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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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die Kriege von 1839 bis 1849 allein 2'/.^ Milliarden Fras. Die indischen
Finanzen waren schon im Jahre 1840 mit einem Defizit von 2,138,000 Pfund
Sterling, im Jahre 1849 bereits mit einem Defizit von 15,264,484 Pfund
Sterling belastet, und doch hatte England in Indien im Jahre 1839 nur
17,000, im Jahre 1842 nur 54,000 Mann auf den Beinen. Die bloße Zer¬
rüttung der Finanzen wäre eines Feldzuges werth. Indien anzugreifen, ist
möglich, und es zu thun, ist durch heilige Pflicht geboten, mindestens um Eng¬
land für jetzt und künftig nachblutende Wunden zu schlagen. Kein Opfer ist
zu groß, wenn es gilt, die Uebermacht England's zu brechen. Der Kaiser mag
seinem Volke die Opfer auferlegen. Sein Volk wird die Opfer bringen."

Rußland, erschöpft durch den Krimkrieg, konnte damals nicht auf die indi¬
sche Diversion eingehen. Trotzdem erhob im April 1855 derselbe Diplomat
nochmals seine Stimme in einer neuen Denkschrift, aus der wir zur Vervoll¬
ständigung des bereits Gesagten noch das Nachstehende mittheilen: "Die Gegner
eines russischen Feldzuges nach Indien weisen hin auf die Schwierigkeit des
Unternehmens, auf die großen Opfer an Geld und Menschen, auf die unver-
hältnißmäßig geringen Erfolge, die sich versprechen lassen, ans die Gefahr, gleich
im Beginne zu scheitern." Er sucht diese Einwürfe zu entkräften und schließt
folgendermaßen: "Vor Allem gilt es, in Afghanistan Anhang zu erwerben
und die Sikhs in Bewegung zu bringen. Das Jahr 1848 hat dargethan, daß
eine Allianz von Afghanen und Sikhs nicht zu den Unmöglichkeiten gehört.
Allznviele Truppen aber wird England ans seinen indischen Besitzungen nicht
an die Nordwestgrenze vorschieben dürfen. Weder Nepal noch Birma find als
Nachbarn zu verachtende Feinde. Zehn Millionen Mohammedaner von Hai-
derabad warten nur auf den Moment, das Joch der Ungläubigen abzuwerfen
und die alte Herrlichkeit zurückzuerobern. Ringsum und mitten im Lande
werden furchtbare Feinde erstehen, und wenn Einzelanfstände bisher auch stets
besiegt wurden, so dürfte ein allgemeiner, gleichzeitiger Aufstand, wo nicht
Untergang, doch furchtbare Entkräftung bereiten."

Wir brauchen kein Wort hier hinzuzufügen. Die gegenwärtige Lage ent¬
spricht den damaligen Voraussetzungen. Die Folgen wird die Zukunft lehren.




die Kriege von 1839 bis 1849 allein 2'/.^ Milliarden Fras. Die indischen
Finanzen waren schon im Jahre 1840 mit einem Defizit von 2,138,000 Pfund
Sterling, im Jahre 1849 bereits mit einem Defizit von 15,264,484 Pfund
Sterling belastet, und doch hatte England in Indien im Jahre 1839 nur
17,000, im Jahre 1842 nur 54,000 Mann auf den Beinen. Die bloße Zer¬
rüttung der Finanzen wäre eines Feldzuges werth. Indien anzugreifen, ist
möglich, und es zu thun, ist durch heilige Pflicht geboten, mindestens um Eng¬
land für jetzt und künftig nachblutende Wunden zu schlagen. Kein Opfer ist
zu groß, wenn es gilt, die Uebermacht England's zu brechen. Der Kaiser mag
seinem Volke die Opfer auferlegen. Sein Volk wird die Opfer bringen."

Rußland, erschöpft durch den Krimkrieg, konnte damals nicht auf die indi¬
sche Diversion eingehen. Trotzdem erhob im April 1855 derselbe Diplomat
nochmals seine Stimme in einer neuen Denkschrift, aus der wir zur Vervoll¬
ständigung des bereits Gesagten noch das Nachstehende mittheilen: „Die Gegner
eines russischen Feldzuges nach Indien weisen hin auf die Schwierigkeit des
Unternehmens, auf die großen Opfer an Geld und Menschen, auf die unver-
hältnißmäßig geringen Erfolge, die sich versprechen lassen, ans die Gefahr, gleich
im Beginne zu scheitern." Er sucht diese Einwürfe zu entkräften und schließt
folgendermaßen: „Vor Allem gilt es, in Afghanistan Anhang zu erwerben
und die Sikhs in Bewegung zu bringen. Das Jahr 1848 hat dargethan, daß
eine Allianz von Afghanen und Sikhs nicht zu den Unmöglichkeiten gehört.
Allznviele Truppen aber wird England ans seinen indischen Besitzungen nicht
an die Nordwestgrenze vorschieben dürfen. Weder Nepal noch Birma find als
Nachbarn zu verachtende Feinde. Zehn Millionen Mohammedaner von Hai-
derabad warten nur auf den Moment, das Joch der Ungläubigen abzuwerfen
und die alte Herrlichkeit zurückzuerobern. Ringsum und mitten im Lande
werden furchtbare Feinde erstehen, und wenn Einzelanfstände bisher auch stets
besiegt wurden, so dürfte ein allgemeiner, gleichzeitiger Aufstand, wo nicht
Untergang, doch furchtbare Entkräftung bereiten."

Wir brauchen kein Wort hier hinzuzufügen. Die gegenwärtige Lage ent¬
spricht den damaligen Voraussetzungen. Die Folgen wird die Zukunft lehren.




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[0433] die Kriege von 1839 bis 1849 allein 2'/.^ Milliarden Fras. Die indischen Finanzen waren schon im Jahre 1840 mit einem Defizit von 2,138,000 Pfund Sterling, im Jahre 1849 bereits mit einem Defizit von 15,264,484 Pfund Sterling belastet, und doch hatte England in Indien im Jahre 1839 nur 17,000, im Jahre 1842 nur 54,000 Mann auf den Beinen. Die bloße Zer¬ rüttung der Finanzen wäre eines Feldzuges werth. Indien anzugreifen, ist möglich, und es zu thun, ist durch heilige Pflicht geboten, mindestens um Eng¬ land für jetzt und künftig nachblutende Wunden zu schlagen. Kein Opfer ist zu groß, wenn es gilt, die Uebermacht England's zu brechen. Der Kaiser mag seinem Volke die Opfer auferlegen. Sein Volk wird die Opfer bringen." Rußland, erschöpft durch den Krimkrieg, konnte damals nicht auf die indi¬ sche Diversion eingehen. Trotzdem erhob im April 1855 derselbe Diplomat nochmals seine Stimme in einer neuen Denkschrift, aus der wir zur Vervoll¬ ständigung des bereits Gesagten noch das Nachstehende mittheilen: „Die Gegner eines russischen Feldzuges nach Indien weisen hin auf die Schwierigkeit des Unternehmens, auf die großen Opfer an Geld und Menschen, auf die unver- hältnißmäßig geringen Erfolge, die sich versprechen lassen, ans die Gefahr, gleich im Beginne zu scheitern." Er sucht diese Einwürfe zu entkräften und schließt folgendermaßen: „Vor Allem gilt es, in Afghanistan Anhang zu erwerben und die Sikhs in Bewegung zu bringen. Das Jahr 1848 hat dargethan, daß eine Allianz von Afghanen und Sikhs nicht zu den Unmöglichkeiten gehört. Allznviele Truppen aber wird England ans seinen indischen Besitzungen nicht an die Nordwestgrenze vorschieben dürfen. Weder Nepal noch Birma find als Nachbarn zu verachtende Feinde. Zehn Millionen Mohammedaner von Hai- derabad warten nur auf den Moment, das Joch der Ungläubigen abzuwerfen und die alte Herrlichkeit zurückzuerobern. Ringsum und mitten im Lande werden furchtbare Feinde erstehen, und wenn Einzelanfstände bisher auch stets besiegt wurden, so dürfte ein allgemeiner, gleichzeitiger Aufstand, wo nicht Untergang, doch furchtbare Entkräftung bereiten." Wir brauchen kein Wort hier hinzuzufügen. Die gegenwärtige Lage ent¬ spricht den damaligen Voraussetzungen. Die Folgen wird die Zukunft lehren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/433>, abgerufen am 15.05.2024.