zänk unmöglich machen würden. Es wäre in der That Schade gewesen, wenn<lb/>
ein kritisches Tribunal, wie die Literaturzeitung, wegen unnützer Querelen und<lb/>
Streitigkeiten in Frage gestellt wurde, während man sonst Alles für die Wissen¬<lb/>
schaft in Jena zu thun geneigt war. Was hätte vor Allem das übrige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0156] lich beitrug. Jetzt fand diese festgeschlossene Partei verschiedene Gründe zu Beschwerden gegen Eichstädt; es handelte sich um nichts Geringeres, als ihn völlig aus dem Sattel zu heben, ihn unschädlich zu machen. Wurde er an maßgebender Stelle uicht gehalten, wozu zunächst wohl Aussicht vorhanden war, so stand auch seine vorzügliche Thätigkeit für die Literaturzeitung in Frage, und diese bekämpfte die Griesbach'sche Partei vor Allein. Eichstädt mußte erfahren, daß mau ihn der Eigenmächtigkeit beschuldigte, da er die Inspection, welche er über die Landeskinder hatte, anch ans die Söhne der Professoren erstrecken zu wollen, beschuldigt wurde. Man bekämpfte feine Weigerung, daß er die akademischen Programme nicht der Censur des Senats unterstellen wollte, klagte ihn der Unthätigkeit im Lesen an der Universität an und beschuldigte ihn, geflissentlich ungünstige Recensionen von schriftstellerischen Arbeiten der Jenaer Professoren veranlaßt nud aufgenommen zu haben. Noch war über die ihm zur Last gelegten Beschwerden nicht verhandelt, als Carl August den Geheimen Rath Voigt beauftragte, Eichstädt womöglich zur Nieder¬ legung seiner Professur zu bewegen, und seine ganze Kraft der Redaction der Literaturzeitung zu widmen. Der Ausweg empfahl sich, um wenigstens nach der einen Seite hin des langen Haders ein Ende zu machen. Aber die Ver¬ handlungen führten zu keinem Ziele; denn Eichstädt sah damit seine physische und moralische Existenz vernichtet, sich dem Spott und Hohn seiner Gegner Preis gegeben. Ein Mann, der wie Eichstädt so sehr an sein Lehramt ge¬ wöhnt, sich zu demselben so geeignet und kräftig fühlte, konnte um so weniger sich zu diesem Schritte entschließen, als er seinen Lebensberuf völlig aufgegeben hätte und zu geistigem Schaffen unfähig geworden wäre. Nach der andern Seite hin hatte er bereits zugegeben, was in seinen Kräften stand. Er verzichtete auf die Inspection über die Professorensöhne und unterstellte seine Programme der Censur zweier Senatsmitglieder, während er es von den Entschließungen der Regierungen abhängig machte, ob die literarischen Arbeiten von Jenenser Professoren blos anzuzeigen oder zu recen- siren seien. — Bei diesen Verhältnissen stand in der That zu befürchten, daß Eichstädt die Redaction der Literaturzeitung aufgab, obwohl durch seine Erbietungen im Grunde die Hauptquelle der Unzufriedenheit verstopft war, und man hoffen konnte, daß ernstliche Verwarnungen nach beiden Seiten hin jedes weitere Ge¬ zänk unmöglich machen würden. Es wäre in der That Schade gewesen, wenn ein kritisches Tribunal, wie die Literaturzeitung, wegen unnützer Querelen und Streitigkeiten in Frage gestellt wurde, während man sonst Alles für die Wissen¬ schaft in Jena zu thun geneigt war. Was hätte vor Allem das übrige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/156
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/156>, abgerufen am 10.06.2024.