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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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und Nächte hindurch lagerten die Ritter als Straßenräuber, wie Kaiser Max
sie nannte, an den Handelswegen; wurden sie von den Städtern aufgespürt,
so verloren sie häufig als Placker und adelsmäßige Taschenklopfer durch Hen-
kershand ihr Leben, blieben sie Sieger über die Bürger, so nahmen sie nicht
nur das Gut, sondern übten auch die rohesten Grausamkeiten an den reichs¬
städtischen Ballenbindern aus. Ruhme doch Götz von Berlichingen als Zeichen
besonderer Großmuth von sich selbst, er habe die Gefangenen niederknien und
sie ihre Hände auf den Stock legen lassen, als hätte er ihnen Hände und Kopf
abhauen wollen. "Dann aber," setzt er hinzu, "trat ich dem Einen mit dem
Fuß auf den H.......und gab dem Andern eins an das Ohr, das war
meine Straf gegen ihnen und ließ sie also wieder vor mir hergehen". Das
Ehrlose und Verwilderte eines solchen Lebens trat den Rittern nicht vor die
Seele; die Räubereien erschienen ihnen vielmehr als eine männliche und herz¬
hafte Unfrommheit, und hatten sie jedem Biedermann jegliche Zusage mit
Treuen und Glauben erfüllt, so glaubten sie sich, ungeachtet des Brennens,
Mordens und Raubens, gehalten zu haben, wie es sich für einen Frommen
und Ehrlichen vom Adel gebührt.

Endlich verkündigte Kaiser Maximilian I., von den Fürsten gedrängt,
auf dem Reichstage zu Augsburg 1495 den ewigen Landfrieden, so genannt
weil die früheren, wie bereits erwähnt, immer nnr auf eine bestimmte Reihe
von Jahren abgeschlossen worden waren. Gleichzeitig wurde das Reichs¬
kammergericht als höchste Instanz eingesetzt, um bei alleu Streitigkeiten zwischen
Gliedern des Reichs im Wege des Rechtens endgiltig zu entscheiden. Endlich
wurde auch noch eine Ordnung aufgerichtet, die dem Gebote des Landfriedens
den nöthigen Nachdruck geben sollte.

Der Fehdegeist ließ sich jedoch nicht so schnell bannen. Im Laufe des
16. Jahrhunderts handelt fast jeder Reichstagsschluß davou, "wie hinführo im
heiligen Reich Teutscher Nation Ruhe, Friede und Einigkeit gepflegt, bestän-
diglich erhalten und gehandhabt werden möge." Damit sah es jedoch noch
immer schlimm genug aus, und die Prozesse am Reichskammergericht wegen
Landfriedensbruchs nahmen kein Ende, ohne in der Sache viel zu ändern.
Zwischen Hessen und Pfalz tobte 1504 eine blutige Fehde, wobei die Land¬
gräflichen Kriegsvölker an der Bergstraße ebenso sengteu und brannten, wie
185 Jahre später die Franzosen Ludwig XIV. Im Norden wüthete 1519 die
sogenannte Hildesheim'sche Stiftsfehde zwischen dem Bischof von Hildesheim
und einem Theil seines Stiftsadels, unter dem Schutze von Braunschweig,
wobei in der Soltauer Schlacht 4000 Mann auf dem Platze blieben. Weniger
mörderisch war noch im Jahre 1555 eine Fehde zwischen Hans von Carlowitz
und Hans von Haugwitz, in den Annalen der Geschichte unter dem Namen


und Nächte hindurch lagerten die Ritter als Straßenräuber, wie Kaiser Max
sie nannte, an den Handelswegen; wurden sie von den Städtern aufgespürt,
so verloren sie häufig als Placker und adelsmäßige Taschenklopfer durch Hen-
kershand ihr Leben, blieben sie Sieger über die Bürger, so nahmen sie nicht
nur das Gut, sondern übten auch die rohesten Grausamkeiten an den reichs¬
städtischen Ballenbindern aus. Ruhme doch Götz von Berlichingen als Zeichen
besonderer Großmuth von sich selbst, er habe die Gefangenen niederknien und
sie ihre Hände auf den Stock legen lassen, als hätte er ihnen Hände und Kopf
abhauen wollen. „Dann aber," setzt er hinzu, „trat ich dem Einen mit dem
Fuß auf den H.......und gab dem Andern eins an das Ohr, das war
meine Straf gegen ihnen und ließ sie also wieder vor mir hergehen". Das
Ehrlose und Verwilderte eines solchen Lebens trat den Rittern nicht vor die
Seele; die Räubereien erschienen ihnen vielmehr als eine männliche und herz¬
hafte Unfrommheit, und hatten sie jedem Biedermann jegliche Zusage mit
Treuen und Glauben erfüllt, so glaubten sie sich, ungeachtet des Brennens,
Mordens und Raubens, gehalten zu haben, wie es sich für einen Frommen
und Ehrlichen vom Adel gebührt.

Endlich verkündigte Kaiser Maximilian I., von den Fürsten gedrängt,
auf dem Reichstage zu Augsburg 1495 den ewigen Landfrieden, so genannt
weil die früheren, wie bereits erwähnt, immer nnr auf eine bestimmte Reihe
von Jahren abgeschlossen worden waren. Gleichzeitig wurde das Reichs¬
kammergericht als höchste Instanz eingesetzt, um bei alleu Streitigkeiten zwischen
Gliedern des Reichs im Wege des Rechtens endgiltig zu entscheiden. Endlich
wurde auch noch eine Ordnung aufgerichtet, die dem Gebote des Landfriedens
den nöthigen Nachdruck geben sollte.

Der Fehdegeist ließ sich jedoch nicht so schnell bannen. Im Laufe des
16. Jahrhunderts handelt fast jeder Reichstagsschluß davou, „wie hinführo im
heiligen Reich Teutscher Nation Ruhe, Friede und Einigkeit gepflegt, bestän-
diglich erhalten und gehandhabt werden möge." Damit sah es jedoch noch
immer schlimm genug aus, und die Prozesse am Reichskammergericht wegen
Landfriedensbruchs nahmen kein Ende, ohne in der Sache viel zu ändern.
Zwischen Hessen und Pfalz tobte 1504 eine blutige Fehde, wobei die Land¬
gräflichen Kriegsvölker an der Bergstraße ebenso sengteu und brannten, wie
185 Jahre später die Franzosen Ludwig XIV. Im Norden wüthete 1519 die
sogenannte Hildesheim'sche Stiftsfehde zwischen dem Bischof von Hildesheim
und einem Theil seines Stiftsadels, unter dem Schutze von Braunschweig,
wobei in der Soltauer Schlacht 4000 Mann auf dem Platze blieben. Weniger
mörderisch war noch im Jahre 1555 eine Fehde zwischen Hans von Carlowitz
und Hans von Haugwitz, in den Annalen der Geschichte unter dem Namen


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[0207] und Nächte hindurch lagerten die Ritter als Straßenräuber, wie Kaiser Max sie nannte, an den Handelswegen; wurden sie von den Städtern aufgespürt, so verloren sie häufig als Placker und adelsmäßige Taschenklopfer durch Hen- kershand ihr Leben, blieben sie Sieger über die Bürger, so nahmen sie nicht nur das Gut, sondern übten auch die rohesten Grausamkeiten an den reichs¬ städtischen Ballenbindern aus. Ruhme doch Götz von Berlichingen als Zeichen besonderer Großmuth von sich selbst, er habe die Gefangenen niederknien und sie ihre Hände auf den Stock legen lassen, als hätte er ihnen Hände und Kopf abhauen wollen. „Dann aber," setzt er hinzu, „trat ich dem Einen mit dem Fuß auf den H.......und gab dem Andern eins an das Ohr, das war meine Straf gegen ihnen und ließ sie also wieder vor mir hergehen". Das Ehrlose und Verwilderte eines solchen Lebens trat den Rittern nicht vor die Seele; die Räubereien erschienen ihnen vielmehr als eine männliche und herz¬ hafte Unfrommheit, und hatten sie jedem Biedermann jegliche Zusage mit Treuen und Glauben erfüllt, so glaubten sie sich, ungeachtet des Brennens, Mordens und Raubens, gehalten zu haben, wie es sich für einen Frommen und Ehrlichen vom Adel gebührt. Endlich verkündigte Kaiser Maximilian I., von den Fürsten gedrängt, auf dem Reichstage zu Augsburg 1495 den ewigen Landfrieden, so genannt weil die früheren, wie bereits erwähnt, immer nnr auf eine bestimmte Reihe von Jahren abgeschlossen worden waren. Gleichzeitig wurde das Reichs¬ kammergericht als höchste Instanz eingesetzt, um bei alleu Streitigkeiten zwischen Gliedern des Reichs im Wege des Rechtens endgiltig zu entscheiden. Endlich wurde auch noch eine Ordnung aufgerichtet, die dem Gebote des Landfriedens den nöthigen Nachdruck geben sollte. Der Fehdegeist ließ sich jedoch nicht so schnell bannen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts handelt fast jeder Reichstagsschluß davou, „wie hinführo im heiligen Reich Teutscher Nation Ruhe, Friede und Einigkeit gepflegt, bestän- diglich erhalten und gehandhabt werden möge." Damit sah es jedoch noch immer schlimm genug aus, und die Prozesse am Reichskammergericht wegen Landfriedensbruchs nahmen kein Ende, ohne in der Sache viel zu ändern. Zwischen Hessen und Pfalz tobte 1504 eine blutige Fehde, wobei die Land¬ gräflichen Kriegsvölker an der Bergstraße ebenso sengteu und brannten, wie 185 Jahre später die Franzosen Ludwig XIV. Im Norden wüthete 1519 die sogenannte Hildesheim'sche Stiftsfehde zwischen dem Bischof von Hildesheim und einem Theil seines Stiftsadels, unter dem Schutze von Braunschweig, wobei in der Soltauer Schlacht 4000 Mann auf dem Platze blieben. Weniger mörderisch war noch im Jahre 1555 eine Fehde zwischen Hans von Carlowitz und Hans von Haugwitz, in den Annalen der Geschichte unter dem Namen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/207>, abgerufen am 04.06.2024.