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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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die weißen Raben, die, ohne dem persönlichen Ehrgeiz zu fröhnen, nicht blos
als Kritiker, sondern als Arbeiter oder Künstler an der deutschen Arbeit im
Elsaß mitwirken wollten, so würde ihr Eintritt in die Verwaltung im besten
Falle ein Kunststück, ein Kunstwerk nie zu Stande bringen. Treten sie in
die unteren oder mittleren Schichten unserer Bureaukratie, so wird ein gewandter
Mann zwar die Routine der äußeren Geschäftsbehandlung den Kollegen bald
abgucken, aber innerlichst wird doch die Kluft bestehen bleiben, die dem Zu¬
sammenwirken hinderlicher ist als jetzt der Unterschied zwischen Nord- und
Süddeutsch, mit dem der echte und gerechte Altpreuße und Altbayer koquettirt.
Ich rede natürlich von dem Eintritt der "im Lande voranstehenden Männer",
nicht etwa von dem jungen Nachwuchs, dessen Erstlinge jetzt gerade in die
Reihen der Beamtenschaft eintreten können. Treten die ersteren aber gar in
leitende Stellen ein, wo soll da das Vertrauen der Subalternen zu 1)em Chef
herkommen, der, wenn er überhaupt etwas vom Verwaltungsfache versteht,
aufgewachsen ist mit den Vorstellungen zentralisirtester Verwaltung?

Selbst die Liberalen kommen nur mit den allbekannten schablonenmüßigen
Forderungen des Selfgovernments im Allgemeinen; im Kern sind sie so durch¬
drungen von zentralistischen Anschauungen der Verwaltung, daß sie nicht wissen,
was sie mit dem Gegentheil anfangen sollen. Man vergleiche nur die Ver¬
handlungen des Landesausschusses über die Forstverwaltung. Es wäre, wie
gesagt, ein Kunststück, wenn etwas Rechtes dabei herauskäme. Nein, für lange
Zeit ist der Platz der elsässischen Mitwirkung an der Verwaltung in die Ver¬
tretung der Kreise und Bezirke und in den Landesausschuß gelegt, nicht in die
eigentlich verwaltenden Bureaux. Dort lernt man bei sachlicher Kritik den
Gegner kennen und lernt ihn achten, lernt auch die Unmöglichkeit des Cliquen¬
wesens einsehen, das sich unter dem Schutze der Präfekten in die französischen
Generalräthe und in die französische Verwaltung eingeschlichen hatte. Das ist
der Platz, auf dem die für lange Zeit getrennten Elemente der deutschen
Beamten und der reichsländischen Bevölkerung sich befehden und befreunden
können. Wir sind nicht so sanguinisch wie Herr v. Puttkammer, der wünscht,
daß die Zeit nicht allzufern sei, in der gegenseitiges Vertrauen und gemein¬
schaftliche Vaterlandsliebe sich zu einem untrennbaren, inneren Bande ausbilde
zwischen Elsaß-Lothringen und dem Reiche. Als Wunsch, als Schluß einer
Rede macht sich das ja recht schön, aber an eine baldige Verwirklichung glauben
wir nicht.

Es erscheint aber überhaupt als ein Fehler, da, wo es sich um Verfassung,
um grundlegende Fragen handelt, von administrativen Verhältnissen zu reden.
Man sagt gewöhnlich, man solle nicht mit Kanonen nach Spatzen schießen,
aber sich so an den Eintritt der Elsässer in die Beamtenkreise klammern und


die weißen Raben, die, ohne dem persönlichen Ehrgeiz zu fröhnen, nicht blos
als Kritiker, sondern als Arbeiter oder Künstler an der deutschen Arbeit im
Elsaß mitwirken wollten, so würde ihr Eintritt in die Verwaltung im besten
Falle ein Kunststück, ein Kunstwerk nie zu Stande bringen. Treten sie in
die unteren oder mittleren Schichten unserer Bureaukratie, so wird ein gewandter
Mann zwar die Routine der äußeren Geschäftsbehandlung den Kollegen bald
abgucken, aber innerlichst wird doch die Kluft bestehen bleiben, die dem Zu¬
sammenwirken hinderlicher ist als jetzt der Unterschied zwischen Nord- und
Süddeutsch, mit dem der echte und gerechte Altpreuße und Altbayer koquettirt.
Ich rede natürlich von dem Eintritt der „im Lande voranstehenden Männer",
nicht etwa von dem jungen Nachwuchs, dessen Erstlinge jetzt gerade in die
Reihen der Beamtenschaft eintreten können. Treten die ersteren aber gar in
leitende Stellen ein, wo soll da das Vertrauen der Subalternen zu 1)em Chef
herkommen, der, wenn er überhaupt etwas vom Verwaltungsfache versteht,
aufgewachsen ist mit den Vorstellungen zentralisirtester Verwaltung?

Selbst die Liberalen kommen nur mit den allbekannten schablonenmüßigen
Forderungen des Selfgovernments im Allgemeinen; im Kern sind sie so durch¬
drungen von zentralistischen Anschauungen der Verwaltung, daß sie nicht wissen,
was sie mit dem Gegentheil anfangen sollen. Man vergleiche nur die Ver¬
handlungen des Landesausschusses über die Forstverwaltung. Es wäre, wie
gesagt, ein Kunststück, wenn etwas Rechtes dabei herauskäme. Nein, für lange
Zeit ist der Platz der elsässischen Mitwirkung an der Verwaltung in die Ver¬
tretung der Kreise und Bezirke und in den Landesausschuß gelegt, nicht in die
eigentlich verwaltenden Bureaux. Dort lernt man bei sachlicher Kritik den
Gegner kennen und lernt ihn achten, lernt auch die Unmöglichkeit des Cliquen¬
wesens einsehen, das sich unter dem Schutze der Präfekten in die französischen
Generalräthe und in die französische Verwaltung eingeschlichen hatte. Das ist
der Platz, auf dem die für lange Zeit getrennten Elemente der deutschen
Beamten und der reichsländischen Bevölkerung sich befehden und befreunden
können. Wir sind nicht so sanguinisch wie Herr v. Puttkammer, der wünscht,
daß die Zeit nicht allzufern sei, in der gegenseitiges Vertrauen und gemein¬
schaftliche Vaterlandsliebe sich zu einem untrennbaren, inneren Bande ausbilde
zwischen Elsaß-Lothringen und dem Reiche. Als Wunsch, als Schluß einer
Rede macht sich das ja recht schön, aber an eine baldige Verwirklichung glauben
wir nicht.

Es erscheint aber überhaupt als ein Fehler, da, wo es sich um Verfassung,
um grundlegende Fragen handelt, von administrativen Verhältnissen zu reden.
Man sagt gewöhnlich, man solle nicht mit Kanonen nach Spatzen schießen,
aber sich so an den Eintritt der Elsässer in die Beamtenkreise klammern und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/283>, abgerufen am 04.06.2024.