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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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abgespielt haben, liefern einen neuen und handgreiflichen Beweis für die in diesen
Blättern wiederholt aufgestellte Behauptung, daß die liberale Partei Badens in
ihrer derzeitigen (juristischen) Zusammensetzung, daß bor allem die autokratischen,
von der Führerschaft der Partei zu der des Landes aufstrebenden, durch mancherlei
Mißerfolge politisch verbitterten und persönlich gehässigen nud zu allem Unglück
noch mit wahrem Fanatismus mauchesterlich gesinnten Führer abgewirtschaftet
haben, und daß es an der Zeit wäre, an das badische Volk zu appelliren, um sich
zu vergewissern, wie es eigentlich den derzeitigen Bestrebungen gegenübersteht. Soll
das politische Leben Badens nicht versumpfen, so muß ihm vor dem Wieixrznsam-
mcutritt der Kammern Gelegenheit geboten werden, zu entscheiden, was es will.
Der Erfolg würde lehren, daß es weder zu Marschall-Göler noch zu Kiefer-Fieser
in seiner Mehrheit schwört. Das badische Volk ist freisinnig, wie sein Fürst; aber
dem unfehlbaren terroristischen Liberalismus ist es entwachsen.




Literatur.

Deutsches Namenbüchlein. Die Entstehung und Bedeutung der deutschen
Familiennamen. Von Dr. A. F. C. Vilmar. 5. Auflage. Marburg, Elwert, 1880.

Vilmars liebenswürdiges "Namenbüchlein", welches die Herkunft und Bedeu¬
tung von nahezu drei Tausend deutschen Familiennamen erklärt, scheint seit 1865,
wo es zuerst erschien, allmählich zu einem deutschen Haus- und Fmnilienbnche ge¬
worden zu sein. Und dies verdient es auch in vollstem Maße. Auf strenger und
zuverlässiger wissenschaftlicher Grundlage gearbeitet, belehrt es den Laien in ebenso
anspruchsloser wie ansprechender Form über einen Gegenstand, der noch jeden den¬
kenden Menschen zum Sinnen und Deuten gereizt hat, und giebt mit sicherer Hand
eine Anzahl Fingerzeige, deren aufmerksame Beobachtung schließlich auch den Laien
vor Mißgriffen auf dem gefährlichen Gebiete der Wort- und Namendeutung be¬
wahren wird. Für eine nochmalige neue Auflage dürfte sich's vielleicht empfehlen,
wenn von kundiger Seite in einem Anhange auch eine Uebersicht über die gebräuch¬
lichsten Arten der -- verhältnißmäßig jungen, künstlich gemachten -- jüdischdeutschen
Familiennamen (wie Kaiser, König, Fürst, Gutmann, Liebermann, Liebeskind, Sü߬
kind, Goldstein, Goldmark, Silberstein, Rubinstein, Perl, Rosenthal, Rosenbaum,
Rosenfeld, Lilienfeld, Blumenthal u. a.) hinzugefügt würden. Sie fehlen bei Vilmar
ganz. Freilich gehören sie auch eigentlich nicht in ein "deutsches" Namenbuch, denn
sie siud nur dem Klänge nach deutsch; der Vorstellungskreis, aus dem sie geboren
sind, ist so undeutsch wie möglich. Aber wie das Studium der echtdeutschen Fami¬
liennamen uns ganze Kapitel der deutschen Culturgeschichte erschließt, so dürfte eine
Sammlung der "schönen" pseudodeutschen Indermauer ein interessantes Streiflicht
ans gewisse Züge des jüdischen Volkscharakters werfen.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag'von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthcl K Herrmann in Leipzig.

abgespielt haben, liefern einen neuen und handgreiflichen Beweis für die in diesen
Blättern wiederholt aufgestellte Behauptung, daß die liberale Partei Badens in
ihrer derzeitigen (juristischen) Zusammensetzung, daß bor allem die autokratischen,
von der Führerschaft der Partei zu der des Landes aufstrebenden, durch mancherlei
Mißerfolge politisch verbitterten und persönlich gehässigen nud zu allem Unglück
noch mit wahrem Fanatismus mauchesterlich gesinnten Führer abgewirtschaftet
haben, und daß es an der Zeit wäre, an das badische Volk zu appelliren, um sich
zu vergewissern, wie es eigentlich den derzeitigen Bestrebungen gegenübersteht. Soll
das politische Leben Badens nicht versumpfen, so muß ihm vor dem Wieixrznsam-
mcutritt der Kammern Gelegenheit geboten werden, zu entscheiden, was es will.
Der Erfolg würde lehren, daß es weder zu Marschall-Göler noch zu Kiefer-Fieser
in seiner Mehrheit schwört. Das badische Volk ist freisinnig, wie sein Fürst; aber
dem unfehlbaren terroristischen Liberalismus ist es entwachsen.




Literatur.

Deutsches Namenbüchlein. Die Entstehung und Bedeutung der deutschen
Familiennamen. Von Dr. A. F. C. Vilmar. 5. Auflage. Marburg, Elwert, 1880.

Vilmars liebenswürdiges „Namenbüchlein", welches die Herkunft und Bedeu¬
tung von nahezu drei Tausend deutschen Familiennamen erklärt, scheint seit 1865,
wo es zuerst erschien, allmählich zu einem deutschen Haus- und Fmnilienbnche ge¬
worden zu sein. Und dies verdient es auch in vollstem Maße. Auf strenger und
zuverlässiger wissenschaftlicher Grundlage gearbeitet, belehrt es den Laien in ebenso
anspruchsloser wie ansprechender Form über einen Gegenstand, der noch jeden den¬
kenden Menschen zum Sinnen und Deuten gereizt hat, und giebt mit sicherer Hand
eine Anzahl Fingerzeige, deren aufmerksame Beobachtung schließlich auch den Laien
vor Mißgriffen auf dem gefährlichen Gebiete der Wort- und Namendeutung be¬
wahren wird. Für eine nochmalige neue Auflage dürfte sich's vielleicht empfehlen,
wenn von kundiger Seite in einem Anhange auch eine Uebersicht über die gebräuch¬
lichsten Arten der — verhältnißmäßig jungen, künstlich gemachten — jüdischdeutschen
Familiennamen (wie Kaiser, König, Fürst, Gutmann, Liebermann, Liebeskind, Sü߬
kind, Goldstein, Goldmark, Silberstein, Rubinstein, Perl, Rosenthal, Rosenbaum,
Rosenfeld, Lilienfeld, Blumenthal u. a.) hinzugefügt würden. Sie fehlen bei Vilmar
ganz. Freilich gehören sie auch eigentlich nicht in ein „deutsches" Namenbuch, denn
sie siud nur dem Klänge nach deutsch; der Vorstellungskreis, aus dem sie geboren
sind, ist so undeutsch wie möglich. Aber wie das Studium der echtdeutschen Fami¬
liennamen uns ganze Kapitel der deutschen Culturgeschichte erschließt, so dürfte eine
Sammlung der „schönen" pseudodeutschen Indermauer ein interessantes Streiflicht
ans gewisse Züge des jüdischen Volkscharakters werfen.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag'von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl K Herrmann in Leipzig.
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[0092] abgespielt haben, liefern einen neuen und handgreiflichen Beweis für die in diesen Blättern wiederholt aufgestellte Behauptung, daß die liberale Partei Badens in ihrer derzeitigen (juristischen) Zusammensetzung, daß bor allem die autokratischen, von der Führerschaft der Partei zu der des Landes aufstrebenden, durch mancherlei Mißerfolge politisch verbitterten und persönlich gehässigen nud zu allem Unglück noch mit wahrem Fanatismus mauchesterlich gesinnten Führer abgewirtschaftet haben, und daß es an der Zeit wäre, an das badische Volk zu appelliren, um sich zu vergewissern, wie es eigentlich den derzeitigen Bestrebungen gegenübersteht. Soll das politische Leben Badens nicht versumpfen, so muß ihm vor dem Wieixrznsam- mcutritt der Kammern Gelegenheit geboten werden, zu entscheiden, was es will. Der Erfolg würde lehren, daß es weder zu Marschall-Göler noch zu Kiefer-Fieser in seiner Mehrheit schwört. Das badische Volk ist freisinnig, wie sein Fürst; aber dem unfehlbaren terroristischen Liberalismus ist es entwachsen. Literatur. Deutsches Namenbüchlein. Die Entstehung und Bedeutung der deutschen Familiennamen. Von Dr. A. F. C. Vilmar. 5. Auflage. Marburg, Elwert, 1880. Vilmars liebenswürdiges „Namenbüchlein", welches die Herkunft und Bedeu¬ tung von nahezu drei Tausend deutschen Familiennamen erklärt, scheint seit 1865, wo es zuerst erschien, allmählich zu einem deutschen Haus- und Fmnilienbnche ge¬ worden zu sein. Und dies verdient es auch in vollstem Maße. Auf strenger und zuverlässiger wissenschaftlicher Grundlage gearbeitet, belehrt es den Laien in ebenso anspruchsloser wie ansprechender Form über einen Gegenstand, der noch jeden den¬ kenden Menschen zum Sinnen und Deuten gereizt hat, und giebt mit sicherer Hand eine Anzahl Fingerzeige, deren aufmerksame Beobachtung schließlich auch den Laien vor Mißgriffen auf dem gefährlichen Gebiete der Wort- und Namendeutung be¬ wahren wird. Für eine nochmalige neue Auflage dürfte sich's vielleicht empfehlen, wenn von kundiger Seite in einem Anhange auch eine Uebersicht über die gebräuch¬ lichsten Arten der — verhältnißmäßig jungen, künstlich gemachten — jüdischdeutschen Familiennamen (wie Kaiser, König, Fürst, Gutmann, Liebermann, Liebeskind, Sü߬ kind, Goldstein, Goldmark, Silberstein, Rubinstein, Perl, Rosenthal, Rosenbaum, Rosenfeld, Lilienfeld, Blumenthal u. a.) hinzugefügt würden. Sie fehlen bei Vilmar ganz. Freilich gehören sie auch eigentlich nicht in ein „deutsches" Namenbuch, denn sie siud nur dem Klänge nach deutsch; der Vorstellungskreis, aus dem sie geboren sind, ist so undeutsch wie möglich. Aber wie das Studium der echtdeutschen Fami¬ liennamen uns ganze Kapitel der deutschen Culturgeschichte erschließt, so dürfte eine Sammlung der „schönen" pseudodeutschen Indermauer ein interessantes Streiflicht ans gewisse Züge des jüdischen Volkscharakters werfen. Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag'von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl K Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/92>, abgerufen am 24.05.2024.