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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Washingtons Beispiel für alle Zukunft als ein Fundamentalgruudsatz des unge¬
schriebenen Gesetzes unserer Republik zu betrachten ist. Wir glauben aufrichtig an
die Weisheit und Wahrheit des Beschlusses, welcher einstimmig vom Congresse in
Washington City im December 1875 angenommen wurde und dahin lautet, daß
das Beispiel Washingtons und anderer Präsidenten, indem sie nach ihrem zweiten
Amtstermin in das Privatleben zurücktraten, durch allgemeine Zustimmung ein Theil
unseres republikanischen Regierungssystems wurde, und daß jedes Abweichen von
diesem Gebrauch unweise, unpatriotisch und gefährlich für unsere Freiheit ist. Die
Ernennung General Granes für einen dritten Präsidentschaftstermin würde also ein
Fundamentalprincip unseres Negierungssystems verletzen und gegen einen Gebrauch,
der in der Meinung des amerikanischen Volkes Gesetzeskraft erlangt hat, verstoßen.
Eine solche Nomination könnte nur in gänzlicher Nichtachtung der ausgesprochenen
Grundsätze der republikanischen Partei vollzogen werden. Die Warnung Thomas
Jeffersons in der Reife seiner Erfahrung und nach langjährigen Diensten ist un¬
vergessen: ^Sollte ein Präsident zu seiner Ausstellung in einer dritten Wahl zu¬
stimmen, so hoffe ich, daß er vom Volke verworfen und zur Strafe für seinen Ehr¬
geiz geschlagen wird/"

Die Einladung tadelt dann noch entschieden das Vorangehen der Grantpartei
und spricht die Hoffnung aus, daß die Masseneonvention in Se. Louis dahin wirken
werde, daß ein Amendement zur Bundesverfassung der Vereinigten Staaten zu
Stande kommt, welches die Amtsdauer des Präsidenten mit Bezug auf seine Wieder-
erwählung genau bestimmt; auch werden fernere Schritte für die kommende Präsi¬
dentenwahl in Aussicht gestellt. So viel scheint sicher zu sein, daß die Massen¬
convention in Se. Louis auf die am 2. Juni in Chicago tagende Nationalconvention
der republikanischen Partei nicht ohne Einfluß bleiben wird.

Während so die republikanische Partei sich in: Hinblick auf die Präsidenten¬
wahl sehr rührig zeigt, verhalten sich die Demokraten noch ziemlich ruhig. An
Einigkeit fehlt es bis jetzt auch im demokratischen Parteilager; der stärkste Präsi¬
dentschafts - Candidat ist indeß nach wie vor Samuel I. Tilden aus New-York,
trotzdem daß über dem Haupte dieses Mannes ein sehr ärgerlicher Proceß schwebt,
und daß John Kelly, der Führer der berüchtigten Tammany-Hall-Demokraten, die
sich meistens aus Jrländern rekrutiren, mit aller Macht Tildens Candidatur be¬
kämpft. Der Hauptfehler der demokratischen Partei ist der, daß sie zu sehr der
particularistischen Staatenrechtslehre Rechnung trägt und keine neuen Ideen in ihr
politisches Glaubensbekenntniß aufzunehmen versteht. Auch huldigt die Mehrzahl
der Demokraten in der so wichtigen Finanzfrage sehr verderblichen Grundsätzen,
indem sie mit der socialdemokratisch angehauchten Greenbackpartei, die für eine un¬
endliche Vermehrung des uneinlösbaren Papiergeldes in die Schranken tritt, lieb¬
äugelt. Aussicht auf Erfolg in dem Präsidentenwahlkampfe haben die Demokraten
wohl nur, wenn die republikanische Nationaleonvention in Chicago den General
Grant zu ihrem Bannerträger ernennen würde, da die nicht geringe Zahl der un-


Washingtons Beispiel für alle Zukunft als ein Fundamentalgruudsatz des unge¬
schriebenen Gesetzes unserer Republik zu betrachten ist. Wir glauben aufrichtig an
die Weisheit und Wahrheit des Beschlusses, welcher einstimmig vom Congresse in
Washington City im December 1875 angenommen wurde und dahin lautet, daß
das Beispiel Washingtons und anderer Präsidenten, indem sie nach ihrem zweiten
Amtstermin in das Privatleben zurücktraten, durch allgemeine Zustimmung ein Theil
unseres republikanischen Regierungssystems wurde, und daß jedes Abweichen von
diesem Gebrauch unweise, unpatriotisch und gefährlich für unsere Freiheit ist. Die
Ernennung General Granes für einen dritten Präsidentschaftstermin würde also ein
Fundamentalprincip unseres Negierungssystems verletzen und gegen einen Gebrauch,
der in der Meinung des amerikanischen Volkes Gesetzeskraft erlangt hat, verstoßen.
Eine solche Nomination könnte nur in gänzlicher Nichtachtung der ausgesprochenen
Grundsätze der republikanischen Partei vollzogen werden. Die Warnung Thomas
Jeffersons in der Reife seiner Erfahrung und nach langjährigen Diensten ist un¬
vergessen: ^Sollte ein Präsident zu seiner Ausstellung in einer dritten Wahl zu¬
stimmen, so hoffe ich, daß er vom Volke verworfen und zur Strafe für seinen Ehr¬
geiz geschlagen wird/"

Die Einladung tadelt dann noch entschieden das Vorangehen der Grantpartei
und spricht die Hoffnung aus, daß die Masseneonvention in Se. Louis dahin wirken
werde, daß ein Amendement zur Bundesverfassung der Vereinigten Staaten zu
Stande kommt, welches die Amtsdauer des Präsidenten mit Bezug auf seine Wieder-
erwählung genau bestimmt; auch werden fernere Schritte für die kommende Präsi¬
dentenwahl in Aussicht gestellt. So viel scheint sicher zu sein, daß die Massen¬
convention in Se. Louis auf die am 2. Juni in Chicago tagende Nationalconvention
der republikanischen Partei nicht ohne Einfluß bleiben wird.

Während so die republikanische Partei sich in: Hinblick auf die Präsidenten¬
wahl sehr rührig zeigt, verhalten sich die Demokraten noch ziemlich ruhig. An
Einigkeit fehlt es bis jetzt auch im demokratischen Parteilager; der stärkste Präsi¬
dentschafts - Candidat ist indeß nach wie vor Samuel I. Tilden aus New-York,
trotzdem daß über dem Haupte dieses Mannes ein sehr ärgerlicher Proceß schwebt,
und daß John Kelly, der Führer der berüchtigten Tammany-Hall-Demokraten, die
sich meistens aus Jrländern rekrutiren, mit aller Macht Tildens Candidatur be¬
kämpft. Der Hauptfehler der demokratischen Partei ist der, daß sie zu sehr der
particularistischen Staatenrechtslehre Rechnung trägt und keine neuen Ideen in ihr
politisches Glaubensbekenntniß aufzunehmen versteht. Auch huldigt die Mehrzahl
der Demokraten in der so wichtigen Finanzfrage sehr verderblichen Grundsätzen,
indem sie mit der socialdemokratisch angehauchten Greenbackpartei, die für eine un¬
endliche Vermehrung des uneinlösbaren Papiergeldes in die Schranken tritt, lieb¬
äugelt. Aussicht auf Erfolg in dem Präsidentenwahlkampfe haben die Demokraten
wohl nur, wenn die republikanische Nationaleonvention in Chicago den General
Grant zu ihrem Bannerträger ernennen würde, da die nicht geringe Zahl der un-


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[0272] Washingtons Beispiel für alle Zukunft als ein Fundamentalgruudsatz des unge¬ schriebenen Gesetzes unserer Republik zu betrachten ist. Wir glauben aufrichtig an die Weisheit und Wahrheit des Beschlusses, welcher einstimmig vom Congresse in Washington City im December 1875 angenommen wurde und dahin lautet, daß das Beispiel Washingtons und anderer Präsidenten, indem sie nach ihrem zweiten Amtstermin in das Privatleben zurücktraten, durch allgemeine Zustimmung ein Theil unseres republikanischen Regierungssystems wurde, und daß jedes Abweichen von diesem Gebrauch unweise, unpatriotisch und gefährlich für unsere Freiheit ist. Die Ernennung General Granes für einen dritten Präsidentschaftstermin würde also ein Fundamentalprincip unseres Negierungssystems verletzen und gegen einen Gebrauch, der in der Meinung des amerikanischen Volkes Gesetzeskraft erlangt hat, verstoßen. Eine solche Nomination könnte nur in gänzlicher Nichtachtung der ausgesprochenen Grundsätze der republikanischen Partei vollzogen werden. Die Warnung Thomas Jeffersons in der Reife seiner Erfahrung und nach langjährigen Diensten ist un¬ vergessen: ^Sollte ein Präsident zu seiner Ausstellung in einer dritten Wahl zu¬ stimmen, so hoffe ich, daß er vom Volke verworfen und zur Strafe für seinen Ehr¬ geiz geschlagen wird/" Die Einladung tadelt dann noch entschieden das Vorangehen der Grantpartei und spricht die Hoffnung aus, daß die Masseneonvention in Se. Louis dahin wirken werde, daß ein Amendement zur Bundesverfassung der Vereinigten Staaten zu Stande kommt, welches die Amtsdauer des Präsidenten mit Bezug auf seine Wieder- erwählung genau bestimmt; auch werden fernere Schritte für die kommende Präsi¬ dentenwahl in Aussicht gestellt. So viel scheint sicher zu sein, daß die Massen¬ convention in Se. Louis auf die am 2. Juni in Chicago tagende Nationalconvention der republikanischen Partei nicht ohne Einfluß bleiben wird. Während so die republikanische Partei sich in: Hinblick auf die Präsidenten¬ wahl sehr rührig zeigt, verhalten sich die Demokraten noch ziemlich ruhig. An Einigkeit fehlt es bis jetzt auch im demokratischen Parteilager; der stärkste Präsi¬ dentschafts - Candidat ist indeß nach wie vor Samuel I. Tilden aus New-York, trotzdem daß über dem Haupte dieses Mannes ein sehr ärgerlicher Proceß schwebt, und daß John Kelly, der Führer der berüchtigten Tammany-Hall-Demokraten, die sich meistens aus Jrländern rekrutiren, mit aller Macht Tildens Candidatur be¬ kämpft. Der Hauptfehler der demokratischen Partei ist der, daß sie zu sehr der particularistischen Staatenrechtslehre Rechnung trägt und keine neuen Ideen in ihr politisches Glaubensbekenntniß aufzunehmen versteht. Auch huldigt die Mehrzahl der Demokraten in der so wichtigen Finanzfrage sehr verderblichen Grundsätzen, indem sie mit der socialdemokratisch angehauchten Greenbackpartei, die für eine un¬ endliche Vermehrung des uneinlösbaren Papiergeldes in die Schranken tritt, lieb¬ äugelt. Aussicht auf Erfolg in dem Präsidentenwahlkampfe haben die Demokraten wohl nur, wenn die republikanische Nationaleonvention in Chicago den General Grant zu ihrem Bannerträger ernennen würde, da die nicht geringe Zahl der un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/272>, abgerufen am 17.06.2024.