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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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lassen. Das war wirklich recht aufrichtig! Falk schien dieser Bewandtniß
schon vorher klar gewesen zu sein, er legte daher in seiner Antwort das grö¬
ßere Gewicht auf die immerhin angemessene Konstatirung des innigen Zu¬
sammenhangs der Fincmzreform mit jenem Gesetze. Die Sache wurde nicht
weiter erörtert, Windthorst's Zwischenruf jedoch, Falk habe eine Rede für das
Tabaksmonopol gehalten, wurde von einem Theile der Presse aufgefangen, so
daß in derselben die Ansicht spukt, die Bedürftigkeit der Lehrer werde regie¬
rungsseitig mit als Pression für ihre Finanzreform benutzt.

Die bei der fortgesetzten Berathung des Etats des Inneren von Schmidt
erhobene Beschwerde wegen des von der Stettiner Polizei erlassenen Verbots
der Ausführung von Angler's Theaterstück "Die Fourchambault" wird wohl
die allgemeine Aufmerksamkeit noch eine Zeit lang beschäftigen. Die Ansichten
darüber, ob ein solches Stück die Schicklichkeitsgrenze überschreite, werden alle¬
zeit verschieden sein, also auch die Ansichten der Aufsichtsbehörden darüber. Es
gibt eben hierbei keine obere Instanz, wie man eine solche in der bekannten
Umsturzfrage hat. So lauge nicht, wie Windthorst vorschlug, eine Jury ge¬
bildet oder, wie Miguel meinte, wenigstens in großen Städten eine Art von
Vertrauenskommissivn ans Bürgern der gebildeten Stände der Polizei gesetzlich
beigegeben ist, werden Fälle wie der Stettiner, wo das mit der Behandlung
an anderen Orten in Widerspruch stehende Verhalten der Polizei, nach der zu¬
treffenden Schilderung vou Horwitz, Mißstimmung und Spott des Publikums
hervorrief, nicht zu vermeiden sein. Graf Eulenburg zeigte sich nicht geneigt,
auf die Frage einer gesetzlichen Regelung einzugehen.

Die übrigen beim Etat des Innern vorgebrachten Klagen betrafen vor¬
wiegend lokale Dinge. Von allgemeinerer Bedeutung war allenfalls ein beim
Kapitel der Landgensdarmerie vorgekommenes Nachspiel zur Frage der Wahl¬
beeinflussungen. Die von Richter wiederholt und ganz bestimmt gestellte Frage,
ob die als aktive Militärs nicht wahlberechtigten Gensdarmen nach Ansicht
des Ministers Wahlzettel und Aufrufe vertheilen dürften, wurde von letzterem
durch Verweisung auf seine früheren allgemeinen Erklärungen über beamtliche
Wahleinmischung erwidert. Hiernach scheint festzustehen, daß Graf Eulenburg
jene Handlung für statthaft hält, sobald sich nur deduziren läßt, daß sie vom
Landrathe nicht gerade amtlich anbefohlen war. Wenn also dieser zum Gens¬
darmen als Wähler oder als Menfch zum Menschen geredet hat, so soll nichts
dagegen zu machen sein. Das sind keine guten Aussichten für die nächsten
Wahlen! Bei diesen wird unter Anderem wohl anch die in der Verhandlung
vom 11. Dezember von Virchow gethane unvorsichtige Aeußerung von den
"guten Revolutionären" ausgebeutet werden. Die Anzeichen dafür liegen schon
jetzt vor. Daher sind die Fortschrittler bereits eifrig daran, den ihnen von ihrem


lassen. Das war wirklich recht aufrichtig! Falk schien dieser Bewandtniß
schon vorher klar gewesen zu sein, er legte daher in seiner Antwort das grö¬
ßere Gewicht auf die immerhin angemessene Konstatirung des innigen Zu¬
sammenhangs der Fincmzreform mit jenem Gesetze. Die Sache wurde nicht
weiter erörtert, Windthorst's Zwischenruf jedoch, Falk habe eine Rede für das
Tabaksmonopol gehalten, wurde von einem Theile der Presse aufgefangen, so
daß in derselben die Ansicht spukt, die Bedürftigkeit der Lehrer werde regie¬
rungsseitig mit als Pression für ihre Finanzreform benutzt.

Die bei der fortgesetzten Berathung des Etats des Inneren von Schmidt
erhobene Beschwerde wegen des von der Stettiner Polizei erlassenen Verbots
der Ausführung von Angler's Theaterstück „Die Fourchambault" wird wohl
die allgemeine Aufmerksamkeit noch eine Zeit lang beschäftigen. Die Ansichten
darüber, ob ein solches Stück die Schicklichkeitsgrenze überschreite, werden alle¬
zeit verschieden sein, also auch die Ansichten der Aufsichtsbehörden darüber. Es
gibt eben hierbei keine obere Instanz, wie man eine solche in der bekannten
Umsturzfrage hat. So lauge nicht, wie Windthorst vorschlug, eine Jury ge¬
bildet oder, wie Miguel meinte, wenigstens in großen Städten eine Art von
Vertrauenskommissivn ans Bürgern der gebildeten Stände der Polizei gesetzlich
beigegeben ist, werden Fälle wie der Stettiner, wo das mit der Behandlung
an anderen Orten in Widerspruch stehende Verhalten der Polizei, nach der zu¬
treffenden Schilderung vou Horwitz, Mißstimmung und Spott des Publikums
hervorrief, nicht zu vermeiden sein. Graf Eulenburg zeigte sich nicht geneigt,
auf die Frage einer gesetzlichen Regelung einzugehen.

Die übrigen beim Etat des Innern vorgebrachten Klagen betrafen vor¬
wiegend lokale Dinge. Von allgemeinerer Bedeutung war allenfalls ein beim
Kapitel der Landgensdarmerie vorgekommenes Nachspiel zur Frage der Wahl¬
beeinflussungen. Die von Richter wiederholt und ganz bestimmt gestellte Frage,
ob die als aktive Militärs nicht wahlberechtigten Gensdarmen nach Ansicht
des Ministers Wahlzettel und Aufrufe vertheilen dürften, wurde von letzterem
durch Verweisung auf seine früheren allgemeinen Erklärungen über beamtliche
Wahleinmischung erwidert. Hiernach scheint festzustehen, daß Graf Eulenburg
jene Handlung für statthaft hält, sobald sich nur deduziren läßt, daß sie vom
Landrathe nicht gerade amtlich anbefohlen war. Wenn also dieser zum Gens¬
darmen als Wähler oder als Menfch zum Menschen geredet hat, so soll nichts
dagegen zu machen sein. Das sind keine guten Aussichten für die nächsten
Wahlen! Bei diesen wird unter Anderem wohl anch die in der Verhandlung
vom 11. Dezember von Virchow gethane unvorsichtige Aeußerung von den
„guten Revolutionären" ausgebeutet werden. Die Anzeichen dafür liegen schon
jetzt vor. Daher sind die Fortschrittler bereits eifrig daran, den ihnen von ihrem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/519>, abgerufen am 15.05.2024.