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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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hatte eben nichts bestimmtes bieten und dafür wo möglich die Beseitigung der
Maigesetzgebung in allen wesentlichen Punkten erreichen wollen. Hierauf er¬
schien der Erlaß des Reichskanzlers vom 20. April, in welchem er erklärte,
daß er bei den Verhandlungen mit Rom niemals an eine Abschaffung
oder eine Abänderung der Maigesetze uach den Ansprüchen des Vaticans gedacht
und als erreichbar nur einen Moäus vivenäi angesehen habe, der dnrch gewisse
Concessionen herbeizuführen versucht werden sollte, wenn römischerseits dafür zu
gleicher Zeit und Schritt für Schritt Zugeständnisse gemacht würden. Als sich
endlich keine Aussicht auf letztere zeigte, kündigte eine Veröffentlichung vom 14.
Mai an, die preußische Regierung werde aus eigner Initiative ohne vorher¬
gehende Zugeständnisse des Papstes bei den gesetzgebenden Factoren diejenigen
Milderungen der Maigesetze beantragen, welche mit den unveräußerlichen Rechten
des Staates verträglich seien.

Dieser Darlegung der neuen Stellung des Kanzlers zur katholischen Kirche
in Preußen entsprach dann die Vorlage, welche die Regierung dem Abgeord¬
netenhause in Bezug auf die Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze zugehen
ließ. Sie war das Resultat eines freien Entschlusses und weder von Rom her
angeregt, mit dem die Verhandlungen vielmehr abgebrochen worden waren, noch
aus dem Drängen gewisser hochstehenden Persönlichkeiten in Berlin hervorge¬
gangen, deren starkes Friedensbedürfniß allerdings bisweilen unbequem sich
geltend gemacht hatte, sondern lediglich Ergebniß der Einsicht, daß etwas ge¬
schehen müsse, um der durch einzelne Bestimmungen der Maigesetze einerseits
und die Hartnäckigkeit der Curie andrerseits herbeigeführten Nothlage der preu¬
ßischen Katholiken, foweit möglich, d. h. ohne Beeinträchtigung der Würde und
der Interessen des Staates abzuhelfen. Sie gab keinerlei Schwankung in der
Auffassung von der Souveränetüt der Gesetze kund, und kein Grundpfeiler der
kirchenpolitischen Gesetzgebung wurde von ihr berührt. Sah sie in einigen Para¬
graphen wie zu große Nachgiebigkeit gegen die ultramontanen Ansprüche aus, so
war dies Augentäuschung. Nach wie vor stand fest, daß man nicht mit Rom
zu pactieren gesonnen war, sondern das Ziel im Auge hatte, selbständig mit
den preußischen Katholiken zu einem Einvernehmen zu gelangen, welches milde
Handhabung der Maigesetze durch die Krone gestattete. Wenn Bischöfe mit der
Miene des Triumphators wieder einzogen, so war dagegen wenig einzuwenden.
Sie erkannten damit an, daß ihnen viel gewährt war; aber wenn sie sich
dann nicht mit der Regierung stellten, so hatte diese ja die diseretivnäre Ge¬
walt, mit ihnen zu verfahren, wie Rechtens, d. h. sie wieder zu entfernen aus
der Amtsthätigkeit, die sie in ungebührlicher Weise ausüben wollten. Daß
die liberale Opposition gegen die Vorlage dies und anderes nicht be¬
griff, könnte Wunder nehmen, wenn man nicht wüßte, daß die Herren


hatte eben nichts bestimmtes bieten und dafür wo möglich die Beseitigung der
Maigesetzgebung in allen wesentlichen Punkten erreichen wollen. Hierauf er¬
schien der Erlaß des Reichskanzlers vom 20. April, in welchem er erklärte,
daß er bei den Verhandlungen mit Rom niemals an eine Abschaffung
oder eine Abänderung der Maigesetze uach den Ansprüchen des Vaticans gedacht
und als erreichbar nur einen Moäus vivenäi angesehen habe, der dnrch gewisse
Concessionen herbeizuführen versucht werden sollte, wenn römischerseits dafür zu
gleicher Zeit und Schritt für Schritt Zugeständnisse gemacht würden. Als sich
endlich keine Aussicht auf letztere zeigte, kündigte eine Veröffentlichung vom 14.
Mai an, die preußische Regierung werde aus eigner Initiative ohne vorher¬
gehende Zugeständnisse des Papstes bei den gesetzgebenden Factoren diejenigen
Milderungen der Maigesetze beantragen, welche mit den unveräußerlichen Rechten
des Staates verträglich seien.

Dieser Darlegung der neuen Stellung des Kanzlers zur katholischen Kirche
in Preußen entsprach dann die Vorlage, welche die Regierung dem Abgeord¬
netenhause in Bezug auf die Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze zugehen
ließ. Sie war das Resultat eines freien Entschlusses und weder von Rom her
angeregt, mit dem die Verhandlungen vielmehr abgebrochen worden waren, noch
aus dem Drängen gewisser hochstehenden Persönlichkeiten in Berlin hervorge¬
gangen, deren starkes Friedensbedürfniß allerdings bisweilen unbequem sich
geltend gemacht hatte, sondern lediglich Ergebniß der Einsicht, daß etwas ge¬
schehen müsse, um der durch einzelne Bestimmungen der Maigesetze einerseits
und die Hartnäckigkeit der Curie andrerseits herbeigeführten Nothlage der preu¬
ßischen Katholiken, foweit möglich, d. h. ohne Beeinträchtigung der Würde und
der Interessen des Staates abzuhelfen. Sie gab keinerlei Schwankung in der
Auffassung von der Souveränetüt der Gesetze kund, und kein Grundpfeiler der
kirchenpolitischen Gesetzgebung wurde von ihr berührt. Sah sie in einigen Para¬
graphen wie zu große Nachgiebigkeit gegen die ultramontanen Ansprüche aus, so
war dies Augentäuschung. Nach wie vor stand fest, daß man nicht mit Rom
zu pactieren gesonnen war, sondern das Ziel im Auge hatte, selbständig mit
den preußischen Katholiken zu einem Einvernehmen zu gelangen, welches milde
Handhabung der Maigesetze durch die Krone gestattete. Wenn Bischöfe mit der
Miene des Triumphators wieder einzogen, so war dagegen wenig einzuwenden.
Sie erkannten damit an, daß ihnen viel gewährt war; aber wenn sie sich
dann nicht mit der Regierung stellten, so hatte diese ja die diseretivnäre Ge¬
walt, mit ihnen zu verfahren, wie Rechtens, d. h. sie wieder zu entfernen aus
der Amtsthätigkeit, die sie in ungebührlicher Weise ausüben wollten. Daß
die liberale Opposition gegen die Vorlage dies und anderes nicht be¬
griff, könnte Wunder nehmen, wenn man nicht wüßte, daß die Herren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/12>, abgerufen am 15.05.2024.