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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Platzes von Jnnerafrikci, Udschidschi. Bei seiner Rückkehr findet er hier die
Bande der Mannszucht bedenklich gelockert. Die lange Abwesenheit des
Führers ist weniger schuld daran, als eine bösartige Pockenepidemie, welche
die Stadt heimsucht und auch unter Stanley's Mannschaft zahlreiche Opfer
fordert. Dazu kommt die zu Desertion immer ermunternde Furcht vor den
Gefahren und Wagnissen einer Weiterreise in unbekanntes Land. Vergebens
sucht der Führer durch freigebige Geschenke diese bösen Gelüste niederzukämpfen.
Ueber vierzig Mann seiner Truppe verlassen ihn treulos, nachdem soeben sie die
reichen Gaben des "Meisters" schmunzelnd eingestrichen. Es ist hohe Zeit
geworden, den Weitermarsch anzutreten. Denn inmitten der Wildniß, umgeben
von Feinden und bedrängenden Naturgewalten aller Art, legt jede Kreatur
willenlos ihr Schicksal in seine Hand.

Die Reise geht also weiter über Ruanda und Ka-Bamberre, wo Livingstone
monatelang sich aufgehalten, nach Mcmyema. Noch haben die Eingeborenen,
die stolz im Kostüm Adam's sich dem Beschauer darbieten, den großen "weißen
Vater" (Livingstone) nicht vergessen. Der einzige Esel, den Stanley's Kolonne
mit sich führt, ist aber das Jmponirendste, was sie je gesehen. Die Stimme
des Esels erfüllt sie mit unendlichem Entzücken. Das -kindlich - gutmüthige
Volk wird vou den habsüchtigen und listigen Arabern zu unaufhörlichen zwecklose"
Fehden und Schlächtereien getrieben. Durch das Thal des Luama wird (zu
Anfang des vierten Kapitels) der Zusammenfluß dieses Stromes mit dem
mächtigen Lualaba, den Stanley bekanntlich Livingstone nennt, und dessen
Jdentitätsnachweis mit dem Congo die Hauptfrucht seiner Entdeckungsreise ist,
erreicht. Damit ist Stanley an der letzten Grenze früherer Entdeckungsfahrten
-- derjenigen von Cameron und Livingstone -- angelangt. 220 Meilen war
Stanley dem Zufluß des große" Stromes gefolgt, ehe er diesen in weitem
Bogen seine blcißgranen Wogen heranwälzen sah. Schon hier, an dem obersten
Lauf des Stromes, den Stanley erreichte, war der Lualaba 1300 Meter breit.
Der stolze Amerikaner muß sich herablassen zu dem Bekenntnisse, daß schon
hier kein andrer Fluß den Vergleich mit ihm aushalte, als der mächtigste
Strom Nordamerika's, der Mississippi.

Obwohl nun schon beim ersten Anblick des Lualaba Stanley's Entschluß
feststand, diesem Strom bis zum Ozean zu folgen, so hatte er eben doch mit
schwachen Menschen (darunter vielen Frauen und Kindern), nicht mit Heroen
die Reise zu bestehen; und diese Begleiter waren sämmtlich frei, Herren ihrer
Entschließung, wo es sich um deu Weitermarsch in eine an Schrecknissen und
Gefahren reiche unbekannte Wildniß handelte. Wer nur immer in der Stadt
Nyangwc mit seinem erbetenen oder unerbetenen Rath gehört wurde, warnte
vor der Weiterreise wie vor sicherem Tod. Grauenhafte Geschichten von einem


Platzes von Jnnerafrikci, Udschidschi. Bei seiner Rückkehr findet er hier die
Bande der Mannszucht bedenklich gelockert. Die lange Abwesenheit des
Führers ist weniger schuld daran, als eine bösartige Pockenepidemie, welche
die Stadt heimsucht und auch unter Stanley's Mannschaft zahlreiche Opfer
fordert. Dazu kommt die zu Desertion immer ermunternde Furcht vor den
Gefahren und Wagnissen einer Weiterreise in unbekanntes Land. Vergebens
sucht der Führer durch freigebige Geschenke diese bösen Gelüste niederzukämpfen.
Ueber vierzig Mann seiner Truppe verlassen ihn treulos, nachdem soeben sie die
reichen Gaben des „Meisters" schmunzelnd eingestrichen. Es ist hohe Zeit
geworden, den Weitermarsch anzutreten. Denn inmitten der Wildniß, umgeben
von Feinden und bedrängenden Naturgewalten aller Art, legt jede Kreatur
willenlos ihr Schicksal in seine Hand.

Die Reise geht also weiter über Ruanda und Ka-Bamberre, wo Livingstone
monatelang sich aufgehalten, nach Mcmyema. Noch haben die Eingeborenen,
die stolz im Kostüm Adam's sich dem Beschauer darbieten, den großen „weißen
Vater" (Livingstone) nicht vergessen. Der einzige Esel, den Stanley's Kolonne
mit sich führt, ist aber das Jmponirendste, was sie je gesehen. Die Stimme
des Esels erfüllt sie mit unendlichem Entzücken. Das -kindlich - gutmüthige
Volk wird vou den habsüchtigen und listigen Arabern zu unaufhörlichen zwecklose»
Fehden und Schlächtereien getrieben. Durch das Thal des Luama wird (zu
Anfang des vierten Kapitels) der Zusammenfluß dieses Stromes mit dem
mächtigen Lualaba, den Stanley bekanntlich Livingstone nennt, und dessen
Jdentitätsnachweis mit dem Congo die Hauptfrucht seiner Entdeckungsreise ist,
erreicht. Damit ist Stanley an der letzten Grenze früherer Entdeckungsfahrten
— derjenigen von Cameron und Livingstone — angelangt. 220 Meilen war
Stanley dem Zufluß des große» Stromes gefolgt, ehe er diesen in weitem
Bogen seine blcißgranen Wogen heranwälzen sah. Schon hier, an dem obersten
Lauf des Stromes, den Stanley erreichte, war der Lualaba 1300 Meter breit.
Der stolze Amerikaner muß sich herablassen zu dem Bekenntnisse, daß schon
hier kein andrer Fluß den Vergleich mit ihm aushalte, als der mächtigste
Strom Nordamerika's, der Mississippi.

Obwohl nun schon beim ersten Anblick des Lualaba Stanley's Entschluß
feststand, diesem Strom bis zum Ozean zu folgen, so hatte er eben doch mit
schwachen Menschen (darunter vielen Frauen und Kindern), nicht mit Heroen
die Reise zu bestehen; und diese Begleiter waren sämmtlich frei, Herren ihrer
Entschließung, wo es sich um deu Weitermarsch in eine an Schrecknissen und
Gefahren reiche unbekannte Wildniß handelte. Wer nur immer in der Stadt
Nyangwc mit seinem erbetenen oder unerbetenen Rath gehört wurde, warnte
vor der Weiterreise wie vor sicherem Tod. Grauenhafte Geschichten von einem


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[0303] Platzes von Jnnerafrikci, Udschidschi. Bei seiner Rückkehr findet er hier die Bande der Mannszucht bedenklich gelockert. Die lange Abwesenheit des Führers ist weniger schuld daran, als eine bösartige Pockenepidemie, welche die Stadt heimsucht und auch unter Stanley's Mannschaft zahlreiche Opfer fordert. Dazu kommt die zu Desertion immer ermunternde Furcht vor den Gefahren und Wagnissen einer Weiterreise in unbekanntes Land. Vergebens sucht der Führer durch freigebige Geschenke diese bösen Gelüste niederzukämpfen. Ueber vierzig Mann seiner Truppe verlassen ihn treulos, nachdem soeben sie die reichen Gaben des „Meisters" schmunzelnd eingestrichen. Es ist hohe Zeit geworden, den Weitermarsch anzutreten. Denn inmitten der Wildniß, umgeben von Feinden und bedrängenden Naturgewalten aller Art, legt jede Kreatur willenlos ihr Schicksal in seine Hand. Die Reise geht also weiter über Ruanda und Ka-Bamberre, wo Livingstone monatelang sich aufgehalten, nach Mcmyema. Noch haben die Eingeborenen, die stolz im Kostüm Adam's sich dem Beschauer darbieten, den großen „weißen Vater" (Livingstone) nicht vergessen. Der einzige Esel, den Stanley's Kolonne mit sich führt, ist aber das Jmponirendste, was sie je gesehen. Die Stimme des Esels erfüllt sie mit unendlichem Entzücken. Das -kindlich - gutmüthige Volk wird vou den habsüchtigen und listigen Arabern zu unaufhörlichen zwecklose» Fehden und Schlächtereien getrieben. Durch das Thal des Luama wird (zu Anfang des vierten Kapitels) der Zusammenfluß dieses Stromes mit dem mächtigen Lualaba, den Stanley bekanntlich Livingstone nennt, und dessen Jdentitätsnachweis mit dem Congo die Hauptfrucht seiner Entdeckungsreise ist, erreicht. Damit ist Stanley an der letzten Grenze früherer Entdeckungsfahrten — derjenigen von Cameron und Livingstone — angelangt. 220 Meilen war Stanley dem Zufluß des große» Stromes gefolgt, ehe er diesen in weitem Bogen seine blcißgranen Wogen heranwälzen sah. Schon hier, an dem obersten Lauf des Stromes, den Stanley erreichte, war der Lualaba 1300 Meter breit. Der stolze Amerikaner muß sich herablassen zu dem Bekenntnisse, daß schon hier kein andrer Fluß den Vergleich mit ihm aushalte, als der mächtigste Strom Nordamerika's, der Mississippi. Obwohl nun schon beim ersten Anblick des Lualaba Stanley's Entschluß feststand, diesem Strom bis zum Ozean zu folgen, so hatte er eben doch mit schwachen Menschen (darunter vielen Frauen und Kindern), nicht mit Heroen die Reise zu bestehen; und diese Begleiter waren sämmtlich frei, Herren ihrer Entschließung, wo es sich um deu Weitermarsch in eine an Schrecknissen und Gefahren reiche unbekannte Wildniß handelte. Wer nur immer in der Stadt Nyangwc mit seinem erbetenen oder unerbetenen Rath gehört wurde, warnte vor der Weiterreise wie vor sicherem Tod. Grauenhafte Geschichten von einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/303>, abgerufen am 15.05.2024.