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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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streng von einander geschieden. Erstere sind wohl im Stande, eine große
Menge Einwohner aufzunehmen und dauernd an sich zu fesseln, können aber
für Deutsche nur in gleichen Zonen oder in den subtropischen Gegenden ange¬
legt werden, da das tropische Klima unserm Organismus die anstrengende
Arbeit des Ackerbaues nicht gestattet. Die Gebiete, welche dafür in Betracht
kommen können, sind: Nordamerika, die südliche Hälfte Südamerika's, Süd¬
afrika, Australien, Neuseeland und einige Inselgruppen des stillen Ozeans,
Distrikte, die übrigens um so eher von den Europäern in Besitz genommen
werden können, als erfahrungsgemäß die Ureinwohner an ihrem primitiven
Kulturzustande als Jäger- und Fischervölker mit Zähigkeit festhalten und, abge¬
sehen von Einzelheiten, den Schritt zu der höheren Stufe des Ackerbaues nicht
thun wollen. Was die Rentabilität derartiger Anlagen anlangt, so gedeihen
in ihnen alle Kulturpflanzen Südeuropa's vortrefflich; die Erfahrungen der
letzten Jahrzehnte haben aber den Beweis geliefert, daß es nicht der Reichthum
an Gold und Edelsteinen ist, welcher dem Lande zu dauernder Prosperität ver-
hilft, sondern die Fruchtbarkeit und Ergiebigkeit des Bodens. Die Goldfelder
Kalifornien's und die Diamantgruben Südafrika's, die nur für kurze Zeit
hastigen Abbaues den Menschen an sich fesselten, nehmen jetzt, wo sie erschöpft
sind, eine jährlich steigende Zahl von Ackerbauern auf, die einen langsam aber
stetig zufließenden Reichthum sich erwerben, den Boden nicht berauben, sondern
einer erhöhten Ertragsfähigkeit zuführen und zum Sitz einer nach allen Seiten
sich ausbreitenden Kultur macheu. Handelskolonieen finden ihre Stelle in den
Tropen, würden sich aber für den Abzug unserer Bevölkerung nur von ge¬
ringem Werthe erweisen, da auf Bewohner unserer Zonen ein längerer Aufent¬
halt in ihnen erschlaffend und schließlich degenerirend wirkt. Dagegen sind sie
wichtig für die Erwerbung der für unsere Bedürfnisse unentbehrlich gewordenen,
aber nur den Tropen eigenthümlichen Naturprodukte, die wir jetzt vielfach erst
aus zweiter Hand empfangen. Dadurch würde zugleich die einheimiMe In¬
dustrie den nöthigen Stoff zur Verarbeitung zugeführt erhalten, um wiederum
eine große Bevölkerungszahl genügend beschäftigen zu können. Ein derartiges
Kolonialsystem verlangt allerdings, daß die Ureinwohner, wenn sie nicht schon
arbeitsam sind, zu stetiger Thätigkeit erzogen werden, eine Aufgabe, welche die
Anlegung von Handelskolonieen wesentlich erschwert. Daß sie indeß, mit Einsicht
und Vorsicht unternommen, gelingen kann, lehren die Erfolge der Engländer
und Holländer. Nicht nur Kaufleute und Seefahrer würden durch ein solches
System ein lohnendes Feld der Thätigkeit finden, sondern auch andere Berufs¬
zweige würden in großer Anzahl nöthig werden, der Gesichtskreis der ganzen
Nation würde sich erweitern, die allzusehr zum Theoretisiren hinneigende Natur
des Deutschen würde durch die wesentlich praktischen Aufgaben eine heilsame


streng von einander geschieden. Erstere sind wohl im Stande, eine große
Menge Einwohner aufzunehmen und dauernd an sich zu fesseln, können aber
für Deutsche nur in gleichen Zonen oder in den subtropischen Gegenden ange¬
legt werden, da das tropische Klima unserm Organismus die anstrengende
Arbeit des Ackerbaues nicht gestattet. Die Gebiete, welche dafür in Betracht
kommen können, sind: Nordamerika, die südliche Hälfte Südamerika's, Süd¬
afrika, Australien, Neuseeland und einige Inselgruppen des stillen Ozeans,
Distrikte, die übrigens um so eher von den Europäern in Besitz genommen
werden können, als erfahrungsgemäß die Ureinwohner an ihrem primitiven
Kulturzustande als Jäger- und Fischervölker mit Zähigkeit festhalten und, abge¬
sehen von Einzelheiten, den Schritt zu der höheren Stufe des Ackerbaues nicht
thun wollen. Was die Rentabilität derartiger Anlagen anlangt, so gedeihen
in ihnen alle Kulturpflanzen Südeuropa's vortrefflich; die Erfahrungen der
letzten Jahrzehnte haben aber den Beweis geliefert, daß es nicht der Reichthum
an Gold und Edelsteinen ist, welcher dem Lande zu dauernder Prosperität ver-
hilft, sondern die Fruchtbarkeit und Ergiebigkeit des Bodens. Die Goldfelder
Kalifornien's und die Diamantgruben Südafrika's, die nur für kurze Zeit
hastigen Abbaues den Menschen an sich fesselten, nehmen jetzt, wo sie erschöpft
sind, eine jährlich steigende Zahl von Ackerbauern auf, die einen langsam aber
stetig zufließenden Reichthum sich erwerben, den Boden nicht berauben, sondern
einer erhöhten Ertragsfähigkeit zuführen und zum Sitz einer nach allen Seiten
sich ausbreitenden Kultur macheu. Handelskolonieen finden ihre Stelle in den
Tropen, würden sich aber für den Abzug unserer Bevölkerung nur von ge¬
ringem Werthe erweisen, da auf Bewohner unserer Zonen ein längerer Aufent¬
halt in ihnen erschlaffend und schließlich degenerirend wirkt. Dagegen sind sie
wichtig für die Erwerbung der für unsere Bedürfnisse unentbehrlich gewordenen,
aber nur den Tropen eigenthümlichen Naturprodukte, die wir jetzt vielfach erst
aus zweiter Hand empfangen. Dadurch würde zugleich die einheimiMe In¬
dustrie den nöthigen Stoff zur Verarbeitung zugeführt erhalten, um wiederum
eine große Bevölkerungszahl genügend beschäftigen zu können. Ein derartiges
Kolonialsystem verlangt allerdings, daß die Ureinwohner, wenn sie nicht schon
arbeitsam sind, zu stetiger Thätigkeit erzogen werden, eine Aufgabe, welche die
Anlegung von Handelskolonieen wesentlich erschwert. Daß sie indeß, mit Einsicht
und Vorsicht unternommen, gelingen kann, lehren die Erfolge der Engländer
und Holländer. Nicht nur Kaufleute und Seefahrer würden durch ein solches
System ein lohnendes Feld der Thätigkeit finden, sondern auch andere Berufs¬
zweige würden in großer Anzahl nöthig werden, der Gesichtskreis der ganzen
Nation würde sich erweitern, die allzusehr zum Theoretisiren hinneigende Natur
des Deutschen würde durch die wesentlich praktischen Aufgaben eine heilsame


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/175>, abgerufen am 15.06.2024.