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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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so^ut tsrridls zugefügten Nachtheil möglichst abzuschwächen, und so mußte
auch der Etat der Gensdarmerie Herrn Richter zu einem längeren Diskurs
dieser Tendenz herhalten.

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfes über Aenderungen in den '
Ministerialressorts, am 18. Dezember, hielt sich glücklicherweise fern von den
am 2. und 3. Dezember so ausführlich behandelten grundsätzlichen Fragen.
Der Uebertragung der Domänen- und der Forstverwaltung vom Finanz- an
das landwirtschaftliche Ministerium wurde fast ohne Weiteres zugestimmt, der
Theilung des Handelsministeriums in ein Ministerium der öffentlichen Arbeiten
und eins für Handel und Gewerbe aber erst nach längeren Erörterungen. Die
Ueberladung des Handelsministers steht außer Zweifel; sie ist in einer Denk¬
schrift nachgewiesen, von der Kommission anerkannt und wurde vom Münster
Maybach sowie Herrn von Wedell überzeugend dargelegt. Nach der früheren
Vorlage sollte ein besonderes Eisenbahn-Ministerium gegründet werden. Einen
der Gründe, welche am 27. März d. I. das Haus zur Ablehnung bestimmten,
hat die Regierung jetzt angenommen, indem sie die öffentlichen Arbeiten unter
Einem Ministerium belassen will. Gerade diese Berücksichtigung wurde ihr nun
von Windthorst, in trautem Vereine mit Hänel, zum Vorwurf gemacht. Ersterer
sprach von einem bedenklichen Schwanken der Regierung, will erst sicher sein,
daß das Reichseisenbahnprojekt ganz ausgegeben sei, und witterte hinter dem
Vorschlage einen bedenklichen Schritt zu sich überstürzenden Einheitsbestrebungen.
Das Entscheidende fand Rickert mit Recht in der Verbindung der Handels-
uud Gewerbesachen mit dem Reiche, und es war ein bedeutender Moment, als
Maybach konstatirte, daß der Handel ohnehin längst ein deutsch-nationales
Element geworden sei. Die Einwände wurden von Miquel schlagend wider¬
legt, der die Fortfchrittler vor dem Zusammengehen mit dem Hauptvertreter
des Partikularismus warnte.

Im Anschluß an die Genehmigung der Vorlage ließ das Haus durch eine
Resolution der Regierung eine Unterstützung in ihren Plänen bezüglich des
Eisenbahnwesens zu Theil werden. Die Wiederaufnahme des Versuchs wegen
eines Neichseisenbahngesetzes ist ein patriotisches Werk. Deshalb that Windt¬
horst sein Möglichstes, das Mißtrauen der kleineren Staaten gegen Preußen
wieder wachzurufen. Miquel dämpfte nach Kräften, und Richter knüpfte die
Zustimmung der Fortschrittler an die Bedingung der Aufgebung des Reichs¬
eisenbahnprojekts sowie der Verstaatlichung der Eisenbahnen, bekam darauf
aber von Maybach ein ihn und Genossen charakterisirendes derbes Wort zu
hören, worauf die Fortschrittler zustimmten, ohne über die Erfüllung der Be¬
dingungen Sicherheit erhalten zu haben.

Die Berathung des Etats der Forsten und Domänen am 19. Dezember


so^ut tsrridls zugefügten Nachtheil möglichst abzuschwächen, und so mußte
auch der Etat der Gensdarmerie Herrn Richter zu einem längeren Diskurs
dieser Tendenz herhalten.

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfes über Aenderungen in den '
Ministerialressorts, am 18. Dezember, hielt sich glücklicherweise fern von den
am 2. und 3. Dezember so ausführlich behandelten grundsätzlichen Fragen.
Der Uebertragung der Domänen- und der Forstverwaltung vom Finanz- an
das landwirtschaftliche Ministerium wurde fast ohne Weiteres zugestimmt, der
Theilung des Handelsministeriums in ein Ministerium der öffentlichen Arbeiten
und eins für Handel und Gewerbe aber erst nach längeren Erörterungen. Die
Ueberladung des Handelsministers steht außer Zweifel; sie ist in einer Denk¬
schrift nachgewiesen, von der Kommission anerkannt und wurde vom Münster
Maybach sowie Herrn von Wedell überzeugend dargelegt. Nach der früheren
Vorlage sollte ein besonderes Eisenbahn-Ministerium gegründet werden. Einen
der Gründe, welche am 27. März d. I. das Haus zur Ablehnung bestimmten,
hat die Regierung jetzt angenommen, indem sie die öffentlichen Arbeiten unter
Einem Ministerium belassen will. Gerade diese Berücksichtigung wurde ihr nun
von Windthorst, in trautem Vereine mit Hänel, zum Vorwurf gemacht. Ersterer
sprach von einem bedenklichen Schwanken der Regierung, will erst sicher sein,
daß das Reichseisenbahnprojekt ganz ausgegeben sei, und witterte hinter dem
Vorschlage einen bedenklichen Schritt zu sich überstürzenden Einheitsbestrebungen.
Das Entscheidende fand Rickert mit Recht in der Verbindung der Handels-
uud Gewerbesachen mit dem Reiche, und es war ein bedeutender Moment, als
Maybach konstatirte, daß der Handel ohnehin längst ein deutsch-nationales
Element geworden sei. Die Einwände wurden von Miquel schlagend wider¬
legt, der die Fortfchrittler vor dem Zusammengehen mit dem Hauptvertreter
des Partikularismus warnte.

Im Anschluß an die Genehmigung der Vorlage ließ das Haus durch eine
Resolution der Regierung eine Unterstützung in ihren Plänen bezüglich des
Eisenbahnwesens zu Theil werden. Die Wiederaufnahme des Versuchs wegen
eines Neichseisenbahngesetzes ist ein patriotisches Werk. Deshalb that Windt¬
horst sein Möglichstes, das Mißtrauen der kleineren Staaten gegen Preußen
wieder wachzurufen. Miquel dämpfte nach Kräften, und Richter knüpfte die
Zustimmung der Fortschrittler an die Bedingung der Aufgebung des Reichs¬
eisenbahnprojekts sowie der Verstaatlichung der Eisenbahnen, bekam darauf
aber von Maybach ein ihn und Genossen charakterisirendes derbes Wort zu
hören, worauf die Fortschrittler zustimmten, ohne über die Erfüllung der Be¬
dingungen Sicherheit erhalten zu haben.

Die Berathung des Etats der Forsten und Domänen am 19. Dezember


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/520>, abgerufen am 15.05.2024.