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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Landschaft, der naive Verkehr mit den nun friedlicher gesinnten Wilden, die
Mannichfaltigkeit der Thierwelt, die sich am Strom einfindet, das muß man im
Original sich schildern lassen; Auszüge lassen sich nicht geben. Jede Pflanze,
jedes Thier ist anschaulich beschrieben, wissenschaftlich klassifizirt. Durch exakte
Höhen- und Breitenmessungen ist der Leser über die jeweilige Tagesstellung
des kühnen Reisenden orientirt. Endlich am letzten Februar ist das friedliche
Volk des Königs von Tschumbiri erreicht. Der Livingstone hat inzwischen seine
Richtung gänzlich verändert, bis zum 19. Gr. ö. L. ist er westsüdwestlich ge¬
flossen , von da um strömt er fast direkt nach Süden. In dieser Richtung ist
Stanley schon am 18. Februar wieder am Aequator angelangt, gegen Ende
Februar, an der Grenze des Königreichs Tschumbiri hat er schon fast den
dritten Grad südlicher Breite erreicht.*)

Die Aufnahme Seiten der Eingeborenen ist hier eine sehr freundliche.
Der König sendet zunächst drei Prinzen mit Geschenken an den weißen Häupt¬
ling. Am 28. Februar erscheint er selbst mit königlichem Pomp und Glanz in
Begleitung von fünf Kanoes, die mit stintentragenden Kriegern bemannt sind.
Der Fürst war etwa fünfzig Jahr alt, hatte kleine Augen, eine wohlgebildete
Nase, dünne Lippen, ein glattgerupftes Kinn, ein ruhiges, geselliges, menschen¬
freundliches Benehmen, eine sanfte Stimme. Er war dabei ceremoniös, mit
dem Instinkt eines gewinnsüchtigen Kaufmanns ausgerüstet, über die Maßen
listig und verschlagen. Die Fayon seines Hutes kann man auf dem Haupte
jedes armenischen Priesters beobachten. Ueber seiner Schulter standen die
Borsten eines Elephantenschwanzes aufrecht empor. In der Hand trug er einen
Büffclschwanz, der zu einem Fliegenwedel zurecht gemacht war. An seiner Hand hing
außer einer großen Anzahl Zaubersachen ein Schnupftabakkürbis, aus dem er
fortwährend unmäßig große Prisen, etwa das Viertel eines Theelöffels voll
von der innern Handfläche auf einmal einsog. Dabei drückte er seine arme Nase so
gewaltig, als wolle er sie in die Stirne hineinschieben. Unmittelbar danach
pflegte dann eines seiner ihm zärtlich zugethcmeu Kinder seinen Tschibuk voll
Tabak zu stopfen, eine sechs Fuß lauge, mit Messingstiften und einer aus
Zeug geflochtenen Quaste verzierte Riesenpfeife. Ihr Kopf war von Eisen
und groß genug, um über ein Loth Tabak aufzunehmen. Des Königs einziger Fehler
war seine bis zur höchsten Virtuosität ausgebildete Schlauheit und Arglist,



*) An Zuflüssen sind bis dahin genannt auf der rechten Seite der Ukerc (der wie ein
"breiter Kanal" aussah, 6. Febr.) und der Bangala (14. Febr.); auf der linken Seite der
Saukuru (12. Febr.) und der merkwürdige, stattliche Jkelcmba (13. Febr.), der die Farbe
schwarzen Thees hat und sich noch 130 (engl.) Meilen nach seiner Einmündung in den
Livingstone von diesem durch die Farbe seines Wassers unterscheidet. Die Farbe des Living¬
stone wird durch die Farbenmischung, die der Jkelemba zubringt, vom Hellgrau zum
dunkelbraun. Dieser Fluß soll auf der Straße von Cazembc nach Angola als Kasai bekannt sein.

Landschaft, der naive Verkehr mit den nun friedlicher gesinnten Wilden, die
Mannichfaltigkeit der Thierwelt, die sich am Strom einfindet, das muß man im
Original sich schildern lassen; Auszüge lassen sich nicht geben. Jede Pflanze,
jedes Thier ist anschaulich beschrieben, wissenschaftlich klassifizirt. Durch exakte
Höhen- und Breitenmessungen ist der Leser über die jeweilige Tagesstellung
des kühnen Reisenden orientirt. Endlich am letzten Februar ist das friedliche
Volk des Königs von Tschumbiri erreicht. Der Livingstone hat inzwischen seine
Richtung gänzlich verändert, bis zum 19. Gr. ö. L. ist er westsüdwestlich ge¬
flossen , von da um strömt er fast direkt nach Süden. In dieser Richtung ist
Stanley schon am 18. Februar wieder am Aequator angelangt, gegen Ende
Februar, an der Grenze des Königreichs Tschumbiri hat er schon fast den
dritten Grad südlicher Breite erreicht.*)

Die Aufnahme Seiten der Eingeborenen ist hier eine sehr freundliche.
Der König sendet zunächst drei Prinzen mit Geschenken an den weißen Häupt¬
ling. Am 28. Februar erscheint er selbst mit königlichem Pomp und Glanz in
Begleitung von fünf Kanoes, die mit stintentragenden Kriegern bemannt sind.
Der Fürst war etwa fünfzig Jahr alt, hatte kleine Augen, eine wohlgebildete
Nase, dünne Lippen, ein glattgerupftes Kinn, ein ruhiges, geselliges, menschen¬
freundliches Benehmen, eine sanfte Stimme. Er war dabei ceremoniös, mit
dem Instinkt eines gewinnsüchtigen Kaufmanns ausgerüstet, über die Maßen
listig und verschlagen. Die Fayon seines Hutes kann man auf dem Haupte
jedes armenischen Priesters beobachten. Ueber seiner Schulter standen die
Borsten eines Elephantenschwanzes aufrecht empor. In der Hand trug er einen
Büffclschwanz, der zu einem Fliegenwedel zurecht gemacht war. An seiner Hand hing
außer einer großen Anzahl Zaubersachen ein Schnupftabakkürbis, aus dem er
fortwährend unmäßig große Prisen, etwa das Viertel eines Theelöffels voll
von der innern Handfläche auf einmal einsog. Dabei drückte er seine arme Nase so
gewaltig, als wolle er sie in die Stirne hineinschieben. Unmittelbar danach
pflegte dann eines seiner ihm zärtlich zugethcmeu Kinder seinen Tschibuk voll
Tabak zu stopfen, eine sechs Fuß lauge, mit Messingstiften und einer aus
Zeug geflochtenen Quaste verzierte Riesenpfeife. Ihr Kopf war von Eisen
und groß genug, um über ein Loth Tabak aufzunehmen. Des Königs einziger Fehler
war seine bis zur höchsten Virtuosität ausgebildete Schlauheit und Arglist,



*) An Zuflüssen sind bis dahin genannt auf der rechten Seite der Ukerc (der wie ein
„breiter Kanal" aussah, 6. Febr.) und der Bangala (14. Febr.); auf der linken Seite der
Saukuru (12. Febr.) und der merkwürdige, stattliche Jkelcmba (13. Febr.), der die Farbe
schwarzen Thees hat und sich noch 130 (engl.) Meilen nach seiner Einmündung in den
Livingstone von diesem durch die Farbe seines Wassers unterscheidet. Die Farbe des Living¬
stone wird durch die Farbenmischung, die der Jkelemba zubringt, vom Hellgrau zum
dunkelbraun. Dieser Fluß soll auf der Straße von Cazembc nach Angola als Kasai bekannt sein.
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[0350] Landschaft, der naive Verkehr mit den nun friedlicher gesinnten Wilden, die Mannichfaltigkeit der Thierwelt, die sich am Strom einfindet, das muß man im Original sich schildern lassen; Auszüge lassen sich nicht geben. Jede Pflanze, jedes Thier ist anschaulich beschrieben, wissenschaftlich klassifizirt. Durch exakte Höhen- und Breitenmessungen ist der Leser über die jeweilige Tagesstellung des kühnen Reisenden orientirt. Endlich am letzten Februar ist das friedliche Volk des Königs von Tschumbiri erreicht. Der Livingstone hat inzwischen seine Richtung gänzlich verändert, bis zum 19. Gr. ö. L. ist er westsüdwestlich ge¬ flossen , von da um strömt er fast direkt nach Süden. In dieser Richtung ist Stanley schon am 18. Februar wieder am Aequator angelangt, gegen Ende Februar, an der Grenze des Königreichs Tschumbiri hat er schon fast den dritten Grad südlicher Breite erreicht.*) Die Aufnahme Seiten der Eingeborenen ist hier eine sehr freundliche. Der König sendet zunächst drei Prinzen mit Geschenken an den weißen Häupt¬ ling. Am 28. Februar erscheint er selbst mit königlichem Pomp und Glanz in Begleitung von fünf Kanoes, die mit stintentragenden Kriegern bemannt sind. Der Fürst war etwa fünfzig Jahr alt, hatte kleine Augen, eine wohlgebildete Nase, dünne Lippen, ein glattgerupftes Kinn, ein ruhiges, geselliges, menschen¬ freundliches Benehmen, eine sanfte Stimme. Er war dabei ceremoniös, mit dem Instinkt eines gewinnsüchtigen Kaufmanns ausgerüstet, über die Maßen listig und verschlagen. Die Fayon seines Hutes kann man auf dem Haupte jedes armenischen Priesters beobachten. Ueber seiner Schulter standen die Borsten eines Elephantenschwanzes aufrecht empor. In der Hand trug er einen Büffclschwanz, der zu einem Fliegenwedel zurecht gemacht war. An seiner Hand hing außer einer großen Anzahl Zaubersachen ein Schnupftabakkürbis, aus dem er fortwährend unmäßig große Prisen, etwa das Viertel eines Theelöffels voll von der innern Handfläche auf einmal einsog. Dabei drückte er seine arme Nase so gewaltig, als wolle er sie in die Stirne hineinschieben. Unmittelbar danach pflegte dann eines seiner ihm zärtlich zugethcmeu Kinder seinen Tschibuk voll Tabak zu stopfen, eine sechs Fuß lauge, mit Messingstiften und einer aus Zeug geflochtenen Quaste verzierte Riesenpfeife. Ihr Kopf war von Eisen und groß genug, um über ein Loth Tabak aufzunehmen. Des Königs einziger Fehler war seine bis zur höchsten Virtuosität ausgebildete Schlauheit und Arglist, *) An Zuflüssen sind bis dahin genannt auf der rechten Seite der Ukerc (der wie ein „breiter Kanal" aussah, 6. Febr.) und der Bangala (14. Febr.); auf der linken Seite der Saukuru (12. Febr.) und der merkwürdige, stattliche Jkelcmba (13. Febr.), der die Farbe schwarzen Thees hat und sich noch 130 (engl.) Meilen nach seiner Einmündung in den Livingstone von diesem durch die Farbe seines Wassers unterscheidet. Die Farbe des Living¬ stone wird durch die Farbenmischung, die der Jkelemba zubringt, vom Hellgrau zum dunkelbraun. Dieser Fluß soll auf der Straße von Cazembc nach Angola als Kasai bekannt sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/350>, abgerufen am 16.05.2024.