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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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führte, wurde der Sarg des großen Kurfürsten im Beisein Friedrich's geöffnet.
Der König, so heißt es, ergriff die Hand seines großen Ahnen und brach,
Thränen im Auge, zu seinem Gefolge in die Worte ans: "NösÄours, der
hat viel gethan." Diese Szene hat Menzel dargestellt, aber nicht mit der frap-
pirenden Originalität und Verve, die wir selbst auf dem kleinsten Blatte von
seiner Hand zu finden gewohnt find.

Die beiden tiroler Bauernmaler Mathias Schmidt und Alois Gahl
sind wieder, wie schon erwähnt, mit einigen niedlichen Genrebildern ans dem
Bauernleben vertreten, Schmidt leider nur mit einem, auf dem wir ein bild¬
sauberes Tiroler-Mädchen auf einer Ofenbank eingeschlafen sehen. Unter den
Gahl'schen Bildern ist besonders dasjenige durch seine tiefe und scharfe Charak¬
teristik bemerkenswerth, welches eine Gesellschaft von Bauerndirnen darstellt,
die um eine Gefährtin neugierig staunend versammelt sind, welche eine Hand¬
nähmaschine probirt.

Das Erfreulichste ist von den Landschaftsmalern geleistet worden. Die
Landschaftsmalerei allein ist auch qualitativ aus ihrer alten Höhe geblieben.
Sie bildet gegenwärtig den festesten Grundpfeiler der deutschen Kunst, der zwar
auch schon stark von den Wogen des Realismus umspült wird', aber noch
Widerstandskraft genug besitzt, um sicher und fest zu stehen. Auf diesem Ge¬
biete zeigt sich auch der reichste und hoffnungsvollste künstlerische Nachwuchs.
Ich könnte eine Reihe von vierzig Malern aufzählen, die ein jeder auf der
Höhe seines Strebens stehen und die ein jeder für sich eine scharf ausgeprägte
künstlerische Individualität besitzen. Neben dem großen Marinemaler, Andreas
Ueberhand, der nicht blos der größte seiner, sondern aller Zeiten ist, behauptet
sich noch eine stattliche Anzahl anderer: die Berliner Eschke, Saltzmann,
Sturm, Hunde von Hassten, der Karlsruher Gude, der Düsseldorfer Ducker.
Ueberhand's Partie von der Znyder-See bleibt freilich an Groß artigkeit hinter
früheren Schöpfungen zurück. Aber mau schüttelt die Meisterwerke auch nicht
alle Jahre aus dem Aermel, Dafür hat Saltzmann mit seiner "Einfahrt in
den Colberger Hafen" ein Seestück von packender Gewalt und Großartigkeit
geschaffen, hie und da zwar noch etwas dekorativ und in der malerischen Be¬
handlung des Wassers nicht so klar und durchsichtig wie auf den Ueberhand'-
schen Mariner, aber im Ganzen doch von überzeugender Wahrheit.

Oswald Ueberhand hat auf drei italienischen Landschaften gewagte kolori¬
stische Experimente versucht, die ihm nicht geglückt sind. Ein etwas jüngerer
Düsseldorfer, Flaum, der augenscheinlich von ihm beeinflußt ist, hat ihm in
einem Campagnabilde mit der Aussicht auf das Albanergebirge den Rang ab¬
gelaufen. Ihm reiht sich ein junger Berliner, Flink el, an, der in einer
interessanten Partie ans dem Garten der Villa d'Este ein hervorragendes toto-


führte, wurde der Sarg des großen Kurfürsten im Beisein Friedrich's geöffnet.
Der König, so heißt es, ergriff die Hand seines großen Ahnen und brach,
Thränen im Auge, zu seinem Gefolge in die Worte ans: „NösÄours, der
hat viel gethan." Diese Szene hat Menzel dargestellt, aber nicht mit der frap-
pirenden Originalität und Verve, die wir selbst auf dem kleinsten Blatte von
seiner Hand zu finden gewohnt find.

Die beiden tiroler Bauernmaler Mathias Schmidt und Alois Gahl
sind wieder, wie schon erwähnt, mit einigen niedlichen Genrebildern ans dem
Bauernleben vertreten, Schmidt leider nur mit einem, auf dem wir ein bild¬
sauberes Tiroler-Mädchen auf einer Ofenbank eingeschlafen sehen. Unter den
Gahl'schen Bildern ist besonders dasjenige durch seine tiefe und scharfe Charak¬
teristik bemerkenswerth, welches eine Gesellschaft von Bauerndirnen darstellt,
die um eine Gefährtin neugierig staunend versammelt sind, welche eine Hand¬
nähmaschine probirt.

Das Erfreulichste ist von den Landschaftsmalern geleistet worden. Die
Landschaftsmalerei allein ist auch qualitativ aus ihrer alten Höhe geblieben.
Sie bildet gegenwärtig den festesten Grundpfeiler der deutschen Kunst, der zwar
auch schon stark von den Wogen des Realismus umspült wird', aber noch
Widerstandskraft genug besitzt, um sicher und fest zu stehen. Auf diesem Ge¬
biete zeigt sich auch der reichste und hoffnungsvollste künstlerische Nachwuchs.
Ich könnte eine Reihe von vierzig Malern aufzählen, die ein jeder auf der
Höhe seines Strebens stehen und die ein jeder für sich eine scharf ausgeprägte
künstlerische Individualität besitzen. Neben dem großen Marinemaler, Andreas
Ueberhand, der nicht blos der größte seiner, sondern aller Zeiten ist, behauptet
sich noch eine stattliche Anzahl anderer: die Berliner Eschke, Saltzmann,
Sturm, Hunde von Hassten, der Karlsruher Gude, der Düsseldorfer Ducker.
Ueberhand's Partie von der Znyder-See bleibt freilich an Groß artigkeit hinter
früheren Schöpfungen zurück. Aber mau schüttelt die Meisterwerke auch nicht
alle Jahre aus dem Aermel, Dafür hat Saltzmann mit seiner „Einfahrt in
den Colberger Hafen" ein Seestück von packender Gewalt und Großartigkeit
geschaffen, hie und da zwar noch etwas dekorativ und in der malerischen Be¬
handlung des Wassers nicht so klar und durchsichtig wie auf den Ueberhand'-
schen Mariner, aber im Ganzen doch von überzeugender Wahrheit.

Oswald Ueberhand hat auf drei italienischen Landschaften gewagte kolori¬
stische Experimente versucht, die ihm nicht geglückt sind. Ein etwas jüngerer
Düsseldorfer, Flaum, der augenscheinlich von ihm beeinflußt ist, hat ihm in
einem Campagnabilde mit der Aussicht auf das Albanergebirge den Rang ab¬
gelaufen. Ihm reiht sich ein junger Berliner, Flink el, an, der in einer
interessanten Partie ans dem Garten der Villa d'Este ein hervorragendes toto-


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[0094] führte, wurde der Sarg des großen Kurfürsten im Beisein Friedrich's geöffnet. Der König, so heißt es, ergriff die Hand seines großen Ahnen und brach, Thränen im Auge, zu seinem Gefolge in die Worte ans: „NösÄours, der hat viel gethan." Diese Szene hat Menzel dargestellt, aber nicht mit der frap- pirenden Originalität und Verve, die wir selbst auf dem kleinsten Blatte von seiner Hand zu finden gewohnt find. Die beiden tiroler Bauernmaler Mathias Schmidt und Alois Gahl sind wieder, wie schon erwähnt, mit einigen niedlichen Genrebildern ans dem Bauernleben vertreten, Schmidt leider nur mit einem, auf dem wir ein bild¬ sauberes Tiroler-Mädchen auf einer Ofenbank eingeschlafen sehen. Unter den Gahl'schen Bildern ist besonders dasjenige durch seine tiefe und scharfe Charak¬ teristik bemerkenswerth, welches eine Gesellschaft von Bauerndirnen darstellt, die um eine Gefährtin neugierig staunend versammelt sind, welche eine Hand¬ nähmaschine probirt. Das Erfreulichste ist von den Landschaftsmalern geleistet worden. Die Landschaftsmalerei allein ist auch qualitativ aus ihrer alten Höhe geblieben. Sie bildet gegenwärtig den festesten Grundpfeiler der deutschen Kunst, der zwar auch schon stark von den Wogen des Realismus umspült wird', aber noch Widerstandskraft genug besitzt, um sicher und fest zu stehen. Auf diesem Ge¬ biete zeigt sich auch der reichste und hoffnungsvollste künstlerische Nachwuchs. Ich könnte eine Reihe von vierzig Malern aufzählen, die ein jeder auf der Höhe seines Strebens stehen und die ein jeder für sich eine scharf ausgeprägte künstlerische Individualität besitzen. Neben dem großen Marinemaler, Andreas Ueberhand, der nicht blos der größte seiner, sondern aller Zeiten ist, behauptet sich noch eine stattliche Anzahl anderer: die Berliner Eschke, Saltzmann, Sturm, Hunde von Hassten, der Karlsruher Gude, der Düsseldorfer Ducker. Ueberhand's Partie von der Znyder-See bleibt freilich an Groß artigkeit hinter früheren Schöpfungen zurück. Aber mau schüttelt die Meisterwerke auch nicht alle Jahre aus dem Aermel, Dafür hat Saltzmann mit seiner „Einfahrt in den Colberger Hafen" ein Seestück von packender Gewalt und Großartigkeit geschaffen, hie und da zwar noch etwas dekorativ und in der malerischen Be¬ handlung des Wassers nicht so klar und durchsichtig wie auf den Ueberhand'- schen Mariner, aber im Ganzen doch von überzeugender Wahrheit. Oswald Ueberhand hat auf drei italienischen Landschaften gewagte kolori¬ stische Experimente versucht, die ihm nicht geglückt sind. Ein etwas jüngerer Düsseldorfer, Flaum, der augenscheinlich von ihm beeinflußt ist, hat ihm in einem Campagnabilde mit der Aussicht auf das Albanergebirge den Rang ab¬ gelaufen. Ihm reiht sich ein junger Berliner, Flink el, an, der in einer interessanten Partie ans dem Garten der Villa d'Este ein hervorragendes toto-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/94>, abgerufen am 29.05.2024.