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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Königin zur Ehe zu zwingen. Gerade die geräuschvolle, sonst ganz unsinnige
Todesart ist ein wenig beachteter aber sehr schwer wiegender Beweis mehr sür
die Echtheit der Briefe. Durch die Öffentlichkeit des Verbrechens erhielten
diese Briefe erst ihren eigentlichen Werth. Daher auch nach der Vermählung
die seltsame bisher unverstandene Traurigkeit und Verzweiflung der Königin,
der keine Wahl blieb, als sich dem Willen Bothwell's zu fügen, obwohl sie die
Folgen voraussah und von ihrem Geliebten schlecht behandelt wurde. Viel¬
fach ist ferner neuerdings wieder behauptet worden, der Stil der Briefe sei zu
unelegant und roh, um von der Königin herzurühren, auch die Sonnette seien
zu schlecht, um als das Werk einer dichterisch so begabten Frau gelten zu können.
Maria's Briefe seien fein, elegant, harmonisch, diese das Gegentheil "vo^rss,
Ap^^ra emä tbs rasrsst xatoti^ort", wie Skelton sie nennt.

Die Sonnette sind indessen gar nicht so übel, besonders wenn man die¬
selben mit jenem Gedichte der Königin auf ihren ersten Gemahl vergleicht; über¬
dies Form und Wortlaut, wie sie jetzt vorliegen, wahrscheinlich nicht die ur¬
sprünglichen. Endlich besitzen wir nur sehr wenige wirklich intim und vertrau¬
lich geschriebene Briefe der Königin. Diese Briefe aber, wie z. B. die an den
Herzog von Norfolk, den Maria nie gesehen hat, verrathen im Stil eine merk¬
würdige Aehnlichkeit mit jenen Chatoullenbriefen, wie dieses Burton fein und
treffend hervorgehoben hat"), und dasselbe gilt in noch weit höherem Maße von
jenem bekannten Briefe, den Maria Stuart in leidenschaftlicher Erregung an
Elisabeth geschrieben hat, in welchem sie die Verleumdungen der Gräfin Shrews-
bury zurückweist. Ein Fälscher hätte überdies diesen Grad von Leidenschaftlichkeit
sicher nicht in die Briefe hineingelegt, er lag im Charakter der Königin; ferner
niemals die zahllosen Kleinigkeiten erwähnt, vor denen man sich bei Fälschungen
gerade zu hüten pflegt. Petit behauptet, -- da ihm andere Beweisgründe fehlen
-- jenes Sonnet, in dem die Worte vorkommen "meinen Sohn lege ich in
seine Hände" sei allein schon ein Beweis für die Unechtheit, da der junge
Prinz niemals in Bothwell's Händen gewesen sei. Indessen steht nicht da
"habe ich gelegt"; auch soll doch nur damit angedeutet werden, daß Maria
mit ihrer Verbindung ihre und ihres Sohnes Sicherheit vertrauensvoll in
Bothwell's Hände zu legen gedenke. Ganz wunderlich aber ist die Ansicht des¬
selben Schriftstellers, daß Bothwell wenn er im Besitze der Briefe gewesen wäre,
dieselben unfehlbar den Lords in der ^.iuMs T^porus gezeigt haben würde,
nicht minder endlich, daß Vothwell diese Briefe nach seiner Vermählung hätte
zerstören müssen, da es sein Interesse gewesen sei, die geschriebenen Beweise
seiner Schuld zu vernichten. Es waren Beweisstücke für Maria's Schuld,
für Bothwell gab es ganz andere und weit schwerere Belastungsstücke.



*> Labanoff, III. S. 4. 11. 13.

Königin zur Ehe zu zwingen. Gerade die geräuschvolle, sonst ganz unsinnige
Todesart ist ein wenig beachteter aber sehr schwer wiegender Beweis mehr sür
die Echtheit der Briefe. Durch die Öffentlichkeit des Verbrechens erhielten
diese Briefe erst ihren eigentlichen Werth. Daher auch nach der Vermählung
die seltsame bisher unverstandene Traurigkeit und Verzweiflung der Königin,
der keine Wahl blieb, als sich dem Willen Bothwell's zu fügen, obwohl sie die
Folgen voraussah und von ihrem Geliebten schlecht behandelt wurde. Viel¬
fach ist ferner neuerdings wieder behauptet worden, der Stil der Briefe sei zu
unelegant und roh, um von der Königin herzurühren, auch die Sonnette seien
zu schlecht, um als das Werk einer dichterisch so begabten Frau gelten zu können.
Maria's Briefe seien fein, elegant, harmonisch, diese das Gegentheil „vo^rss,
Ap^^ra emä tbs rasrsst xatoti^ort", wie Skelton sie nennt.

Die Sonnette sind indessen gar nicht so übel, besonders wenn man die¬
selben mit jenem Gedichte der Königin auf ihren ersten Gemahl vergleicht; über¬
dies Form und Wortlaut, wie sie jetzt vorliegen, wahrscheinlich nicht die ur¬
sprünglichen. Endlich besitzen wir nur sehr wenige wirklich intim und vertrau¬
lich geschriebene Briefe der Königin. Diese Briefe aber, wie z. B. die an den
Herzog von Norfolk, den Maria nie gesehen hat, verrathen im Stil eine merk¬
würdige Aehnlichkeit mit jenen Chatoullenbriefen, wie dieses Burton fein und
treffend hervorgehoben hat"), und dasselbe gilt in noch weit höherem Maße von
jenem bekannten Briefe, den Maria Stuart in leidenschaftlicher Erregung an
Elisabeth geschrieben hat, in welchem sie die Verleumdungen der Gräfin Shrews-
bury zurückweist. Ein Fälscher hätte überdies diesen Grad von Leidenschaftlichkeit
sicher nicht in die Briefe hineingelegt, er lag im Charakter der Königin; ferner
niemals die zahllosen Kleinigkeiten erwähnt, vor denen man sich bei Fälschungen
gerade zu hüten pflegt. Petit behauptet, — da ihm andere Beweisgründe fehlen
— jenes Sonnet, in dem die Worte vorkommen „meinen Sohn lege ich in
seine Hände" sei allein schon ein Beweis für die Unechtheit, da der junge
Prinz niemals in Bothwell's Händen gewesen sei. Indessen steht nicht da
„habe ich gelegt"; auch soll doch nur damit angedeutet werden, daß Maria
mit ihrer Verbindung ihre und ihres Sohnes Sicherheit vertrauensvoll in
Bothwell's Hände zu legen gedenke. Ganz wunderlich aber ist die Ansicht des¬
selben Schriftstellers, daß Bothwell wenn er im Besitze der Briefe gewesen wäre,
dieselben unfehlbar den Lords in der ^.iuMs T^porus gezeigt haben würde,
nicht minder endlich, daß Vothwell diese Briefe nach seiner Vermählung hätte
zerstören müssen, da es sein Interesse gewesen sei, die geschriebenen Beweise
seiner Schuld zu vernichten. Es waren Beweisstücke für Maria's Schuld,
für Bothwell gab es ganz andere und weit schwerere Belastungsstücke.



*> Labanoff, III. S. 4. 11. 13.
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[0486] Königin zur Ehe zu zwingen. Gerade die geräuschvolle, sonst ganz unsinnige Todesart ist ein wenig beachteter aber sehr schwer wiegender Beweis mehr sür die Echtheit der Briefe. Durch die Öffentlichkeit des Verbrechens erhielten diese Briefe erst ihren eigentlichen Werth. Daher auch nach der Vermählung die seltsame bisher unverstandene Traurigkeit und Verzweiflung der Königin, der keine Wahl blieb, als sich dem Willen Bothwell's zu fügen, obwohl sie die Folgen voraussah und von ihrem Geliebten schlecht behandelt wurde. Viel¬ fach ist ferner neuerdings wieder behauptet worden, der Stil der Briefe sei zu unelegant und roh, um von der Königin herzurühren, auch die Sonnette seien zu schlecht, um als das Werk einer dichterisch so begabten Frau gelten zu können. Maria's Briefe seien fein, elegant, harmonisch, diese das Gegentheil „vo^rss, Ap^^ra emä tbs rasrsst xatoti^ort", wie Skelton sie nennt. Die Sonnette sind indessen gar nicht so übel, besonders wenn man die¬ selben mit jenem Gedichte der Königin auf ihren ersten Gemahl vergleicht; über¬ dies Form und Wortlaut, wie sie jetzt vorliegen, wahrscheinlich nicht die ur¬ sprünglichen. Endlich besitzen wir nur sehr wenige wirklich intim und vertrau¬ lich geschriebene Briefe der Königin. Diese Briefe aber, wie z. B. die an den Herzog von Norfolk, den Maria nie gesehen hat, verrathen im Stil eine merk¬ würdige Aehnlichkeit mit jenen Chatoullenbriefen, wie dieses Burton fein und treffend hervorgehoben hat"), und dasselbe gilt in noch weit höherem Maße von jenem bekannten Briefe, den Maria Stuart in leidenschaftlicher Erregung an Elisabeth geschrieben hat, in welchem sie die Verleumdungen der Gräfin Shrews- bury zurückweist. Ein Fälscher hätte überdies diesen Grad von Leidenschaftlichkeit sicher nicht in die Briefe hineingelegt, er lag im Charakter der Königin; ferner niemals die zahllosen Kleinigkeiten erwähnt, vor denen man sich bei Fälschungen gerade zu hüten pflegt. Petit behauptet, — da ihm andere Beweisgründe fehlen — jenes Sonnet, in dem die Worte vorkommen „meinen Sohn lege ich in seine Hände" sei allein schon ein Beweis für die Unechtheit, da der junge Prinz niemals in Bothwell's Händen gewesen sei. Indessen steht nicht da „habe ich gelegt"; auch soll doch nur damit angedeutet werden, daß Maria mit ihrer Verbindung ihre und ihres Sohnes Sicherheit vertrauensvoll in Bothwell's Hände zu legen gedenke. Ganz wunderlich aber ist die Ansicht des¬ selben Schriftstellers, daß Bothwell wenn er im Besitze der Briefe gewesen wäre, dieselben unfehlbar den Lords in der ^.iuMs T^porus gezeigt haben würde, nicht minder endlich, daß Vothwell diese Briefe nach seiner Vermählung hätte zerstören müssen, da es sein Interesse gewesen sei, die geschriebenen Beweise seiner Schuld zu vernichten. Es waren Beweisstücke für Maria's Schuld, für Bothwell gab es ganz andere und weit schwerere Belastungsstücke. *> Labanoff, III. S. 4. 11. 13.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/486>, abgerufen am 15.05.2024.