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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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russischen Vortruppen in die Stadt, nahm diese selbst am 18. Juni und schloß
die russisch e Besatz ung in die Zitadelle ein, gegen welche bald auch
mit einer Beschießung vorgegangen wurde.

Tergukassow, außer Staude, hier Hilfe zu bringen, verblieb einige Tage
abwartend und beobachtend in seiner Stellung. Am 21. Juni wurde er aber
von überlegenen (auf 20 Bataillone geschätzten) türkischen Kräften in Front
und beiden Flanken angegriffen und konnte nur mit Mühe und mit Verlust
von 454 Köpfen sich bis zur Dunkelheit in seiner Stellung behaupten. Froh,
daß die Türken am nächsten Tage den Angriff nicht erneuerten, blieb er bei
Daghar stehen.

Türkischerseits hatte Mukhtar Pascha jetzt alle in Erzerum verfügbaren
Verstärkungen herangezogen und so 35,000 Mann hinter dem Soghcinly-
Dcigh vereinigt. Ohne daß die russische Kavallerie bei Mioschingert es bemerkte,
hatte er einen Theil seiner Streitkräfte nach Delibaba auf die Straße nach
Bajaset geführt und dem Vordringen des General Tergukassow ein Ziel gesetzt.
Ismael Pascha deckte unterdessen in der verschanzten Stellung von Zewin
die Straße von Kars. General Loris Melikow erkannte, daß nur ein Vorstoß
ans Koprikoi, Uebergang über den Aras und Vereinigungspunkt der Straßen
nach Erzerum, der Eriwan-Kolonne Luft machen, und die Verbindung mit
dieser ermöglichen könne. Die Stellung von Zewin, von der er nicht einmal
wußte, wie stark sie besetzt war, konnte dabei nicht unbeachtet bleiben, ohne den
Rückzug ernstlich zu gefährden. Sie sollte zuerst genommen werden. Die ganze
Grenadier-Division wurde dazu in Marsch gesetzt und war am 24. Juni im
Lager von Midschingert vereinigt; am 25. erfolgte der Angriff. Ismael Pascha
stand mit 19,000 Mann in einer starken, gut eingerichteten Stellung auf den
steilen, zum Theil felsigen Höhen hinter dem Zewin-Flusse. Die Russen
konnten sich der Stellung ziemlich ungefährdet nähern, müßen aber dann im
feindlichen Feuer den Fluß durchschreiten und die steilen Höhen ersteigen.

Nach einem anstrengenden Marsche und zweistündiger Ruhe schritten die
Russen gegen 2 Uhr zum Angriff. Auf dem linken Flügel vertreibt das
16. Grenadier-Regiment die türkische Infanterie aus allen Stellungen, kommt
aber vor einer Batterie, die durch eine Felsspalte' gegen Annäherung gedeckt
ist, zum Stehen. Eine Umgehung durch Kavallerie scheitert ebenfalls an der
Ungangbarkeit des Terrains. Im Zentrum erklettern die Regimenter No. 14
und 15 mit großer Tapferkeit den felsigen Uferrand und nehmen mehrere
Schützengräben, oben angekommen aber treibt vereinigtes Artillerie- und In¬
fanterie-Feuer sie stets wieder hinab. Eine Umgehung des türkischen linken
Flügels durch das 13. Grenadier-Regiment bringen Kavallerie-Angriffe zum


Grenzboten IV. 1878, 24

russischen Vortruppen in die Stadt, nahm diese selbst am 18. Juni und schloß
die russisch e Besatz ung in die Zitadelle ein, gegen welche bald auch
mit einer Beschießung vorgegangen wurde.

Tergukassow, außer Staude, hier Hilfe zu bringen, verblieb einige Tage
abwartend und beobachtend in seiner Stellung. Am 21. Juni wurde er aber
von überlegenen (auf 20 Bataillone geschätzten) türkischen Kräften in Front
und beiden Flanken angegriffen und konnte nur mit Mühe und mit Verlust
von 454 Köpfen sich bis zur Dunkelheit in seiner Stellung behaupten. Froh,
daß die Türken am nächsten Tage den Angriff nicht erneuerten, blieb er bei
Daghar stehen.

Türkischerseits hatte Mukhtar Pascha jetzt alle in Erzerum verfügbaren
Verstärkungen herangezogen und so 35,000 Mann hinter dem Soghcinly-
Dcigh vereinigt. Ohne daß die russische Kavallerie bei Mioschingert es bemerkte,
hatte er einen Theil seiner Streitkräfte nach Delibaba auf die Straße nach
Bajaset geführt und dem Vordringen des General Tergukassow ein Ziel gesetzt.
Ismael Pascha deckte unterdessen in der verschanzten Stellung von Zewin
die Straße von Kars. General Loris Melikow erkannte, daß nur ein Vorstoß
ans Koprikoi, Uebergang über den Aras und Vereinigungspunkt der Straßen
nach Erzerum, der Eriwan-Kolonne Luft machen, und die Verbindung mit
dieser ermöglichen könne. Die Stellung von Zewin, von der er nicht einmal
wußte, wie stark sie besetzt war, konnte dabei nicht unbeachtet bleiben, ohne den
Rückzug ernstlich zu gefährden. Sie sollte zuerst genommen werden. Die ganze
Grenadier-Division wurde dazu in Marsch gesetzt und war am 24. Juni im
Lager von Midschingert vereinigt; am 25. erfolgte der Angriff. Ismael Pascha
stand mit 19,000 Mann in einer starken, gut eingerichteten Stellung auf den
steilen, zum Theil felsigen Höhen hinter dem Zewin-Flusse. Die Russen
konnten sich der Stellung ziemlich ungefährdet nähern, müßen aber dann im
feindlichen Feuer den Fluß durchschreiten und die steilen Höhen ersteigen.

Nach einem anstrengenden Marsche und zweistündiger Ruhe schritten die
Russen gegen 2 Uhr zum Angriff. Auf dem linken Flügel vertreibt das
16. Grenadier-Regiment die türkische Infanterie aus allen Stellungen, kommt
aber vor einer Batterie, die durch eine Felsspalte' gegen Annäherung gedeckt
ist, zum Stehen. Eine Umgehung durch Kavallerie scheitert ebenfalls an der
Ungangbarkeit des Terrains. Im Zentrum erklettern die Regimenter No. 14
und 15 mit großer Tapferkeit den felsigen Uferrand und nehmen mehrere
Schützengräben, oben angekommen aber treibt vereinigtes Artillerie- und In¬
fanterie-Feuer sie stets wieder hinab. Eine Umgehung des türkischen linken
Flügels durch das 13. Grenadier-Regiment bringen Kavallerie-Angriffe zum


Grenzboten IV. 1878, 24
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[0189] russischen Vortruppen in die Stadt, nahm diese selbst am 18. Juni und schloß die russisch e Besatz ung in die Zitadelle ein, gegen welche bald auch mit einer Beschießung vorgegangen wurde. Tergukassow, außer Staude, hier Hilfe zu bringen, verblieb einige Tage abwartend und beobachtend in seiner Stellung. Am 21. Juni wurde er aber von überlegenen (auf 20 Bataillone geschätzten) türkischen Kräften in Front und beiden Flanken angegriffen und konnte nur mit Mühe und mit Verlust von 454 Köpfen sich bis zur Dunkelheit in seiner Stellung behaupten. Froh, daß die Türken am nächsten Tage den Angriff nicht erneuerten, blieb er bei Daghar stehen. Türkischerseits hatte Mukhtar Pascha jetzt alle in Erzerum verfügbaren Verstärkungen herangezogen und so 35,000 Mann hinter dem Soghcinly- Dcigh vereinigt. Ohne daß die russische Kavallerie bei Mioschingert es bemerkte, hatte er einen Theil seiner Streitkräfte nach Delibaba auf die Straße nach Bajaset geführt und dem Vordringen des General Tergukassow ein Ziel gesetzt. Ismael Pascha deckte unterdessen in der verschanzten Stellung von Zewin die Straße von Kars. General Loris Melikow erkannte, daß nur ein Vorstoß ans Koprikoi, Uebergang über den Aras und Vereinigungspunkt der Straßen nach Erzerum, der Eriwan-Kolonne Luft machen, und die Verbindung mit dieser ermöglichen könne. Die Stellung von Zewin, von der er nicht einmal wußte, wie stark sie besetzt war, konnte dabei nicht unbeachtet bleiben, ohne den Rückzug ernstlich zu gefährden. Sie sollte zuerst genommen werden. Die ganze Grenadier-Division wurde dazu in Marsch gesetzt und war am 24. Juni im Lager von Midschingert vereinigt; am 25. erfolgte der Angriff. Ismael Pascha stand mit 19,000 Mann in einer starken, gut eingerichteten Stellung auf den steilen, zum Theil felsigen Höhen hinter dem Zewin-Flusse. Die Russen konnten sich der Stellung ziemlich ungefährdet nähern, müßen aber dann im feindlichen Feuer den Fluß durchschreiten und die steilen Höhen ersteigen. Nach einem anstrengenden Marsche und zweistündiger Ruhe schritten die Russen gegen 2 Uhr zum Angriff. Auf dem linken Flügel vertreibt das 16. Grenadier-Regiment die türkische Infanterie aus allen Stellungen, kommt aber vor einer Batterie, die durch eine Felsspalte' gegen Annäherung gedeckt ist, zum Stehen. Eine Umgehung durch Kavallerie scheitert ebenfalls an der Ungangbarkeit des Terrains. Im Zentrum erklettern die Regimenter No. 14 und 15 mit großer Tapferkeit den felsigen Uferrand und nehmen mehrere Schützengräben, oben angekommen aber treibt vereinigtes Artillerie- und In¬ fanterie-Feuer sie stets wieder hinab. Eine Umgehung des türkischen linken Flügels durch das 13. Grenadier-Regiment bringen Kavallerie-Angriffe zum Grenzboten IV. 1878, 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/189>, abgerufen am 10.06.2024.