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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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strengen Preßgesetze, welches den Abgeordneten an 11. December 1829 vorge¬
legt wurde. Die königliche Botschaft, welche dieses Gesetz begleitete, führte, in¬
dem sie die persönliche Meinung des Monarchen aussprach, eine drohende
Sprache. "Mitten im Frieden nach außen hiu und der Ruhe im Innern, im
Schoße gedeihlicher Entwicklung so vieler Gewerbszweige, nnter der Herrschaft
maßvoller Gesetze und der politischen und bürgerlichen Freiheit sehen wir eine
kleine Zahl unserer Unterthauen, verleitet durch Uebertreibung und aufgeregt
durch das Emporschäumen Uebelgesinnter, alle diese Wohlthaten verkennen und
sich in der gefährlichsten und schmählichsten Weise gegen die Regierung, die Ge¬
setze und meine väterliche" Absichten auflehnen. Die Frechheit der Presse, dieser
Presse, der wir die Freiheit mit weniger Beschränkungen als in einem anderen
Lande zu sicher" gewünscht Hütten, hat unglücklicherweise nur zu sehr beigetragen,
Unruhe, Uneinigkeit und Mißtrauen auszusäen und Lehren zu verbreiten, welche
die socialen Einrichtungen, wie auch die Form der Staatsverwaltung beschaffen
sei, umzustürzen geeignet, ganz und gar der Regierung der Niederlande, die durch
das Grundgesetz begründet ist, feindlich und ebenso feindlich den Rechten unseres
Hauses find, die wir niemals in unbeschränkter Weise auszuüben, sondern aus
eigener Entschließung so weit zu begrenzen bestrebt waren, als wir es für ver¬
einbar mit dauernder Wohlfahrt, mit den Sitten und dem Charakter der Nation
hielten." Die Katholiken, so äußerte der König, allerdings nicht ohne einigen
Grund, suchten den Staat zu unterwühle", und die Liberalen seien nichts als
Werkzeuge der Priester. Er habe die Verfassung als Geschenk verliehen und
werde gegen weitergehende Forderungen die Festigkeit zeigen, mit welcher seine
Vorfahren alle Empörungen besiegt hätten. Nachgiebigkeit gegen ungebührliche
Zumuthungen oder gegen die Schmähungen einer ungestümen Wuth habe mau
von ihm nicht zu erwarten. Er war persönlich gereizt; denn nicht genug, daß
man selbst in der Kammer auf seine Liebe zum Gelde und seine Betheiligung
an Bank- und Handelsgeschäften angespielt hatte, waren auch über den Thron¬
erben sehr wenig saubere Nachrede" im Umlaufe.

Am 2. Juni 1830 wurden die Generalstaaten entlassen und den belgischen
Mitgliedern abermals Vorwürfe mit ans den Weg gegeben. Die Verfolgung
der Presse, die Absetzung freisinniger Beamten und ähnliche harte Maßregeln,
deren Seele der Justizminister van Mannen war, steigerten sich und erhitzten
die Gemüther noch mehr. Eine Explosion war nur noch eine Frage der Zeit.
Mit der französischen Julirevolution erschien der Moment, wo der aufgehäufte
Zündstoff den Druck zersprengen mußte, der auf dem Laude lastete. Doch kam
es nicht sofort dazu, obwohl französische Agenten ihr Möglichstes dafür thaten.
Erst in der Nacht des 25. August brach in Brüssel nach einer Vorstellung
der Stummen von Portici ein Aufstand aus, der sich rasch über andere Städte


strengen Preßgesetze, welches den Abgeordneten an 11. December 1829 vorge¬
legt wurde. Die königliche Botschaft, welche dieses Gesetz begleitete, führte, in¬
dem sie die persönliche Meinung des Monarchen aussprach, eine drohende
Sprache. „Mitten im Frieden nach außen hiu und der Ruhe im Innern, im
Schoße gedeihlicher Entwicklung so vieler Gewerbszweige, nnter der Herrschaft
maßvoller Gesetze und der politischen und bürgerlichen Freiheit sehen wir eine
kleine Zahl unserer Unterthauen, verleitet durch Uebertreibung und aufgeregt
durch das Emporschäumen Uebelgesinnter, alle diese Wohlthaten verkennen und
sich in der gefährlichsten und schmählichsten Weise gegen die Regierung, die Ge¬
setze und meine väterliche» Absichten auflehnen. Die Frechheit der Presse, dieser
Presse, der wir die Freiheit mit weniger Beschränkungen als in einem anderen
Lande zu sicher» gewünscht Hütten, hat unglücklicherweise nur zu sehr beigetragen,
Unruhe, Uneinigkeit und Mißtrauen auszusäen und Lehren zu verbreiten, welche
die socialen Einrichtungen, wie auch die Form der Staatsverwaltung beschaffen
sei, umzustürzen geeignet, ganz und gar der Regierung der Niederlande, die durch
das Grundgesetz begründet ist, feindlich und ebenso feindlich den Rechten unseres
Hauses find, die wir niemals in unbeschränkter Weise auszuüben, sondern aus
eigener Entschließung so weit zu begrenzen bestrebt waren, als wir es für ver¬
einbar mit dauernder Wohlfahrt, mit den Sitten und dem Charakter der Nation
hielten." Die Katholiken, so äußerte der König, allerdings nicht ohne einigen
Grund, suchten den Staat zu unterwühle», und die Liberalen seien nichts als
Werkzeuge der Priester. Er habe die Verfassung als Geschenk verliehen und
werde gegen weitergehende Forderungen die Festigkeit zeigen, mit welcher seine
Vorfahren alle Empörungen besiegt hätten. Nachgiebigkeit gegen ungebührliche
Zumuthungen oder gegen die Schmähungen einer ungestümen Wuth habe mau
von ihm nicht zu erwarten. Er war persönlich gereizt; denn nicht genug, daß
man selbst in der Kammer auf seine Liebe zum Gelde und seine Betheiligung
an Bank- und Handelsgeschäften angespielt hatte, waren auch über den Thron¬
erben sehr wenig saubere Nachrede» im Umlaufe.

Am 2. Juni 1830 wurden die Generalstaaten entlassen und den belgischen
Mitgliedern abermals Vorwürfe mit ans den Weg gegeben. Die Verfolgung
der Presse, die Absetzung freisinniger Beamten und ähnliche harte Maßregeln,
deren Seele der Justizminister van Mannen war, steigerten sich und erhitzten
die Gemüther noch mehr. Eine Explosion war nur noch eine Frage der Zeit.
Mit der französischen Julirevolution erschien der Moment, wo der aufgehäufte
Zündstoff den Druck zersprengen mußte, der auf dem Laude lastete. Doch kam
es nicht sofort dazu, obwohl französische Agenten ihr Möglichstes dafür thaten.
Erst in der Nacht des 25. August brach in Brüssel nach einer Vorstellung
der Stummen von Portici ein Aufstand aus, der sich rasch über andere Städte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/101>, abgerufen am 15.06.2024.