Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Stanley und seine Mannschaft nach all' den Entbehrungen, die sie erlitte",
nur zu vereitwillig sich zum Opfer darboten. Alles, was der König den Armen
an Nahrung und sonstiger Gunst gewährte, wurde gern liber die Maßen
theuer bezahlt.

Auch die Damen von Tschumbiri nahmen die Reisenden freundlich und
artig auf. Diese Schönen waren wohl des Anschauens werth, wirklich hübsch,
von einer tiefvrannen Hautfarbe, viele von ihnen großäugig und von schöner
Gestalt, "mit einer sehr anmuthigen Krümmung der Schulter". Aber sie waren
Sklaven der Mode. Sie trugen messingene Halsringe von 2 bis 3 Zoll im
Durchmesser, welche den Hals vollständig bedeckten und fast bis an das Ende
'der Schulter reichten, im Gewicht etwa dreißig Pfund schwer! Alles, was der
König nur an Messing erlangen konnte, schmolz er zu diesem gewichtigen
Schmucke um. Er hatte "viermal zehn" Weiber und sechs Töchter, die alle
dieser Auszeichnung theilhaftig sein wollten. Stanley schätzte das Gesammtge-
wicht dieses Schmuckes auf 1396 Pfund. "Ich fragte Tschumbiri, was er
mit dem Messing an dem Halse einer Frauenleiche mache. Er lächelte und
sah mich mit Wohlwollen an, als ob er mich wegen dieser tief eindringenden
Frage besonders lieb gewonnen hätte. Er fuhr in bedeutungsvoller Weise mit
seinem Finger über die Kehle."

Bald nach der am 7. März erfolgten Abreise von Tschumbiri gelangte
Stanley zu der "wohlbegründeten Meinung, daß dieser König mit der sanften
Stimme der ärgste Schelm in ganz Afrika sei." Denn auch für die Führer¬
begleitung, welche der König unter dem Befehle eines Prinzen mit der Ver¬
heißung mitgab, daß sie Stanley bis zu dem großen Wasserfall unterhalb des
Stanley-Pfuhls*) geleiten solle, hatte Stanley überreiche Geschenke im Voraus
dem Könige zurücklassen müssen. Dieses Geleit war aber ein sehr kurzes und
trügerisches. Denn schon am 8. März früh ließen die Wy-yanzi Stanley
Weiterreisen mit dem Versprechen, ihn bald einzuholen. Ohne Mißtrauen setzte
Stanley in einem furchtbaren Unwetter die Reise fort, ohne von den Führern
etwas zu gewahren. Am Frühmorgen des 9. wurde am rechten Ufer ein
230 Meter breiter reißender Fluß mit zwei Mündungen und sehr Hellem
Wasser Passirt, dem Stanley den Namen Lawson-Fluß gab. Am nämlichen
Vormittage wurde unter 3° 14' 4" südl. Br. ans dem linken Ufer ein mächtiger
und tiefer, von Ostnordost kommender Zufluß des Livingstone entdeckt, der
Jbari (Fluß) Nkutu, der sich durch einen in das Tafelland tief einschneidenden
Spalt eine 410 Meter breite Mündung gegraben hat. Es ist der Cocmgo
oder Kwango der Portugiesen. Der Livingstone selbst hatte sich schon vom



*) Etwci^beim Schncidepunkt des 17. söll, L,-Gr. mit dem 4. südl. Br.-Gut, S. u.

der Stanley und seine Mannschaft nach all' den Entbehrungen, die sie erlitte»,
nur zu vereitwillig sich zum Opfer darboten. Alles, was der König den Armen
an Nahrung und sonstiger Gunst gewährte, wurde gern liber die Maßen
theuer bezahlt.

Auch die Damen von Tschumbiri nahmen die Reisenden freundlich und
artig auf. Diese Schönen waren wohl des Anschauens werth, wirklich hübsch,
von einer tiefvrannen Hautfarbe, viele von ihnen großäugig und von schöner
Gestalt, „mit einer sehr anmuthigen Krümmung der Schulter". Aber sie waren
Sklaven der Mode. Sie trugen messingene Halsringe von 2 bis 3 Zoll im
Durchmesser, welche den Hals vollständig bedeckten und fast bis an das Ende
'der Schulter reichten, im Gewicht etwa dreißig Pfund schwer! Alles, was der
König nur an Messing erlangen konnte, schmolz er zu diesem gewichtigen
Schmucke um. Er hatte „viermal zehn" Weiber und sechs Töchter, die alle
dieser Auszeichnung theilhaftig sein wollten. Stanley schätzte das Gesammtge-
wicht dieses Schmuckes auf 1396 Pfund. „Ich fragte Tschumbiri, was er
mit dem Messing an dem Halse einer Frauenleiche mache. Er lächelte und
sah mich mit Wohlwollen an, als ob er mich wegen dieser tief eindringenden
Frage besonders lieb gewonnen hätte. Er fuhr in bedeutungsvoller Weise mit
seinem Finger über die Kehle."

Bald nach der am 7. März erfolgten Abreise von Tschumbiri gelangte
Stanley zu der „wohlbegründeten Meinung, daß dieser König mit der sanften
Stimme der ärgste Schelm in ganz Afrika sei." Denn auch für die Führer¬
begleitung, welche der König unter dem Befehle eines Prinzen mit der Ver¬
heißung mitgab, daß sie Stanley bis zu dem großen Wasserfall unterhalb des
Stanley-Pfuhls*) geleiten solle, hatte Stanley überreiche Geschenke im Voraus
dem Könige zurücklassen müssen. Dieses Geleit war aber ein sehr kurzes und
trügerisches. Denn schon am 8. März früh ließen die Wy-yanzi Stanley
Weiterreisen mit dem Versprechen, ihn bald einzuholen. Ohne Mißtrauen setzte
Stanley in einem furchtbaren Unwetter die Reise fort, ohne von den Führern
etwas zu gewahren. Am Frühmorgen des 9. wurde am rechten Ufer ein
230 Meter breiter reißender Fluß mit zwei Mündungen und sehr Hellem
Wasser Passirt, dem Stanley den Namen Lawson-Fluß gab. Am nämlichen
Vormittage wurde unter 3° 14' 4" südl. Br. ans dem linken Ufer ein mächtiger
und tiefer, von Ostnordost kommender Zufluß des Livingstone entdeckt, der
Jbari (Fluß) Nkutu, der sich durch einen in das Tafelland tief einschneidenden
Spalt eine 410 Meter breite Mündung gegraben hat. Es ist der Cocmgo
oder Kwango der Portugiesen. Der Livingstone selbst hatte sich schon vom



*) Etwci^beim Schncidepunkt des 17. söll, L,-Gr. mit dem 4. südl. Br.-Gut, S. u.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141230"/>
          <p xml:id="ID_1212" prev="#ID_1211"> der Stanley und seine Mannschaft nach all' den Entbehrungen, die sie erlitte»,<lb/>
nur zu vereitwillig sich zum Opfer darboten. Alles, was der König den Armen<lb/>
an Nahrung und sonstiger Gunst gewährte, wurde gern liber die Maßen<lb/>
theuer bezahlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1213"> Auch die Damen von Tschumbiri nahmen die Reisenden freundlich und<lb/>
artig auf. Diese Schönen waren wohl des Anschauens werth, wirklich hübsch,<lb/>
von einer tiefvrannen Hautfarbe, viele von ihnen großäugig und von schöner<lb/>
Gestalt, &#x201E;mit einer sehr anmuthigen Krümmung der Schulter". Aber sie waren<lb/>
Sklaven der Mode. Sie trugen messingene Halsringe von 2 bis 3 Zoll im<lb/>
Durchmesser, welche den Hals vollständig bedeckten und fast bis an das Ende<lb/>
'der Schulter reichten, im Gewicht etwa dreißig Pfund schwer! Alles, was der<lb/>
König nur an Messing erlangen konnte, schmolz er zu diesem gewichtigen<lb/>
Schmucke um. Er hatte &#x201E;viermal zehn" Weiber und sechs Töchter, die alle<lb/>
dieser Auszeichnung theilhaftig sein wollten. Stanley schätzte das Gesammtge-<lb/>
wicht dieses Schmuckes auf 1396 Pfund. &#x201E;Ich fragte Tschumbiri, was er<lb/>
mit dem Messing an dem Halse einer Frauenleiche mache. Er lächelte und<lb/>
sah mich mit Wohlwollen an, als ob er mich wegen dieser tief eindringenden<lb/>
Frage besonders lieb gewonnen hätte. Er fuhr in bedeutungsvoller Weise mit<lb/>
seinem Finger über die Kehle."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1214" next="#ID_1215"> Bald nach der am 7. März erfolgten Abreise von Tschumbiri gelangte<lb/>
Stanley zu der &#x201E;wohlbegründeten Meinung, daß dieser König mit der sanften<lb/>
Stimme der ärgste Schelm in ganz Afrika sei." Denn auch für die Führer¬<lb/>
begleitung, welche der König unter dem Befehle eines Prinzen mit der Ver¬<lb/>
heißung mitgab, daß sie Stanley bis zu dem großen Wasserfall unterhalb des<lb/>
Stanley-Pfuhls*) geleiten solle, hatte Stanley überreiche Geschenke im Voraus<lb/>
dem Könige zurücklassen müssen. Dieses Geleit war aber ein sehr kurzes und<lb/>
trügerisches. Denn schon am 8. März früh ließen die Wy-yanzi Stanley<lb/>
Weiterreisen mit dem Versprechen, ihn bald einzuholen. Ohne Mißtrauen setzte<lb/>
Stanley in einem furchtbaren Unwetter die Reise fort, ohne von den Führern<lb/>
etwas zu gewahren. Am Frühmorgen des 9. wurde am rechten Ufer ein<lb/>
230 Meter breiter reißender Fluß mit zwei Mündungen und sehr Hellem<lb/>
Wasser Passirt, dem Stanley den Namen Lawson-Fluß gab. Am nämlichen<lb/>
Vormittage wurde unter 3° 14' 4" südl. Br. ans dem linken Ufer ein mächtiger<lb/>
und tiefer, von Ostnordost kommender Zufluß des Livingstone entdeckt, der<lb/>
Jbari (Fluß) Nkutu, der sich durch einen in das Tafelland tief einschneidenden<lb/>
Spalt eine 410 Meter breite Mündung gegraben hat. Es ist der Cocmgo<lb/>
oder Kwango der Portugiesen. Der Livingstone selbst hatte sich schon vom</p><lb/>
          <note xml:id="FID_99" place="foot"> *) Etwci^beim Schncidepunkt des 17. söll, L,-Gr. mit dem 4. südl. Br.-Gut, S. u.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] der Stanley und seine Mannschaft nach all' den Entbehrungen, die sie erlitte», nur zu vereitwillig sich zum Opfer darboten. Alles, was der König den Armen an Nahrung und sonstiger Gunst gewährte, wurde gern liber die Maßen theuer bezahlt. Auch die Damen von Tschumbiri nahmen die Reisenden freundlich und artig auf. Diese Schönen waren wohl des Anschauens werth, wirklich hübsch, von einer tiefvrannen Hautfarbe, viele von ihnen großäugig und von schöner Gestalt, „mit einer sehr anmuthigen Krümmung der Schulter". Aber sie waren Sklaven der Mode. Sie trugen messingene Halsringe von 2 bis 3 Zoll im Durchmesser, welche den Hals vollständig bedeckten und fast bis an das Ende 'der Schulter reichten, im Gewicht etwa dreißig Pfund schwer! Alles, was der König nur an Messing erlangen konnte, schmolz er zu diesem gewichtigen Schmucke um. Er hatte „viermal zehn" Weiber und sechs Töchter, die alle dieser Auszeichnung theilhaftig sein wollten. Stanley schätzte das Gesammtge- wicht dieses Schmuckes auf 1396 Pfund. „Ich fragte Tschumbiri, was er mit dem Messing an dem Halse einer Frauenleiche mache. Er lächelte und sah mich mit Wohlwollen an, als ob er mich wegen dieser tief eindringenden Frage besonders lieb gewonnen hätte. Er fuhr in bedeutungsvoller Weise mit seinem Finger über die Kehle." Bald nach der am 7. März erfolgten Abreise von Tschumbiri gelangte Stanley zu der „wohlbegründeten Meinung, daß dieser König mit der sanften Stimme der ärgste Schelm in ganz Afrika sei." Denn auch für die Führer¬ begleitung, welche der König unter dem Befehle eines Prinzen mit der Ver¬ heißung mitgab, daß sie Stanley bis zu dem großen Wasserfall unterhalb des Stanley-Pfuhls*) geleiten solle, hatte Stanley überreiche Geschenke im Voraus dem Könige zurücklassen müssen. Dieses Geleit war aber ein sehr kurzes und trügerisches. Denn schon am 8. März früh ließen die Wy-yanzi Stanley Weiterreisen mit dem Versprechen, ihn bald einzuholen. Ohne Mißtrauen setzte Stanley in einem furchtbaren Unwetter die Reise fort, ohne von den Führern etwas zu gewahren. Am Frühmorgen des 9. wurde am rechten Ufer ein 230 Meter breiter reißender Fluß mit zwei Mündungen und sehr Hellem Wasser Passirt, dem Stanley den Namen Lawson-Fluß gab. Am nämlichen Vormittage wurde unter 3° 14' 4" südl. Br. ans dem linken Ufer ein mächtiger und tiefer, von Ostnordost kommender Zufluß des Livingstone entdeckt, der Jbari (Fluß) Nkutu, der sich durch einen in das Tafelland tief einschneidenden Spalt eine 410 Meter breite Mündung gegraben hat. Es ist der Cocmgo oder Kwango der Portugiesen. Der Livingstone selbst hatte sich schon vom *) Etwci^beim Schncidepunkt des 17. söll, L,-Gr. mit dem 4. südl. Br.-Gut, S. u.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/351>, abgerufen am 01.11.2024.