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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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lich auf schwere Beleidigung (ontr^sah gegen die Versammlung, einen Theil
derselben oder den Vorsitzenden. Der Ausgeschlossene hat die Kammer sofort
zu verlassen und darf in den drei folgenden Sitzungen nicht wieder erscheinen,
widrigenfalls er verhaftet und drei Tage in Haft gehalten werden soll. Beide
Arten des Verweises werden auf Vorschlag des Hauses notirt und im Proto¬
koll vermerkt. Mit beiden ist Verlust der Hälfte der Tagegelder des Abgeord¬
neten während eines Monats und Anschlag des Verweises in allen Gemeinden,
wo derselbe gewählt worden, auf seine Kosten verbunden. Der Repräsentant,
gegen den eine solche Strafe beantragt ist, hat das Recht, gehört zu werden
oder einen Kollegen für sich sprechen zu lassen. Die Verhandlungen der National¬
versammlung sind öffentlich, wenn nicht fünf Mitglieder eine geheime Sitzung
verlangen.

Indem wir bitten, das, was unsere Schrift über Belgien und das Ver¬
fahren der deutschen Parlamente von 1848 bis 1850 mittheilt, in ihr selbst
nachzulesen*), entnehmen wir ihr nur noch einige Notizen über die hierher ge¬
hörigen Einrichtungen der Landtage in den deutschen Einzelstaaten, wobei wir
den preußischen und die einiger kleineren Länder außer Betracht lassen.

In Bayern herrschten in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts sehr
strenge Bestimmungen. Das Edikt über die Geschäftsordnung für die Kammer
der Abgeordneten vom Jahre 1825 sagt u. a.: "Sollten Sie (die Abgeordneten)
sich persönliche Ausfälle gegen den Regenten, die königliche Familie oder die
einzelnen Mitglieder der Kammer erlauben, oder Anträge gegen die allgemeine
Staatsverfassung zu stellen unternehmen und ungeachtet der von dem Präsi¬
denten gemachten Erinnerung hiermit fortfahren, so ist derselbe berechtigt und
verpflichtet, die Sitzung für diesen Tag auf der Stelle zu schließen und in der
folgenden Sitzung über die Bestrafung des fehlenden Mitgliedes der Kammer
vorzutragen, welche entscheiden wird, ob dasselbe zum bloßen Widerruf oder
zum zeitlichen oder gänzlichen Ausschluß aus der Kammer zu verurtheilen sei.
Hiernach soll der Präsident insbesondere auch beleidigende Ausfälle gegen die
eigene Regierung und Regierungsbehörden, gegen fremde Regierungen, gegen
den Deutschen Bund, gegen die Stättdeversammluug oder gegen eine einzelne
Kammer derselben niemals dulden, sondern mit Verweisung zur Ordnung und
nach Beschaffenheit der Sache mit Untersagung der ferneren Wortführung un-
verweilt und ernstlich einschreiten." Dieser Paragraph der Geschäftsordnung



*) Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 23. März 1349 enthielt die Bestimmung,
daß jedes Haus befugt sein solle, Mitglieder wegen unwürdigen Verhaltens im Hause nach
Maßgabe der Geschäftsordnung zu bestrafen und äußersten Falles auszuschließen. Zur
Ausschließung sollten zwei Drittheile der Stimmen erforderlich sein.

lich auf schwere Beleidigung (ontr^sah gegen die Versammlung, einen Theil
derselben oder den Vorsitzenden. Der Ausgeschlossene hat die Kammer sofort
zu verlassen und darf in den drei folgenden Sitzungen nicht wieder erscheinen,
widrigenfalls er verhaftet und drei Tage in Haft gehalten werden soll. Beide
Arten des Verweises werden auf Vorschlag des Hauses notirt und im Proto¬
koll vermerkt. Mit beiden ist Verlust der Hälfte der Tagegelder des Abgeord¬
neten während eines Monats und Anschlag des Verweises in allen Gemeinden,
wo derselbe gewählt worden, auf seine Kosten verbunden. Der Repräsentant,
gegen den eine solche Strafe beantragt ist, hat das Recht, gehört zu werden
oder einen Kollegen für sich sprechen zu lassen. Die Verhandlungen der National¬
versammlung sind öffentlich, wenn nicht fünf Mitglieder eine geheime Sitzung
verlangen.

Indem wir bitten, das, was unsere Schrift über Belgien und das Ver¬
fahren der deutschen Parlamente von 1848 bis 1850 mittheilt, in ihr selbst
nachzulesen*), entnehmen wir ihr nur noch einige Notizen über die hierher ge¬
hörigen Einrichtungen der Landtage in den deutschen Einzelstaaten, wobei wir
den preußischen und die einiger kleineren Länder außer Betracht lassen.

In Bayern herrschten in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts sehr
strenge Bestimmungen. Das Edikt über die Geschäftsordnung für die Kammer
der Abgeordneten vom Jahre 1825 sagt u. a.: „Sollten Sie (die Abgeordneten)
sich persönliche Ausfälle gegen den Regenten, die königliche Familie oder die
einzelnen Mitglieder der Kammer erlauben, oder Anträge gegen die allgemeine
Staatsverfassung zu stellen unternehmen und ungeachtet der von dem Präsi¬
denten gemachten Erinnerung hiermit fortfahren, so ist derselbe berechtigt und
verpflichtet, die Sitzung für diesen Tag auf der Stelle zu schließen und in der
folgenden Sitzung über die Bestrafung des fehlenden Mitgliedes der Kammer
vorzutragen, welche entscheiden wird, ob dasselbe zum bloßen Widerruf oder
zum zeitlichen oder gänzlichen Ausschluß aus der Kammer zu verurtheilen sei.
Hiernach soll der Präsident insbesondere auch beleidigende Ausfälle gegen die
eigene Regierung und Regierungsbehörden, gegen fremde Regierungen, gegen
den Deutschen Bund, gegen die Stättdeversammluug oder gegen eine einzelne
Kammer derselben niemals dulden, sondern mit Verweisung zur Ordnung und
nach Beschaffenheit der Sache mit Untersagung der ferneren Wortführung un-
verweilt und ernstlich einschreiten." Dieser Paragraph der Geschäftsordnung



*) Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 23. März 1349 enthielt die Bestimmung,
daß jedes Haus befugt sein solle, Mitglieder wegen unwürdigen Verhaltens im Hause nach
Maßgabe der Geschäftsordnung zu bestrafen und äußersten Falles auszuschließen. Zur
Ausschließung sollten zwei Drittheile der Stimmen erforderlich sein.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/9>, abgerufen am 21.05.2024.