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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Platz, zu welchem Stanley vorausgeeilt war, zurückzulegen. Als ihm dieser
Wunsch von Ateti gewährt worden war, verlangte er aber auf einmal, daß
die Wangwam ihn über deu Strom setzen sollten, da Stanley's Lager weiter
abwärts am jenseitigen Ufer lag. Gerade oberhalb der Massassa-Fälle war
das unausführbar. Ateti stellte ihm vor, daß diese Fahrt Allen sicheren Tod
bringe. Da schalt Pocock deu Bootführer, der so oft sein Leben eingesetzt, um
Andere zu retten, einen Feigling, alle Begleiter Feiglinge und ertrotzte die
Fahrt mit dem leidenschaftlichen Unmuth eines Kranken. "Bismillcih!" (in Gottes
Namen) riefen die Mohammedaner und stießen ab. Lu wenig Minuten war
die Katastrophe da. Das Boot schlug um, und vier von den neun Insassen
ertranken, unter ihnen Frank Pocock, trotz aller heroischen Versuche Ateti's,
ihn zu retten. Seine Leiche wurde einmal noch, viele Tage später, in einem
ruhigen Becken des Stromes, das nach ihm das Pocock-Becken heißt, von
einem Schwarzen gesehen. Der abergläubische Mann wagte jedoch nicht, die
weiße Leiche zu berühren. So ist der große Strom zum Grab des Tapfern
geworden.

Wir schließen hier diesen kurzen Ueberblick über den Inhalt des hoch-^
interessanten Buches. Der Nest seines Inhaltes ist ja auch vorzugsweise
bekannt. Wie am 31. Juli das kecke Boot Lady-Allee, nachdem es seine
Besitzer 7000 Meilen weit getragen, hoch oben auf den Felsen der Jsangila-
Fälle verlassen wird, wie dann die mühselige Reise dnrch das unwirthliche
Land und die uufreuudlichste, knauserigste Bevölkerung weiter geht, wie Alle dem
Hungertode nahe sind, als Ateti mit einigen der Kräftigsten sich entschließt, die
vier Tagemürsche nach der nächsten Niederlassung der Weißen, nach Bona, fast
im Laufe zurückzulegen, um Nahrung herbeizuschaffen, der erschütternde brief¬
liche Hilferuf Stanley's an die christlichen Herzen seiner unbekannten weißen
Brüder in Bona, die ruhmwürde, rasche und reichliche Hilfe, welche diese den
armen Verhungerten sandten, die überströmenden Dankesworte, die Stanley
zurücksandte, das ergreifende Wiedersehen weißer Männer am 9. August -- das
Alles ist längst durch alle Tageszeitungen verbreitet.

Stanley's Fahrt durch den dunkeln Erdtheil ist die großartigste Ent-
deckungsreise, welche die Menschengeschichte bis jetzt kennt.

Die Ausstattung des Werkes, in welchem seine Reise erzählt ist, auch die
deutsche Uebersetzung ist dieser Reise würdig. Der zweite Band ist noch reicher
illustrirt als der erste. Er enthält 17 ganzseitige Abbildungen, 91 in den Text
eingefügte Holzschnitte, Spezialkarten des Lukuga-Kreek, der Stanley- und
Livingstone-Fülle; als kartographisches Hanptresnltat der ganzen Reise aber zwei
aneinander passende Karten von etwa 1 Quadratmeter Umfang, welche die Reife-


Grcnzbvtw IV. 1878. 43

Platz, zu welchem Stanley vorausgeeilt war, zurückzulegen. Als ihm dieser
Wunsch von Ateti gewährt worden war, verlangte er aber auf einmal, daß
die Wangwam ihn über deu Strom setzen sollten, da Stanley's Lager weiter
abwärts am jenseitigen Ufer lag. Gerade oberhalb der Massassa-Fälle war
das unausführbar. Ateti stellte ihm vor, daß diese Fahrt Allen sicheren Tod
bringe. Da schalt Pocock deu Bootführer, der so oft sein Leben eingesetzt, um
Andere zu retten, einen Feigling, alle Begleiter Feiglinge und ertrotzte die
Fahrt mit dem leidenschaftlichen Unmuth eines Kranken. „Bismillcih!" (in Gottes
Namen) riefen die Mohammedaner und stießen ab. Lu wenig Minuten war
die Katastrophe da. Das Boot schlug um, und vier von den neun Insassen
ertranken, unter ihnen Frank Pocock, trotz aller heroischen Versuche Ateti's,
ihn zu retten. Seine Leiche wurde einmal noch, viele Tage später, in einem
ruhigen Becken des Stromes, das nach ihm das Pocock-Becken heißt, von
einem Schwarzen gesehen. Der abergläubische Mann wagte jedoch nicht, die
weiße Leiche zu berühren. So ist der große Strom zum Grab des Tapfern
geworden.

Wir schließen hier diesen kurzen Ueberblick über den Inhalt des hoch-^
interessanten Buches. Der Nest seines Inhaltes ist ja auch vorzugsweise
bekannt. Wie am 31. Juli das kecke Boot Lady-Allee, nachdem es seine
Besitzer 7000 Meilen weit getragen, hoch oben auf den Felsen der Jsangila-
Fälle verlassen wird, wie dann die mühselige Reise dnrch das unwirthliche
Land und die uufreuudlichste, knauserigste Bevölkerung weiter geht, wie Alle dem
Hungertode nahe sind, als Ateti mit einigen der Kräftigsten sich entschließt, die
vier Tagemürsche nach der nächsten Niederlassung der Weißen, nach Bona, fast
im Laufe zurückzulegen, um Nahrung herbeizuschaffen, der erschütternde brief¬
liche Hilferuf Stanley's an die christlichen Herzen seiner unbekannten weißen
Brüder in Bona, die ruhmwürde, rasche und reichliche Hilfe, welche diese den
armen Verhungerten sandten, die überströmenden Dankesworte, die Stanley
zurücksandte, das ergreifende Wiedersehen weißer Männer am 9. August — das
Alles ist längst durch alle Tageszeitungen verbreitet.

Stanley's Fahrt durch den dunkeln Erdtheil ist die großartigste Ent-
deckungsreise, welche die Menschengeschichte bis jetzt kennt.

Die Ausstattung des Werkes, in welchem seine Reise erzählt ist, auch die
deutsche Uebersetzung ist dieser Reise würdig. Der zweite Band ist noch reicher
illustrirt als der erste. Er enthält 17 ganzseitige Abbildungen, 91 in den Text
eingefügte Holzschnitte, Spezialkarten des Lukuga-Kreek, der Stanley- und
Livingstone-Fülle; als kartographisches Hanptresnltat der ganzen Reise aber zwei
aneinander passende Karten von etwa 1 Quadratmeter Umfang, welche die Reife-


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[0357] Platz, zu welchem Stanley vorausgeeilt war, zurückzulegen. Als ihm dieser Wunsch von Ateti gewährt worden war, verlangte er aber auf einmal, daß die Wangwam ihn über deu Strom setzen sollten, da Stanley's Lager weiter abwärts am jenseitigen Ufer lag. Gerade oberhalb der Massassa-Fälle war das unausführbar. Ateti stellte ihm vor, daß diese Fahrt Allen sicheren Tod bringe. Da schalt Pocock deu Bootführer, der so oft sein Leben eingesetzt, um Andere zu retten, einen Feigling, alle Begleiter Feiglinge und ertrotzte die Fahrt mit dem leidenschaftlichen Unmuth eines Kranken. „Bismillcih!" (in Gottes Namen) riefen die Mohammedaner und stießen ab. Lu wenig Minuten war die Katastrophe da. Das Boot schlug um, und vier von den neun Insassen ertranken, unter ihnen Frank Pocock, trotz aller heroischen Versuche Ateti's, ihn zu retten. Seine Leiche wurde einmal noch, viele Tage später, in einem ruhigen Becken des Stromes, das nach ihm das Pocock-Becken heißt, von einem Schwarzen gesehen. Der abergläubische Mann wagte jedoch nicht, die weiße Leiche zu berühren. So ist der große Strom zum Grab des Tapfern geworden. Wir schließen hier diesen kurzen Ueberblick über den Inhalt des hoch-^ interessanten Buches. Der Nest seines Inhaltes ist ja auch vorzugsweise bekannt. Wie am 31. Juli das kecke Boot Lady-Allee, nachdem es seine Besitzer 7000 Meilen weit getragen, hoch oben auf den Felsen der Jsangila- Fälle verlassen wird, wie dann die mühselige Reise dnrch das unwirthliche Land und die uufreuudlichste, knauserigste Bevölkerung weiter geht, wie Alle dem Hungertode nahe sind, als Ateti mit einigen der Kräftigsten sich entschließt, die vier Tagemürsche nach der nächsten Niederlassung der Weißen, nach Bona, fast im Laufe zurückzulegen, um Nahrung herbeizuschaffen, der erschütternde brief¬ liche Hilferuf Stanley's an die christlichen Herzen seiner unbekannten weißen Brüder in Bona, die ruhmwürde, rasche und reichliche Hilfe, welche diese den armen Verhungerten sandten, die überströmenden Dankesworte, die Stanley zurücksandte, das ergreifende Wiedersehen weißer Männer am 9. August — das Alles ist längst durch alle Tageszeitungen verbreitet. Stanley's Fahrt durch den dunkeln Erdtheil ist die großartigste Ent- deckungsreise, welche die Menschengeschichte bis jetzt kennt. Die Ausstattung des Werkes, in welchem seine Reise erzählt ist, auch die deutsche Uebersetzung ist dieser Reise würdig. Der zweite Band ist noch reicher illustrirt als der erste. Er enthält 17 ganzseitige Abbildungen, 91 in den Text eingefügte Holzschnitte, Spezialkarten des Lukuga-Kreek, der Stanley- und Livingstone-Fülle; als kartographisches Hanptresnltat der ganzen Reise aber zwei aneinander passende Karten von etwa 1 Quadratmeter Umfang, welche die Reife- Grcnzbvtw IV. 1878. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/357>, abgerufen am 15.05.2024.