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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Drittheilen ein Mitglied ausstoßen." seie aber ist in autoritativer Weise ent¬
schieden worden, was unter "ordnungswidrigem Benehmen" zu verstehen ist,
und was für andere Strafen außer der Ausstoßung zulässig sind. Ganz allge¬
mein wird in den Geschäftsordnungen der beiden parlamentarischen Körper¬
schaften, Senat- und Repräsentantenhaus, gesagt, daß der Vorsitzende ein Mit¬
glied, welches durch Worte oder sonstwie die Regeln des Hauses übertritt, zur
Ordnung rufen soll, und daß jedes andere Mitglied dies darf. Verweise und
Verurteilungen zur Abbitte scheinen nicht vorzukommen. Mit Haft bestraft
nur das Repräsentantenhaus die, welche bei einem Namensaufrufe fehlen und
sich später uicht deswegen entschuldigen können. Wiederholt kam es vor, daß
Repräsentanten in gröbster Weise wörtlich und thätlich einander beleidigten,
ohne daß etwas Anderes als ein gewöhnlicher Ordnungsruf erfolgte, freilich
hat der Kongreß in der öffentlichen Meinung nicht viel an Achtung zu ver¬
lieren. Das Recht zur Ausstoßung eines Mitgliedes ist unbeschränkt, und
während des Bürgerkrieges kamen Fälle, wo von diesem Rechte gegen rebellische
und illoyale Senatoren Gebrauch gemacht wurde, ziemlich oft vor. Alle
Sitzungen des Kongresses sind öffentlich, nur die nicht, wo der Senat soge¬
nannte exekutive Geschäfte verhandelt, aber die Ausschließung der Öffentlich¬
keit kann jederzeit beschlossen, ja vom Sprecher allein angeordnet werden. Die
öffentlichen Verhandlungen beider Häuser werden in offiziellen stenographischen
Berichten vollständig publizirt.

In Frankreich gilt nach Schleiden jetzt wahrscheinlich wieder die Ge¬
schäftsordnung vom 6. April 1849 und nicht die durch kaiserliches Dekret vom
2. Februar 1867 eingeführte, die bis auf eine einzige Bestimmung viel milder
war. In jener sind die zulässigen Disziplinarstrafen folgende: Ruf zur Ord¬
nung, derselbe mit Eintragung in's Protokoll, Verweis, derselbe mit zeitweiliger
Ausschließung vom Orte der Sitzungen. Der einfache Ruf zur Ordnung er¬
folgt bei jeder Verletzung der Geschäftsordnung, der verschärfte, wenn der be¬
treffende Abgeordnete innerhalb von dreißig Tagen zwei Mal zur Ordnung
gerufen worden ist. Der Verweis wird gegen jedes Mitglied ausgesprochen,
welches nach einem verschärften Ordnungsrufe nicht zu seiner Pflicht zurückge¬
kehrt ist, ferner gegen solche, die innerhalb von dreißig Tagen wiederholt haben
zur Ordnung gerufen werden müssen, gegen solche, die in der Versammlung
das Signal zu einer tumultuarischen Szene oder zu mehrfacher Enthaltung
von der Theilnahme an den gesetzgeberischen Arbeiten gegeben haben, endlich
gegen jeden Abgeordneten, der gegen einen oder mehrere seiner Kollegen Be¬
leidigungen, Herausforderungen oder Drohungen ausgestoßen hat. Verweis
mit zeitweiligen Ausschluß ist auf Widerstand gegen den einfachen Verweis
gesetzt, ferner auf Aufreizung zur Gewaltthätigkeit und zum Bürgerkriege, end-


Drittheilen ein Mitglied ausstoßen." seie aber ist in autoritativer Weise ent¬
schieden worden, was unter „ordnungswidrigem Benehmen" zu verstehen ist,
und was für andere Strafen außer der Ausstoßung zulässig sind. Ganz allge¬
mein wird in den Geschäftsordnungen der beiden parlamentarischen Körper¬
schaften, Senat- und Repräsentantenhaus, gesagt, daß der Vorsitzende ein Mit¬
glied, welches durch Worte oder sonstwie die Regeln des Hauses übertritt, zur
Ordnung rufen soll, und daß jedes andere Mitglied dies darf. Verweise und
Verurteilungen zur Abbitte scheinen nicht vorzukommen. Mit Haft bestraft
nur das Repräsentantenhaus die, welche bei einem Namensaufrufe fehlen und
sich später uicht deswegen entschuldigen können. Wiederholt kam es vor, daß
Repräsentanten in gröbster Weise wörtlich und thätlich einander beleidigten,
ohne daß etwas Anderes als ein gewöhnlicher Ordnungsruf erfolgte, freilich
hat der Kongreß in der öffentlichen Meinung nicht viel an Achtung zu ver¬
lieren. Das Recht zur Ausstoßung eines Mitgliedes ist unbeschränkt, und
während des Bürgerkrieges kamen Fälle, wo von diesem Rechte gegen rebellische
und illoyale Senatoren Gebrauch gemacht wurde, ziemlich oft vor. Alle
Sitzungen des Kongresses sind öffentlich, nur die nicht, wo der Senat soge¬
nannte exekutive Geschäfte verhandelt, aber die Ausschließung der Öffentlich¬
keit kann jederzeit beschlossen, ja vom Sprecher allein angeordnet werden. Die
öffentlichen Verhandlungen beider Häuser werden in offiziellen stenographischen
Berichten vollständig publizirt.

In Frankreich gilt nach Schleiden jetzt wahrscheinlich wieder die Ge¬
schäftsordnung vom 6. April 1849 und nicht die durch kaiserliches Dekret vom
2. Februar 1867 eingeführte, die bis auf eine einzige Bestimmung viel milder
war. In jener sind die zulässigen Disziplinarstrafen folgende: Ruf zur Ord¬
nung, derselbe mit Eintragung in's Protokoll, Verweis, derselbe mit zeitweiliger
Ausschließung vom Orte der Sitzungen. Der einfache Ruf zur Ordnung er¬
folgt bei jeder Verletzung der Geschäftsordnung, der verschärfte, wenn der be¬
treffende Abgeordnete innerhalb von dreißig Tagen zwei Mal zur Ordnung
gerufen worden ist. Der Verweis wird gegen jedes Mitglied ausgesprochen,
welches nach einem verschärften Ordnungsrufe nicht zu seiner Pflicht zurückge¬
kehrt ist, ferner gegen solche, die innerhalb von dreißig Tagen wiederholt haben
zur Ordnung gerufen werden müssen, gegen solche, die in der Versammlung
das Signal zu einer tumultuarischen Szene oder zu mehrfacher Enthaltung
von der Theilnahme an den gesetzgeberischen Arbeiten gegeben haben, endlich
gegen jeden Abgeordneten, der gegen einen oder mehrere seiner Kollegen Be¬
leidigungen, Herausforderungen oder Drohungen ausgestoßen hat. Verweis
mit zeitweiligen Ausschluß ist auf Widerstand gegen den einfachen Verweis
gesetzt, ferner auf Aufreizung zur Gewaltthätigkeit und zum Bürgerkriege, end-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/8>, abgerufen am 21.05.2024.